Außenpolitische Pfadfinder
31. Januar 2014Fein, das sei ja eine kultivierte Unterhaltung unter Freunden, freute sich Michael S. Rogers, Kommandeur der 10. US-Flotte und von US-Präsident Barack Obama als neuer Kommandeur des United States Cyber Command und Chef des Geheimdienstes NSA vorgeschlagen. Eine kultivierte, inzwischen wieder abgekühlte Unterhaltung, nachdem der deutsche Innenminister Thomas de Maizière in deutlichen Worten erklärt hatte, was er von den NSA-Spähaffäre halte. "Wir haben keine Beweise, es gibt keine Fingerabdrücke – aber nach allem, was wir hören, ist das, was zu Lasten deutscher Staatsbürger passiert ist, maßlos." Der politische Schaden sei weit größer, als der sicherheitspolitische Nutzen weit über den Atlantik hinaus, sagte der Innenminister gleich zu Beginn seines Beitrags. Nun sei ein Signal aus den USA erforderlich.
Michael S. Rogers übernahm es, dieses Signal auszusenden. Er verstehe die Empörung, sagte der General, und versprach, zur Klärung der Affäre beizutragen. "Wir werden darüber sprechen wie in einer Familie, und wir schaffen das auch", gab er sich zuversichtlich. Aber man spähe doch auch die deutsche Regierung aus, sagte de Maizière. Nein, das tue man nicht, erwiderte Rogers. Dass de Maizière mit seiner Einschätzung nicht allein stand, gab Elmar Brok, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des EU-Parlaments, zu verstehen: Derzeit herrsche im Parlament eine Stimmung, dass der Abschluss des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA zweifelhaft sei.
Die kultivierte Konfrontation führte dann zu den gemeinsamen Interessen: Wirtschaftsspionage, Datenklau, Cyberwar, Terrorangriffe. All diesen Bedrohungen, so waren sich die beiden Diskutanten einig, müsse man sich in Zukunft stellen, und das gehe nur durch transatlantische Zusammenarbeit.
"Deutschland sollte sich substantieller einbringen"
Allerdings: Die deutschen Politiker gaben sich auf der Konferenz selbstbewusst und umrissen Positionen, die die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik behutsam neu vermaß. Das tat zu Beginn der Konferenz Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Eröffnungsrede. Er umriss die veränderte globale Konstellation, ging auf die krisenhaften Entwicklungen im Nahen Osten und in Afrika ein und machte sich dann für eine neue Perspektive stark:
"Im Zuge dieser Entwicklungen zu glauben, man könne in Deutschland einfach weiter machen wie bisher – das überzeugt mich nicht." Deutschland werde für seine zurückhaltende Rolle gelegentlich kritisiert. Nicht immer zu Recht, sagte Gauck. Er verwies auf die deutsche Geschichte und bekannte sich zu dem Prinzip, Konflikte nicht nur militärisch, sondern auch politisch zu lösen. "Ich meine: Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen." Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags, äußerte sich im Gespräch mit der DW zur Rede des Bundespräsidenten: "Er hat deutliche Worte gesprochen. Ich glaube, deutlicher kann ein Bundespräsident nicht sprechen." Deutschland, sagte Röttgen weiter, sei international verflochten wie kaum ein anderes Land: "Darum haben wir an der Stabilität, an der Rechtstaatlichkeit der internationalen Ordnung ein eigenes Interesse."
Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ging auf die exponierte Stellung Deutschlands ein. "Daher ist Abwarten keine Option. Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren." Doch lasse sich Deutschland nicht nur von politischen Überlegungen leiten: "Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer, noch aus humanitärer Sicht."
Altbekannte Probleme
Soweit das Programm. Wie es international, im Zusammenspiel mit Deutschlands Partnern, umgesetzt werden sollte, darüber diskutierten die nach München geladenen Gäste lange – ohne doch ein Ergebnis zu finden. Die Problem sind bekannt: Das Widerstreben, nationale Souveränität zu opfern; die, wie aus den Äußerungen der Teilnehmer zu erfahren war, wohl niemals zu lösende Frage der Finanzierbarkeit. Und schließlich auch die Frage, wer sich wie engagiert. Zwar gibt es Beispiele internationaler Kooperation: der Libyeneinsatz wurde genannt, der am Horn von Afrika, die Afghanistan-Mission. Aber das, waren sich die Teilnehmer einig, könne nur ein Anfang sein. Zudem, warf der spanische Verteidigungsminister Pedro Morenes Eulate ein, gebe es in einigen Fragen auch Differenzen zwischen den europäischen Partnern, so etwa hinsichtlich der Flüchtlinge in der Mittelmeer-Region. Eine politische Verständigung ist Voraussetzung dafür, auch eine gemeinsame Verteidigungslinie zu entwickeln. Und ganz nebenbei, bemerkte einer der ebenfalls auf das Podium geladenen Manager aus der Rüstungsindustrie: Die USA hätten ein einheitliches Streitkräftesystem. Die Europäer hätten hingegen sechs verschiedene. Harmonisierung hat also viele Seiten.
Die Teilnehmer der Panels des ersten Tages diskutierten engagiert und konstruktiv. Und doch schienen einige der Themen nicht nur den Beobachtern seltsam bekannt. Auch die Teilnehmer verwiesen auf die seit langem ungelösten Aufgaben. Über die Ziele der künftigen Außen- und Sicherheitspolitik waren die Redner sich einig. Unsicher waren sie sich hingegen, wie man die entsprechenden Wege gehen könnte.