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Politik

Atomwaffen aus Russland: Die Folgen für Belarus

Emma Levashkevich
28. März 2023

Erstmals seit 30 Jahren sollen in Belarus wieder Atomwaffen stationiert werden. Was bedeutet dieser Schritt für das Land und den Atomwaffensperrvertrag?

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Alexander Lukaschenko empfängt Wladimir Putin in Minsk
Alexander Lukaschenko (r.) empfängt Wladimir Putin in MinskBild: Konstantin Zavrazhin/Pool Sputnik Kremlin via AP/dpa/picture alliance

In diesem Jahr könnten in Belarus wieder Atomwaffen stationiert werden. Wie der russische Präsident Wladimir Putin am 25. März sagte, handelt es sich um etwa zehn Flugzeuge, die taktische Atomwaffen tragen können, sowie um ein Iskander-Raketensystem, das mit Atomsprengköpfen bestückt werden kann. Zudem kündigte er an, dass im Juli diesen Jahres der Bau eines Lagers für taktische Atomwaffen in Belarus abgeschlossen werden soll.

Dabei wurden vor fast 30 Jahren alle sowjetischen Atomwaffen nach Russland abgezogen - nicht nur aus Belarus, sondern auch aus der Ukraine und aus Kasachstan. Die drei Staaten verzichteten auf die Atomwaffen, die sich auf ihrem Territorium befanden, und unterzeichneten den Atomwaffensperrvertrag. Dafür wurde ihnen von den anderen Vertragsstaaten, vor allem den USA und Russland, ihre Souveränität und territoriale Integrität garantiert. Dieses "Budapester Memorandum" wurde bei dem Treffen der damaligen KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, heute OSZE) im Dezember 1994 vereinbart.

"Atom-Festung" der Sowjetunion

Pavel Podvig vom Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung in Genf weist darauf hin, dass schon länger über eine neue Zusammenarbeit zwischen Russland und Belarus im Bereich der Atomwaffen gesprochen wird. So sei im Februar 2022 die Verfassung in Belarus geändert und die Bestimmung über einen atomwaffenfreien Status des Landes gestrichen worden, "was die legale Möglichkeit eröffnete, Atomsprengköpfe auf dem Territorium von Belarus zu stationieren", betont der Experte.

Dem Militärexperten Alexandr Alesin zufolge wurde "eine bestimmte Anzahl von Atomwaffenträgern" vorbereitet, noch bevor Putin seine Ankündigung machte. Er erinnert daran, dass zu Sowjetzeiten Belarus eine "Atom-Festung" war. Dort befanden sich rund zwei Drittel aller sowjetischen Mittel- und Kurzstreckenraketen samt Sprengköpfen.

Unterzeichnung des "Budapester Memorandums" 1994 - Alexander Lukaschenko (Belarus), Nursultan Nasarbajew (Kasachstan), Boris Jelzin (Russland), Bill Clinton (USA)
Unterzeichnung des "Budapester Memorandums" 1994 - Alexander Lukaschenko (Belarus), Nursultan Nasarbajew (Kasachstan), Boris Jelzin (Russland), Bill Clinton (USA)Bild: Marcy Nighswander/AP/picture-alliance

Doch nachdem alle Atomwaffen abgezogen waren, lehnte Machthaber Alexander Lukaschenko ab, die dazugehörige Infrastruktur zu beseitigen, die für die Lagerung und den Einsatz der Raketen nötig ist. Im Laufe der Zeit verfielen die Anlagen, aber Alesin schließt nicht aus, dass sich manche noch in einem brauchbaren Zustand befinden: "Es ist möglich, dass man eine der mehr oder weniger noch erhaltenen Anlagen modernisieren und anpassen wird, damit sie als Lagerstätte für Atomwaffen dient."

SU-Bomber und Iskander-Systeme

Putin zufolge seien mit russischer Hilfe zehn Flugzeuge, die Atomwaffen tragen können, in Belarus vorbereitet worden, so Alesin. "Höchstwahrscheinlich handelt es sich um SU-24-Frontbomber sowjetischer Bauart, die ursprünglich dazu bestimmt waren, Atomschläge mit einem Durchbruch im Luftverteidigungssystem in geringer Höhe durchzuführen", so der Experte.

Nach seinen Angaben gab es in Belarus im Jahr 2011 insgesamt 35 solcher Flugzeuge, einige davon waren Bomber, andere Aufklärungsmaschinen. Nach dem Verzicht des Landes auf Atomwaffen wurden in diesen Flugzeugen die funkelektronische Ausrüstung und alle Mittel zur Kontrolle der Waffen ausgebaut, die für deren Einsatz nötig waren. 2012 wurden die Bomber außer Dienst gestellt und danach nur noch gelagert. Einige wurden in den Südsudan verkauft. "Aber offenbar ist eine gewisse Menge übrig geblieben, und diese Flugzeuge wurden im russischen Unternehmen Suchoj modernisiert", so Alesin.

Darüber hinaus verfügt Belarus über Iskander-M-Komplexe, die aufgrund ihrer technischen Eigenschaften Atomsprengköpfe tragen können.

Werden bestehende Verträge verletzt?

Belarus und Russland sind Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrags, also über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. "Von einer Übergabe von Atomwaffen an Belarus ist keine Rede. Die Praxis, Atomwaffen auf dem Territorium eines anderen Staates zu lagern, Personal dieses Staates im Umgang mit ihnen zu schulen, gab es bereits Mitte der 60er Jahre seitens der USA und der NATO. Allgemein ging man davon aus, dass diese Praxis nicht im Widerspruch zum Vertrag steht", erläutert Pavel Podvig. Auch die Sowjetunion habe dies so gesehen. Die NATO, so Podvig, setze sie auch heute fort. So gebe es beispielsweise amerikanische Atomwaffen in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Italien und der Türkei.

Der Experte weist jedoch darauf hin, dass der Kreml seit Mitte der 2010er Jahre seine Position geändert und deutlich gemacht hat, dass die Stationierung von Atomwaffen in anderen Ländern und die Ausbildung von Personal aus russischer Sicht doch im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag stünden: "Diese Position wurde viele Male offiziell bestätigt. Und am 25. März wurde erklärt, dass Russland alles tun werde, was auch die USA tun würden, und dies würde keine Verpflichtungen verletzen."

Welche Risiken trägt Belarus?

"Dieser Schritt wird weder Belarus noch Russland zusätzlich Sicherheit bringen. Das ist ein politisches Signal für eine engere Union zwischen den Staaten, und das sollte so wahrgenommen werden", findet Podvig. Seiner Meinung nach entstehen dadurch keine neuen Risiken: "Es wird ein weiteres Atomwaffenlager geben, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es leer bleibt. Dann wird es nicht einmal zum Ziel eines Raketenschlages oder ähnlicher Aktionen werden. Man sollte die Situation nicht über das notwendige Maß hinaus dramatisieren."

Russisches ballistisches Raketensystem Iskander-M
Russisches ballistisches Raketensystem Iskander-MBild: Marina Lystseva/TASS/dpa/picture alliance

Der Politologe Artyom Shraibman hingegen glaubt, dass Belarus sehr wohl zu einem Ziel werden könnte, sollte sich der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu einer Konfrontation zwischen Russland und der NATO ausweiten. "Es ist klar, dass Raketen zu den Lagerstätten taktischer Atomwaffen und auf belarussische Flugplätze fliegen würden, weil von ihnen Flugzeuge starten würden. Klar ist auch, dass man die von den Russen übergebenen Raketensysteme würde treffen wollen. Dies würde eine Gefahr für die Menschen in den nahe gelegenen Städten, aber auch für das ganze Land darstellen, je nachdem, wie stark der Angriff wäre. Belarus würde so zu einem potenziellen Schlachtfeld, das ist das größte Risiko", so Shraibman.

Außerdem stellt er fest, dass mit Atomwaffen auch eine russische Militärbasis oder ein neues russisches Kontingent in Belarus entstehen würde. Die Ausweitung einer solchen Präsenz würde die militärische Integration zwischen Moskau und Minsk und als deren Folge die internationale Isolation von Belarus weiter vertiefen. "Es wird dann auch schwieriger zu begründen sein, warum die Sanktionen gegen Belarus schwächer bleiben sollen als die gegen Russland", betont der Experte.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk