Schwule als Blutspender
29. Juni 2013Blut zu spenden, ist eine gute Tat. 15.000 Blutspenden werden in Deutschland benötigt, um den Bedarf nur eines Tages zu decken. Ärzte und Hilfsorganisation sind deshalb dankbar für jeden Freiwilligen, der sich zur Blutspende entschließt.
Nur Spender ohne Risiko
Menschen, die zu bestimmten Risikogruppen gezählt werden, dürfen allerdings nicht spenden. Bei ihnen besteht nach Einschätzung von Wissenschaftlern eine erhöhte Gefahr, mit Hepatitis oder AIDS-Erregern infiziert zu sein - unter anderem sind das Drogensüchtige, Prostituierte und "MSM", wie es im Fachjargon heißt: Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben.
Ob jemand zu diesen Risikogruppen zählt, wird in einem Fragebogen vor der Spende abgeklärt. Allerdings sind die Angaben freiwillig, eine Überprüfung unmöglich. "Da müssen wir auf die Ehrlichkeit der Menschen hoffen", sagt Hartmut Mösges. Der Arzt arbeitet in einer Blutspendestation des Deutschen Roten Kreuzes in Köln. 25 bis 50 Spender kommen täglich in die Station, im Durchschnitt sind es ein Drittel zu wenig.
Die Befragungen sollen ausgleichen, was die Technik noch nicht kann. "Mit einer Untersuchung des Spenderblutes kann man sehr schnell eine Infektion nachweisen. Aber zwischen Ansteckung und Nachweismöglichkeit gibt es dann immer noch eine diagnostische Lücke von bis zu 24 Stunden", erläutert Mösges das Problem. Um diese Lücke zu erfassen, müssten die Stationen an das Gewissen des Einzelnen appellieren. Mösges ist der Meinung, dass die bisherigen Ausschlusskriterien berechtigt sind. "Ich bin Hautarzt und habe lange in einer Uni-Klinik gearbeitet, auch mit diesem Personenkreis. Ich weiß, dass das Risiko einer HIV-Infektion bei homosexuellen Männern sehr viel höher ist als bei nicht-homosexuellen Männern. Die Statistik spricht da eine eindeutige Sprache."
Falsche Botschaft
Für Martin Pfarr vom deutschen Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist der Ausschluss von Schwulen eine deutliche Diskriminierung. "Wir fordern seit langem, sich bei der Blutspende von der sogenannten 'Risikogruppe' zu verabschieden. Wir müssen das konkrete Risikoverhalten der Menschen in den Mittelpunkt stellen", so Pfarr im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es gehe darum, ob Menschen Safer Sex praktizierten oder nicht. "Wenn man alle über einen Kamm schert, kann man zwar sagen, bei Schwulen ist die HIV-Ansteckungsrate noch höher. Aber das wird dem konkreten Fall und Menschen nicht gerecht."
Außerdem werde insgesamt eine falsche Botschaft in die Gesellschaft gesendet. "Diese Botschaft an Heterosexuelle war bisher: Ich bin ja nicht schwul, also kann ich Blut spenden, egal, wie ich mich verhalte. Das war kontraproduktiv", so Pfarr. Es gebe heterosexuelle Männer und Frauen, die ein risikoreiches Sexualleben führten und schwule Männer, die in langjährigen monogamen Beziehungen lebten.
Eine Änderung der Ausschlussrichtlinie für Blutspender ist Sache der Bundesärztekammer, BÄK. Der Verband überraschte im Juni mit einem Vorstoß, die Risikogruppen neu zu definieren. Blut spenden sollte erlaubt sein, so die BÄK, wenn die Betroffenen seit einer bestimmten Zeit keinen riskanten Sex hatten. Der genaue Zeitraum müsse noch definiert werden. Die Ärztevertretung wolle "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" auf eine Veränderung des EU-rechtlichen Rahmens hinwirken, teilte die BÄK in Berlin mit.
EU-Recht schließt Schwule nicht aus
Ein solcher Vorstoß sei jedoch gar nicht nötig, sagt Peter Liese, Arzt und CDU-Europaparlamentarier. Denn die europäische Verordnung sei längst differenzierter: "Der Satz in der europäischen Verordnung heißt nur: 'Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt', dürfen nicht spenden." Alles andere sei nationale Umsetzung, auch die deutsche Formulierung "Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben". EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg habe die Mitgliedstaaten bereits im November 2012 darauf hingewiesen, dass Diskriminierung weit verbreitet sei und die Länder aufgefordert, ihre nationale Interpretation der EU-Vorgaben entsprechend anzupassen und die Frage an Blutspender, ob sie schwul seien, fallen zu lassen.
Die bisherige Regel, die Schwule vom Blutspenden ausschließt, ist nach EU-Parlamentarier Liese aber nicht nur ungerecht, sie verkennt seiner Meinung nach auch gesellschaftliche Notwendigkeiten. "Wir haben einen Mangel an Blutspenden. Und wenn es möglich ist, das Risiko weitestgehend auszuschließen, warum sollten wir eine Knappheit an Blutkonserven riskieren, wenn es die Möglichkeit gibt, mehr Blutkonserven zu bekommen." Dass es auch anders geht, zeige der Blick in einige EU-Staaten, sagt Peter Liese. "Eine Reihe von Ländern wie Portugal, Schweden und Italien haben keine ausdrückliche Fragen mehr nach Männern, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben. Da geht es um riskantes Geschlechtsverhalten - und das kann eben auch bei Heterosexuellen stattfinden."