Asyl bei mir zu Hause
28. August 2014Ein Kind, der Vater und die schwangere Mutter lebten in einem zehn Quadratmeter großen Raum. Bad und Küche mussten sie sich mit 20 anderen Menschen teilen. Gerade waren sie aus dem Nordkaukasus geflohen, die Geburt des zweiten Kindes nahte. "Da standen mir die Haare zu Berge", erzählt Hans-Jürgen Bennecke. Also beschloss er, die Familie bei sich aufzunehmen. Bennecke sprach mit der Gemeinde, man unterschrieb einen Mietvertrag und die Familie zog in das Einfamilienhaus des 70-Jährigen ein.
Sieben Monate blieben sie bei Bennecke wohnen. "Es war eine tolle Zeit", sagt er: "Eine Zeit, die mich kulturell sehr bereichert hat." Bennecke ist alleinstehend und engagiert sich seit rund vier Jahren in der Flüchtlingshilfe in seiner Gemeinde in der Nähe des norddeutschen Lüneburg. "Gerade Menschen, die wie ich alleine wohnen, empfehle ich es, Asylbewerber bei sich aufzunehmen. Man kann sich sehr gut ergänzen." Der Familienvater aus dem Nordkaukasus unterstützte den 70-Jährigen bei körperlich schweren Aufgaben. Bennecke begleitete die Familie zu Behörden und half ihnen beim Deutschlernen.
Nach mehreren Monaten entschloss sich die Familie dann doch schweren Herzens, wieder zurückzugehen - trotz der Angst vor politischer Verfolgung in der Heimat. "Sie haben irgendwann gesehen, dass sie aufgrund der Hürden, die sie in Deutschland zu überwinden gehabt hätten, sehr lange gebraucht hätten, um ein normales Leben führen zu können", sagt Bennecke.
Situation für Frauen und Kinder prekär
Auch der CDU-Politiker Martin Patzelt beherbergte bereits mehrere Menschen bei sich zu Hause. Jetzt rief er in einem offenen Brief auf seiner Webseite dazu auf, dass mehr Menschen darüber nachdenken, Flüchtlinge in ihren eigenen Häusern und Wohnungen aufzunehmen. Besonders für Frauen seien die Bedingungen in den Massenunterkünften oft prekär - und für Kinder gar unerträglich, schreibt er.
Der Aufruf überraschte, da in den Bundesländern, in denen Patzelts konservative Partei lange regierte, meist Massenunterkünfte die Regel sind. In Deutschland kann jedes Bundesland selbst entscheiden, wie und wo es Flüchtlinge unterbringt. Diese Regelung führt dazu, dass in manchen Länder - wie Rheinland-Pfalz - verhältnismäßig viele Asylbewerber in dezentralen Wohnungen leben (92 Prozent), während in Sachsen nur 29 Prozent der Menschen ein eigenes Heim bekommen und stattdessen in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Diese liegen oft außerhalb der Städte und sind schlecht ausgestattet. Statistiken darüber, wie viele Asylbewerber zur Untermiete in Privatwohnungen leben, gibt es noch nicht.
Nordrhein-Westfalen verbietet private Unterbringung
Manche Bundesländer - wie Nordrhein-Westfalen - sehen gar nicht erst vor, Asylbewerber bei Privatpersonen leben zu lassen. Das ist hier nur in Ausnahmefällen erlaubt und auch nur dann, wenn die Asylsuchenden mit den Menschen, die ihren privaten Wohnraum anbieten, verwandt sind. "Das geschieht selten", schreibt die Stadt Duisburg auf Anfrage der DW.
Dabei wäre es gerade für große und finanzschwache Kommunen wie Duisburg von Vorteil, Asylbewerber auch privat unterzubringen, um den Flüchtlingen zu helfen, die in immer größerer Zahl nach Deutschland kommen. Duisburg erhält derzeit viel Aufmerksamkeit in den Medien, da die Stadt nun Zelte als Unterkunft aufstellen ließ. Dafür wird sie von allen Seiten kritisiert.
"Zelte symbolisieren Not und Katastrophe. Das ist ein unmögliches Singnal, das solche Zeltstädte aussenden", sagt auch der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Aufgrund der Kritik hat Duisburg noch keine Menschen in den Zelten untergebracht. Trotzdem zeigt der Vorfall: Viele Kommunen müssen über weitere Alternativen nachdenken. Den Vorschlag des CDU-Politikers sollte man deswegen auch keineswegs ignorieren, sagt Burkhardt. Trotzdem: "Pro Asyl fordert, dass die Städte und die Länder insgesamt für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen." Bisher sei das System nur auf Abschreckung und nicht auf Integration ausgelegt.
"Man muss Kompromisse eingehen."