Der Traum von der eigenen Wohnung
27. Februar 2014"Natürlich ist es nicht ideal", sagt Aruna Dlayinka, 38, und blickt auf das Chaos in seiner Ecke. Undankbar möchte der Nigerianer aber auf keinen Fall wirken: "Ich schätze, was ich hier habe", beeilt er sich zu sagen. Er ist froh über die viereinhalb Quadratmeter, die ihm als Asylbewerber zustehen. Das Zimmer teilt er sich mit einem Iraker und einem Afghanen. Jeder hat ein eigenes Bett. Nach einer jahrelangen Odyssee durch Nordafrika und Südeuropa hofft Aruna Dlayinka, hier in Heidelberg im Südwesten Deutschlands bleiben zu können. "Ich kriege Essen und eine Unterkunft." Weit mehr als in Italien, wo er glücklose zwei Jahre zubrachte.
Kritik an Sammelunterkünften
Etwa 200 Asylbewerber leben in der Sammelunterkunft am Rande der baden-württembergischen Stadt, zwischen Industriegebiet und Autobahn. Über die offenen Flure des zweistöckigen weißen Klotzes hallen Afropop und Kindergekreische. Essensgerüche vermischen sich. Bis zu zehn Menschen teilen sich jeweils eine Vierzimmerwohnung mit Kochzeile und Wohnzimmer. Unterkünfte wie diese werden von Flüchtlingsorganisationen stark kritisiert. Denn oft wird aus der "vorläufigen Unterbringung" dort eine jahrelange Zwischenstation.
"Man sollte Flüchtlinge dezentral in kleineren Unterkünften unterbringen", fordert deshalb Ulrike Duchrow vom Asylarbeitskreis Heidelberg. Denn das Zusammenleben in Großunterkünften führt häufig zu Konflikten, so Duchrow. Hinzu kommt: Oft liegen die Heime weit außerhalb der Städte. Wie soll da Integration gelingen?
Auch die teilweise katastrophalen Wohnstandards werden immer wieder von Flüchtlingsorganisationen angeprangert. Eine Lösung des Wohnproblems wird immer dringender: Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Asylanträge fast verdoppelt.
Eigene Wohnung für anerkannte Flüchtlinge
Nur wenige Bushaltestellen vom Heidelberger Asylbewerberheim entfernt lebt Shirin Amani im Souterrain eines Mehrfamilienhauses. Hier hat sich die 31-jährige Iranerin ein gemütliches Zuhause geschaffen. "Ich bin zufrieden", sagt sie. An der Wand hängen Stillleben von Granatäpfeln, Hündchen Barbie scharwenzelt zwischen den Rattanmöbeln herum.
Weil ihr im Iran als konvertierter Christin die Todesstrafe droht, erkannten die baden-württembergischen Behörden sie als Flüchtling an. Vor zweieinhalb Jahren zog Shirin Amani dann vom Asylbewerberheim in eine eigene Wohnung. "Anschlussunterbringung" nennt sich dieses Modell im Beamtendeutsch. Die Miete bezahlt das Sozialamt - es bleiben ihr monatlich 380 Euro zum Leben.
Generell gilt: In Bremen wird anders darüber entschieden, wie Asylbewerber wohnen sollen als in Bayern. Flüchtlingspolitik ist Ländersache. In Baden-Württemberg gilt seit Anfang des Jahres ein neues Flüchtlingsaufnahmegesetz. Jedem Asylbewerber stehen demnach sieben Quadratmeter zum Schlafen und Wohnen zu.
Neben Sammelunterkünften sieht die neue Regelung auch mehr dezentrale Wohnungen vor - ganz unabhängig davon, ob ein Asylbewerber geduldet oder schon anerkannt ist. Außerdem soll es statt der umstrittenen Sachleistungen nun Bargeld geben. "Das ist eine große Verbesserung", sagt Ulrike Duchrow, die schon lange für eine bessere Flüchtlingspolitik kämpft. Doch diese Verbesserung gilt eben nur für das Land Baden-Württemberg.
Mehr Geld für Asylbewerber
Seit das Bundesverfassungsgericht 2012 entschied, dass Asylbewerber nicht weniger Geld bekommen sollen als deutsche Sozialhilfeempfänger, findet Duchrow die Mindestleistungen zwar "weitgehend angemessen." Am Konzept der Sammelunterkünfte hat sich dadurch aber bisher wenig geändert. Und auch die Anerkennung als Flüchtling sei nach wie vor schwierig, kritisiert Duchrow. Viele Asylbewerber hingen jahrelang in einem Wartestand und dürften nicht arbeiten. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommt etwa jeder vierte Bewerber von Deutschland Schutz gewährt - sowohl angenommene Asylanträge als auch Abschiebeverbote mit eingerechnet. Doch auch sie haben Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Shirin Amani hatte Glück und fand nach zwei Monaten ein passendes Zuhause.
Das Problem: Es gibt nicht genügend Sozialwohnungen. Gerade in Ballungsräumen wie Heidelberg. Daran ändert auch das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz in Baden-Württemberg nichts. "In der Praxis ist es sehr schwierig, geeignete preiswerte Wohnungen zu finden", sagt Ulrike Duchrow vom Asylarbeitskreis Heidelberg.
Diese Erfahrung hat auch Shirin Amani gemacht: "Entweder sagt der Vermieter nein oder das Sozialamt, weil es zu teuer ist." Ihre Mutter und Schwester leben immer noch in dem Heim an Heidelbergs Stadtrand, obwohl sie als anerkannte Flüchtlinge längst umziehen dürften. Wie der Alltag als Asylbewerber in Deutschland ist - darüber will Shirin Amani irgendwann mal ein Theaterstück schreiben. Sie ist von Beruf Schauspielerin. Sozialhilfe? Auf Dauer keine Option für sie. "Ich war schon immer ein aktiver Mensch", sagt sie.
Welche Mindestleistungen für Asylbewerber angemessen sind - das lässt sich letztlich nicht nur in Wohnen, Essen und Kleidung messen. Es geht auch um Teilhabe und berufliche Chancen. Ein eigenes Klingelschild in einem ganz normalen Wohngebiet kann dafür vielleicht ein Anfang sein.