Auf fünf Säulen gebaut: Deutschland und die AU
10. Oktober 2016Deutschland und die Afrikanische Union (AU) sind seit mehr als zehn Jahren enge Partner. Zwischen 2004 und 2016 flossen mehr als 500 Millionen Euro von Berlin nach Addis Abeba - ein Drittel davon an die wichtige Abteilung "Frieden und Sicherheit".
So war es nur folgerichtig, dass Deutschland den Bau eines modernen Konferenzgebäudes in Auftrag gab - und finanzierte. Es soll die gewachsene Bedeutung des 1963 als Organisation Afrikanischer Einheit (OAE) gegründeten Verbundes symbolisieren.
Während nebenan die Chinesen in Rekordzeit das neue futuristische Hauptquartier der AU hochzogen, benötigten die Deutschen für das "Julius Nyerere Peace and Security Building" etwas länger: Eigentlich sollten schon 2014 die ersten der rund 360 Mitarbeiter ihre Büros und den neuen Plenarsaal beziehen. Ob am Ende deutsche DIN-Normen oder afrikanische Bürokratie-Hürden Schuld waren - mit Verspätung bekommt nun die Kanzlerin am Dienstag (11.10.) das neue Lage- und Einsatzzentrum vorgeführt, von dem aus in Zukunft zivile und militärische Einsätze koordiniert werden.
Fünf Säulen für Frieden und Sicherheit
Dass das Gebäude energieeffizient errichtet wurde, wird die Klima-Kanzlerin freuen - nicht dagegen das Schneckentempo, mit dem die AU die in den ausgehenden 1990er-Jahren ins Leben gerufene "Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur", kurz APSA, umsetzt.
Deren fünf zentrale Säulen sind der Friedens- und Sicherheitsrat, ein Kontinentales Frühwarnsystem, der sogenannte Rat der Weisen, die Afrikanische Eingreiftruppe und der Afrikanische Friedensfonds. Ursprünglich sollten alle Pfeiler 2015 stehen, um "afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" bereitzustellen. Doch von einem "rapid deployment", also einer schnellen Mobilisierung im Konfliktfall, ist die Afrikanische Eingreiftruppe ebenso weit entfernt wie der Afrikanische Friedensfonds von einer substanziellen Geldeinlage.
Dagegen hat der aus 15 gewählten Vertretern bestehende Friedens- und Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren unter seinen jeweils algerischen Vorsitzenden Djinnit, Lamamra und Chergui an Reputation gewonnen. In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche Friedensmissionen gegeben - auch über längere Zeiträume, wie zum Beispiel der Amison-Einsatz in Somalia. "Wenn man sich außerdem ansieht, in welchen Bereichen die AU diplomatisch aktiv und auch erfolgreich ist, dann hat man sich auf der kontinentalen Ebene schon sehr entwickelt", sagt Judith Vorrath, Sicherheits- und AU-Expertin der "Stiftung Wissenschaft und Politik". Liesl Louw-Vaudran, Herausgeberin des "Peace and Security Council Report" des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria, stimmt zu: "Die AU hat einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht. Der Friedens- und Sicherheitsrat agiert vergleichbar mit dem UN-Sicherheitsrat, die wichtigsten Entscheidungen werden zurzeit dort getroffen." Jedoch: "Darunter, auf der Ebene der Regionen, gibt es aber nach wie vor enorme Unterschiede und Schieflagen."
Hinderliche Doppelstrukturen
Genau dies ist eine zentrale Kritik an der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitspolitik: die Doppelstrukturen zwischen der Kontinentalunion und deren regionalen Wirtschaftsorganisationen wie der westafrikanischen Ecowas oder der ostafrikanischen Gemeinschaft EAC. Oft genug erschweren diese eine effiziente Krisenkommunikation und -intervention. Auch logistisch, operativ und politisch ist die AU von der Vielzahl der gewaltsamen Konflikte auf dem Kontinent - Burundi, Somalia, Südsudan, Mali und andere - weiter überfordert, die zivile Präventionskomponenten der APSA wie das "Kontinentale Frühwarnsystem" (CEWS) sind noch rudimentär.
Und dann ist da noch das liebe Geld: 2015 waren noch immer 95 Prozent des AU-Budgets fremdfinanziert. "Die Diskussionen drehen sich natürlich darum, den Eigenanteil zu erhöhen. Ich denke, dass das auch in kleinen Schritten passieren wird", so Expertin Vorrath. "Von einem mehrheitlich von außen getragenen Budget wird man aber erst einmal nicht wegkommen."
Denn die mangelhafte Zahlungsmoral vieler Mitgliedsstaaten und die anhaltende finanzielle Abhängigkeit von Gebern verhindert die gerne zitierte "Ownership", die Eigenverantwortlichkeit. Die aber war ja genau das Motiv dafür, sich vom früheren Prinzip der Nichteinmischung ab- und einer proaktiveren Interventionspolitik zuzuwenden. "Es ist nach wie vor sehr schwierig für die AU, in souveränen Staaten zu intervenieren, die sich nichts aus Addis Abeba sagen lassen wollen", so Louw-Vaudran. "Die AU hat noch einen langen Weg vor sich, um zu beweisen, dass sie in der Lage ist, Frieden in Afrika zu schließen und Konflikte zu verhindern."
Kapazitätsaufbau ja - aber nicht mit jedem
Im Vorfeld der Merkel-Reise nach Afrika haben Menschenrechtsorganisationen davor gewarnt, deutsche Afrikapolitik in erster Linie als Flüchtlingsabwehrpolitik zu begreifen. "Wovon wir auf jeden Fall absehen sollten, sind Prozesse, in denen man auf Grund von bestimmten europäischen Interessen mit einigen Staaten oder auch Organisationen im Sicherheitsbereich zusammenarbeitet und wo man so Strukturen stärkt, die eigentlich Teil des Problems sind", sagt auch Sicherheitsexpertin und AU-Beobachterin Vorrath. Zumindest bei ihrem Termin bei der Afrikanischen Union am Dienstag kann man der Bundeskanzlerin kaum sinistere Motive unterstellen: Denn das Thema Flüchtlinge und Massenmigration hat die AU bislang komplett ignoriert.