Amnesty-Bericht zu Homophobie in Afrika
25. Juni 2013DW: Sie haben in Ihrem Bericht gesagt, dass die meisten Gesetze gegen Homosexualität in Afrika aus der Kolonialzeit stammen. Wie bedeutend sind diese so genannten "importierten Gesetze" heute noch?
Die Gesetze, die Homosexualität oder gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in vielen afrikanischen Ländern verbieten, sind ein Erbe des Kolonialismus. Während die Kolonialmächte sich zurückgezogen und die afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit bekommen haben, sind diese Gesetze bestehen geblieben und gelten bis heute. Sie werden zum einen benutzt, um Personen zu verfolgen und um das zu rechtfertigen, aber auch direkt, um sie zu verhaften und dann auch zu verurteilen und ins Gefängnis zu stecken.
Warum sehen wir jetzt immer mehr Länder, die diese Gesetze gegen Homosexualität in Afrika verschärfen? Warum rückt dieses Thema jetzt so nach vorne?
Seit ein paar Jahren bekommen wir vermehrt Berichte, dass es Übergriffe gibt auf Homosexuelle oder so genannte LGBTI-Personen [Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle, Anm. d. Red.] und das hängt sicherlich damit zusammen, dass es auf der einen Seite auch eine größere Zivilgesellschaft gibt, die sich einsetzt für die Rechte von Homosexuellen. Auf der anderen Seite hängt das auch damit zusammen, dass es da ein Zusammenspiel gibt zwischen Politik, religiösen Führern und Medien, die alle gemeinsam zur Verfolgung von Homosexuellen aufrufen und diese kriminalisieren.
Aber man wundert sich, dass ein liberaler Staat wie Südafrika auch in Ihrem Bericht vorkommt.
Ja, Südafrika ist das fortschrittlichste Land, nicht nur Afrikas, sondern eigentlich auch auf der ganzen Welt in Bezug auf Homosexualität, weil sie als erste ja auch zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt haben. Gleichwohl hat die südafrikanische Bevölkerung diesen Schritt, den dort die politische Führung vollzogen hat, nicht ganz mitgemacht. Es gibt eigentlich in kaum einem anderen afrikanischen Land so viele Übergriffe, die mitunter zum Tod führen, wie in Südafrika. Das hängt sicherlich zum Teil auch daran, dass es nicht genügend Aufklärung gibt und nicht genügend Bildung. Das sieht man in Südafrika daran, dass die Menschen, die besser gestellt sind, Homosexualität gegenüber aufgeschlossener sind als arme Bevölkerungsschichten. Da gibt es Umfragen.
Auch Kamerun haben Sie besonders hervorgehoben.
Kamerun ist ein ganz schwieriges Terrain für Homosexuelle, ähnlich wie Uganda, da sich auch dort Medien, religiöse Führer und Politiker Hand in Hand gegenüber Homosexuellen diskriminierend äußern. Sie werden dort verfolgt, auch von der Justiz, also verhaftet von Sicherheitskräften, müssen dann mit Misshandlungen bis hin zu Folter rechnen, werden dann mitunter auch tatsächlich zu Freiheitsstrafen verurteilt. Es gibt auch immer wieder Übergriffe aus der Gesellschaft, auch von den eigenen Familien, von denen sie dann ausgeschlossen werden und sogar zur Anzeige gebracht werden.
Gibt es ein gutes Beispiel außer Südafrika in Afrika, wo die Lage positiver ist?
Mosambik und Botswana sind ganz gute Beispiele. Die haben in den vergangenen Jahren zumindest Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung verboten, wenngleich sie immer noch ein generelles Verbot von gleichgeschlechtlichen Beziehungen haben. Kapverde hat 2004 Homosexualität zugelassen und es gibt vermehrt Länder, in denen man sich an bestimmten Orten als homosexuelles Paar zeigen darf. Das trifft vor allen Dingen auf Kenia zu, wo es auch Verbote gibt, wo die Verbote aber nicht angewandt werden.
Ist es nicht ein Problem, dass, wenn ein Land solche Gesetze erlässt, wir wenig von Politikern in westlichen Ländern hören, die die Interessen der Homosexuellen dort verteidigen?
Es ist nicht immer sinnvoll, dass die Regierungen von westlichen Ländern oder auch Organisationen, die eher westlichen Ländern zugeschrieben werden, sich stark öffentlich äußern und deutlich fordern, dass Homosexualität erlaubt wird. Das kann mitunter kontraproduktiv sein, weil es eben doch von breiten Teilen der Gesellschaft als ein Verhalten wahrgenommen wird, das aus westlichen Ländern importiert ist und das aufgedrängt werden soll. Deswegen kann das auch eine Gegenreaktion, also genau in die andere Richtung, die man haben will, bewirken. Ein Aspekt kommt noch hinzu: Je öffentlicher sich die Regierungen äußern, gegenüber Staaten wie Uganda zum Beispiel, desto stärker kommt das auch in die Presse in diesen Ländern und desto stärker kann das zu einem vermehrten Risiko für lokale Aktivisten oder Homosexuelle vor Ort führen. Das ist die Problematik, die man hat.
Franziska Ulm-Düsterhöft ist Fachreferentin für Afrika in der deutschen Sektion von Amnesty International.