Athens "Kleines Liquiditätsproblem"
23. März 2015Die letzte Tranche der Rückzahlungen an den IWF am 20. März konnte Griechenland gerade noch aufbringen, dies verbreiteten EU-Beamte am Rande des Gipfeltreffens. Aber ob die Regierung in dieser Woche noch das Geld hat, um die am Monatsende fälligen rund 1,5 Milliarden Euro für Gehälter im öffentlichen Dienst und Pensionen aufzubringen, schien an diesem Datum bereits zweifelhaft.
Ein jetzt öffentlich gewordener Brief von Griechenlands Premier Alexis Tsipras an Angela Merkel vom 15. März zeigt nun, dass seine Regierung sich der drohenden Katastrophe bereits Mitte des Monats bewusst war. In dem Schreiben warnte der griechische Regierungschef, dass er wohl zwischen Rückzahlung der Schulden an den Währungsfonds und Zahlung von Gehältern oder Sozialausgaben in etwa gleicher Höhe werde wählen müssen.
Tsipras macht vor allem die EZB für die schwierige Lage verantwortlich: "Es muss klar sein, dass die besonderen Einschränkungen verbunden mit Verzögerungen bei der Auszahlung (aus dem EU-Hilfsprogramm) es für jede Regierung unmöglich machen würden, ihre Schulden zu bedienen", zitiert die griechische Zeitung "Ekathimerini". Damit bezieht sich Tsipras auf die Weigerung der Europäischen Zentralbank, dem Land ein höheres Limit für kurzfristige Staatsanleihen zu erlauben.
Abgeschnitten vom Finanzmarkt
Athen kann sich nur noch über solche sogenannten T-Bills für private Gläubiger refinanzieren. Für die Emission der kurzfristigen Staatsanleihen braucht die Regierung aber die Zustimmung der EZB. "Davon ausgehend, dass Griechenland keinen Zugang zum Finanzmarkt hat und angesichts der Höchststände bei unseren Zahlungsdaten im Frühjahr und Sommer", so Tsipras, würde die Rückzahlung der Schulden zu einem weiteren Absturz der sowieso angespannten sozialen Lage im Land bringen, die er nicht zulassen werde.
Tsipras forderte Merkel in dem Brief vor dem jetzigen Treffen auf, "doch nicht ein kleines Liquiditätsproblem" zu einem großen Problem für Griechenland und Europa werden zu lassen. Was Tsipras da locker ein "kleines Liquiditätsproblem" nennt, ist für Griechenland in Wirklichkeit eine Art Horrorszenario: Der Staat hat pro Monat fixe Ausgaben von rund 3,5 Milliarden zu bestreiten, bestehend aus Gehältern und Pensionen, Sozialleistungen und einem kleineren Anteil von sonstigen Ausgaben.
Bisher hat Athen sich damit beholfen, indem es Letztere aufgeschoben hat: Fällige Rechnungen für Mieten, Anschaffungen und Ähnliches werden derzeit einfach nicht bezahlt. Allein an den IWF werden im April knapp eine halbe Milliarde Euro und im Mai knapp eine Miliarde Euro an Schuldenzahlungen fällig. Die sogenannten T-Bills summieren sich im April auf 3,8 Milliarden Euro.
Steuerschuldner hoffen auf Nachlässe
Den hohen Ausgaben stehen Einnahmen des griechischen Staates gegenüber, die sich derzeit noch nicht genau quantifizieren lassen. Fest steht, dass die Steuereinnahmen seit Dezember um 14 Prozent unter den Erwartungen liegen. Der Grund: Viele Griechen halten ihre Zahlungen zurück, weil sie auf weitere Nachlässe hoffen.
Die Wirtschaftsleistung des Landes ist bereits im letzten Quartal 2014 um 0,4 Prozent eingebrochen – angesichts der gegenwärtigen Turbulenzen dürfte der Negativtrend weiter fortschreiten. Dabei ist unbestritten, dass Griechenland seine Schulden nur bezahlen kann, wenn das Land Wachstum erzielt.
Angesichts der angespannten Lage schlägt die EU-Kommission mittlerweile einen härteren Ton gegenüber Athen an: "Nach dem Treffen in der vorigen Woche hat Griechenland sich verpflichtet, die Arbeiten zu beschleunigen", sagte Sprecherin Margaritas Schinas. Man erwarte die versprochene Reformliste "jetzt(…), und ein starker politischer Wille genügt nicht", man müsse Handeln und Fortschritte sehen. Für die griechische Regierung sei die Zeit harter Arbeit gekommen.
Die Reaktion ist ein Signal, dass auch die Sympathien der EU-Kommission, die bisher für Nachsicht mit Griechenland plädiert hatte, durch das ineffektive und zögerliche Agieren von Alexis Tsipras und seinen Ministern, am Ende sind. Damit nicht genug: Die Hoffnungen des griechischen Ministerpräsidenten, dass Angela Merkel ihm zu einer vorzeitigen Auszahlung von EU Geldern verhelfen würde, könnten auch von anderer Stelle torpediert werden.
Der spanische Finanzminister Luis de Guindos lehnte es in einem Interview mit der Zeitung "Financial Times" kategorisch ab, dass die Eurogruppe Griechenland quasi "Vorauszahlungen" aus dem laufenden Hilfsprogramm leisten würde. Es werde kein Geld geben, bevor die Reformen angenommen und umgesetzt sind, erklärte er.
De Guindos betont darüber hinaus, es gebe in dieser Frage "keine Spaltung" (in der Eurogruppe): "Das ist nicht der Fall. Und das, trotz der griechischen Versuche, mögliche Differenzen auszunutzen. Aber es gibt sie nicht". De Guindos forderte die Regierung in Athen auf, zum Wachstumskurs der konservativen Vorgängerregierung zurück zu kehren. Ein Vorschlag, der den Zorn der griechischen Regierung von Berlin auf Madrid umlenken dürfte.