Aufgeheizte Stimmung in Dresden
19. Oktober 2015Schon am späten Montagnachmittag versammelten sich am Bahnhof Dresden-Neustadt mehrere Tausend Teilnehmer, um am ersten Jahrestag des Pegida-Bündnisses gegen dessen Kundgebung am Abend zu demonstrieren. Bei einem zweiten, an der Technischen Universität gestarteten Protestzug beteiligten sich bis zu 5000 Studierende. Auf insgesamt vier Routen liefen die Teilnehmer in Richtung Innenstadt. Dort versammelten sie sich in Sichtweite des Pegida-Aufmarsches. Die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" feiern ihr einjähriges Gründungsjubiläum in der Altstadt. Zur Gegenveranstatung unter dem Motto "Herz statt Hetze" hatten zahlreiche Initiativen, Parteien und Verbände aufgerufen.
Die sächsische Polizei ging zunächst von insgesamt 20.000 Demonstranten aus, doch die Zahlen dürften höher liegen. Pegida-Gründer Lutz Bachmann sprach in seiner Rede von 39.000 Teilnehmern. Beobachter wollen zwischen 15.000 und 20.000 Menschen gezählt haben. Auch auf Seiten der Gegendemonstranten haben sich mehr als 10.000 Teilnehmer versammelt.
Nach Angaben von Innenminister Markus Ulbig (CDU) sind mehr als 1000 Polizeibeamte im Einsatz. Unterstützung bekommen die sächsischen Polizisten aus fünf weiteren Bundesländern und von der Bundespolizei. Der Minister appellierte zuvor an alle Teilnehmer, friedlich und ohne Hass und Gewalt von der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch zu machen. "Sollten diese Grundrechte missbraucht werden, wird die Polizei konsequent vorgehen", erklärte Ulbig. Mit Blick auf die Gegendemonstranten erklärte er: "Ich bin froh, dass es viele Menschen gibt, die deutlich machen, dass Dresden ein Herz hat, ein anderes Gesicht hat, und ich hoffe, dass diese Bilder auch klar in die Welt gehen."
"Nährboden für rechte Gewalt"
Zu den prominenten Teilnehmern der Gegendemonstration gehört auch Grünen-Chefin Simone Peter. Mit Blick auf das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker erklärte sie: "Die Hassparolen von Pegida sind der Nährboden für rechte Gewalt". Es müsse Schluss sein mit der Verharmlosung des Bündnisses.
Auch die Dresdner Semperoper bezog klar Stellung gegen die fremdenfeindliche Bewegung. "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass", hieß es am frühen Abend auf einer elektronischen Leinwand, die an dem Gebäude angebracht war. Im Wechsel leuchtete der Satz auf: "Wir sind keine Kulisse für Intoleranz".
Die Pegida-Anhänger versammelten sich auf dem Vorplatz des Theaters und skandierten "Wir sind das Volk" und "Merkel muss weg". In seiner Rede kündigte Wortführer Bachmann an, Bundesinnenminister Thomas de Maizière wegen Volksverhetzung anzeigen zu wollen. De Maizière hatte die Pegida-Organisatoren als Rechtsextreme und Rattenfänger kritisiert. Außerdem begrüßte Bachmann zahlreiche rechtsnationale Politiker aus den Niederlanden, der tschechischen Republik und Italien, die zur Kundgebung angereist waren. Zu den weiteren Rednern gehörte auch der rechtspopulistische deutsch-türkische Schriftsteller Akif Pirincci.
Begleitet wurde die Pegida-Demonstration anders als sonst von mehreren eingespielten Filmen. Dazu war eigens eine große Videoleinwand auf dem Theaterplatz aufgebaut worden.
Schon während des Zulaufs zum Kundgebungsort kam es zu einzelnen Zusammenstößen von Pegida-Anhängern und Gegendemonstranten, die Straßen blockierten. Von beiden Seiten wurden Feuerwerkskörper geworfen. Der Polizei gelang es zwar durch den Einsatz von Tränengas, die Lager zu trennen, dennoch wurde ihren Angaben zufolge ein Pegida-Teilnehmer von Unbekannt schwer verletzt.
Sowohl Pegida als auch den Organisatoren der Gegeninitiave ist es gelungen, auch Teilnehmer außerhalb Dresdens zu mobilisieren. Augenzeugen berichteten von zahlreichen Fahrzeugen mit auswärtigen Kennzeichen auf den Parkplätzen in der Innenstadt.
djo/fab (dpa, epd, kna)