1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Leben für Myanmar

Rodion Ebbighausen11. April 2014

Das weltweite Ansehen Aung San Suu Kyis ähnelt dem Gandhis oder des Dalai Lama. Es basiert auf ihrem jahrzehntelangen Widerstand gegen die Militärregierung Myanmars. Doch seit sie Politik macht, gibt es Kritik.

https://p.dw.com/p/1Bdi6
Myanmarische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi (Foto: dapd)
Bild: dapd

Am Freitag (11.04.2014) hat Aung San Suu Kyi den Willy-Brandt-Preis der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) erhalten. Ausgezeichnet werden damit Menschen oder Institutionen, die sich in vorbildlicher Weise für die internationale Verständigung zwischen den Völkern eingesetzt haben.

Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991, die auch schon mit dem Sacharow-Preis (1990), der goldenen Ehrenmedaille des US-Kongresses (2008) und anderen Auszeichnungen geehrt wurde, gehört zu den weltweit bekanntesten Politikern unserer Zeit. US-Präsident Barack Obama würdigte ihr Engagement bei einem ersten Zusammentreffen 2012 in Yangon: "Aung San Suu Kyi hat mit Mut und Entschlossenheit bewiesen, dass niemand einem Menschen Freiheit und Würde nehmen kann."

Verantwortung und Engagement

Die Pflicht, sich zu engagieren, leitete Suu Kyi in einem Interview mit dem Magazin "Vanity Fair" aus ihrer Herkunft ab. "Als Tochter meines Vaters fühlte ich, dass ich die Verpflichtung hatte, mich zu engagieren." Ihr Vater Aung San, der bis heute in Myanmar (damals Birma) verehrt wird, führte das Land in die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft. Er wurde 1947 von politischen Gegnern ermordet. Seine Frau war damals Parlaments-Abgeordnete und Ministerin. Sie ging mit ihren Kindern 1960 als erste Botschafterin ihres Landes nach Indien.

Suu Kyi bei der Übergabe des Willy-Brandt-Preises Suu Kyi bei der Übergabe des Willy-Brandt-Preises mit SPD-Politikern Sigmar Gabriel und Egon Bahr (Foto: Getty Images)
Suu Kyi bei der Übergabe des Willy-Brandt-Preises mit SPD-Chef Sigmar Gabriel (r.) und Partei-Urgestein Egon BahrBild: Getty Images

Die Politik begleitete und prägte demnach Aung San Suu Kyis ganze Kindheit und Jugend. Später, als sie in Oxford Philosophie, Politik und Wirtschaft studierte, war sie zwar politisch aktiv, konnte aber noch nicht ahnen, dass sie einmal zu einer Ikone der Menschenrechte werden würde.

Schicksalsjahr 1988

1988 reiste Suu Kyi, die zu dieser Zeit an einer Hochschule in Indien arbeitete, nach Yangon, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Wenig später erlebte sie die heftigen Studentenproteste und den Rücktritt des Machthabers General Ne Win, der jahrelang die Militärregierung angeführt hatte. Aung San Suu Kyi schloss sich der Opposition an und wurde schon bald zu deren bekanntestem Gesicht - vor allem im Westen.

In ihrer ersten öffentlichen Rede am 26. August 1988 forderte Suu Kyi vor einer halben Million Menschen in Yangon einen politischen Neuanfang. Als die Lage im Land mehr und mehr außer Kontrolle geriet, griff das Militär mit brutalen Mitteln ein. Viele Menschen starben, tausende Oppositionelle wurden für Jahrzehnte weggesperrt.

Lebensthema: Befreiung von Angst

Schnell entwickelte sich Suu Kyi zur prominentesten Kritikerin der Militärregierung. Sie steht für gewaltfreien Widerstand: "Ich bin nicht aus moralischen Gründen gegen Gewalt, sondern aus politischen und praktischen." Gewaltfreiheit verbindet sie mit der Befreiung von der Angst: "Es ist nicht die Macht, die korrumpiert, sondern die Angst. Die Angst, die Macht zu verlieren, korrumpiert diejenigen, die die Macht haben. Die Angst vor Machtmissbrauch korrumpiert diejenigen, die beherrscht werden." So lauten die ersten Sätze von Suu Kyis Rede anlässlich der Verleihung des Sacharow-Preises.

Haus der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Yangon (Foto: dpa/picture alliance)
In ihrem Haus in Yangon stand die Friedensnobelpreisträgerin 15 Jahre lang unter HausarrestBild: picture-alliance/ dpa

Aung San Suu Kyi, die selbst dem Theravada-Buddhismus anhängt, forderte immer wieder eine spirituelle Revolution. Darin folgt sie dem von ihr verehrten Gandhi. Eine bloß politische Reform werde die Gesellschaft nicht dauerhaft heilen.

Bitterer Sieg

1990 gab es die erste Chance auf einen Kurswechsel in Myanmar. Bei den ersten allgemeinen Wahlen gewann die von Aung San Suu Kyi geführte Nationale Liga für Demokratie (NLD) 59 Prozent der Stimmen. Die Militärs weigerten sich aber, das Ergebnis anzuerkennen, bevor nicht eine neue Konstitution ausgearbeitet würde. Das dauerte mehr als 20 Jahre, in denen das Land unter der Kontrolle des Militärs stand.

Bis 2011 verbrachte Suu Kyi mehr als 15 Jahre ihres Lebens im Hausarrest. Die Regierung stellt ihr immer wieder frei, das Land zu verlassen, etwa um ihren todkranken Mann zu besuchen oder den Nobelpreis persönlich entgegenzunehmen. Aber sie weigerte sich stets. Sie wusste, dass sie nur so ihren Einfluss im Land geltend machen konnte.

Politikerin statt Ikone

2010 haben die Militärs die Uniformen gegen Zivilkleidung ausgetauscht und die Öffnung des Landes ermöglicht. Aung San Suu Kyi wurde aus dem Hausarrest entlassen und hat seit den Nachwahlen vom April 2012 einen Sitz im Parlament. Zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie aktiv ein politisches Mandat ausüben und ihre Vorstellungen in konkrete Politik umsetzen. Der Journalist Zeya Thu erklärt, dass Suu Kyi vielen Menschen in Myanmar vor 2012 im Grunde unbekannt war. Man habe nur gewusst, dass sie unter Hausarrest stand und gegen die Militärregierung war. Heute sei das anders. "Früher war sie eine Ikone der Demokratie, heute ist sie eine Politikerin." Das bedeute auch, dass sie die Regeln der Politik, die manchmal sehr knifflig und schmutzig seien, akzeptieren müsse.

Aung San Suu Kyi trägt sich im Parlamentsgebäude in Yangon in eine Liste der Abgeordneten ein (Foto: Reuters)
Aung San Suu Kyi vor einer ParlamentssitzungBild: Reuters

So dauerte es nicht lange, bis erste Kritik laut wurde: Suu Kyi kümmere sich nicht genügend um die ethnischen Minderheiten, ihre Partei, die NLD, pflege einen autoritären Führungsstil und sie lasse sich mit ihren einstigen Gegnern des Militärs ein.

Bisher, so Zeya Thu, habe sie als Ikone mehr bewegt denn als Politikerin. "Dennoch möchte sie lieber Politikerin sein als eine Ikone." Denn nur so ließen sich konkrete Änderungen durchsetzen. Das könnte ihr ab 2015 gelingen, wenn sie zu den Präsidentschaftswahlen antreten darf. "Ich will mich um das Präsidentenamt bewerben", hat Suu Kyi bereits 2013 erklärt. Bisher verhindert das ein kleiner Zusatz in der Verfassung. Der besagt, dass die Präsidenten Myanmars nicht mit Ausländern verheiratet sein dürfen. Suu Kyis 1999 verstorbener Mann war Brite und ihre beiden Söhne haben die britische Staatsangehörigkeit. Doch Zeya Thu ist optimistisch: "Da die Beziehungen zwischen Aung San Suu Kyi und dem Militär heute besser ist als in der Vergangenheit, wird die Verfassung wahrscheinlich geändert werden."