Steve Jobs jetzt auch im deutschen Kino
11. November 2015Michael Fassbender ist einer der Schauspieler der Stunde. Der deutsch-irische Mime hat sich in den vergangenen Jahren mit einem halben Dutzend Rollen in den Vordergrund gespielt. Nach Auftritten in Filmen wie "Hunger", "Shame" oder "Twelve Years a Slave" oder zuletzt in "Macbeth" gilt der in Heidelberg geborene Fassbender als einer der charismatischsten und wandlungsfähigsten Darsteller der Kinoszene.
Nach einem IRA-Aktivisten im Hungerstreik, einem Sexsüchtigen, einem Sklaventreiber und zuletzt der berühmten Shakespeare-Figur, spielt Fassbender jetzt Steve Jobs, den legendären Apple-Gründer. Einen Mann, der von seinen Fans als Computer-Genie und Internet-Guru verehrt, von anderen aber auch als Unternehmer-Tyrann und privater Sonderling kritisiert wird.
Für Steve Jobs waren verschiedene Besetzungen im Gespräch
Das lang geplante Filmprojekt hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, wurde zwischenzeitlich sogar auf Eis gelegt. Vor allem die Besetzung der Hauptrolle hatte den Produzenten lange Kopfschmerzen bereitet. Ursprünglich sollte Christian Bale in die Rolle des Steve Jobs schlüpfen, zeitweise war auch Leonardo DiCaprio im Gespräch. Beide sagten ab. Doch Fassbender ist keine zweite oder gar dritte Wahl. Seine Performance wurde nach der New Yorker Premiere einmütig gelobt.
Regie bei der Filmbiografie führte der Brite Danny Boyle, der mit dem Drogendrama "Trainspotting" 1996 bekannt wurde und dessen Film "Slumdog Millionaire" 2009 nicht weniger als acht Oscars abräumte. Auch Boyle war übrigens nicht erste Wahl: Ursprünglich war David Fincher ("Seven", "Fight Club") als Regisseur vorgesehen.
Fassbender, Boyle und Sorkin auf den Spuren von Steve Jobs
Fincher hatte auch "Social Network", den Spielfilm über den Aufstieg von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, nach einem Buch des Drehbuchautors Aaron Sorkin inszeniert. Das Drehbuch wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Während Fincher vom Projekt "Steve Jobs" absprang, blieb Sorkin dabei. Fassbender, Boyle und Sorkin - drei Könner ihres Fachs, da sollte nicht viel schief gehen.
Der Film, der nun weltweit in die Kinos kommt, konzentriert sich auf drei einschneidende Phasen im Leben des Apple-Gründers, die jeweils mit der Einführung eines neuen Produkts in Zusammenhang gebracht werden: 1984 feiert Jobs mit dem Macintosh einen Triumph - erstmals gelang es damals, einen Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche unters Volk zu bringen.
Der Star ist der Computer
Teil zwei der Steve-Jobs-Erfolgsgeschichte spielt sich vier Jahre später ab. Nachdem der Manager Apple im Unfrieden nur ein Jahr nach Einführung des Macintosh verlassen hat, gründet er das Konkurrenzunternehmen NeXT. Dort bringt er ebenfalls einen revolutionären Computer auf den Markt, der sich kommerziell zwar nicht durchsetzen lässt, nichtsdestotrotz technisch als sehr ausgereift gilt.
Schließlich schickt das Duo Boyle/Sorkin Michael Fassbender alias Steve Jobs auf den dritten Teil der Erfolgssaga: Jobs, inzwischen wieder bei Apple, gelingt es 1998, mit dem von ihm entwickelten iMac den schwer angeschlagenen Konzern wieder in die Gewinnzone zu hieven.
Bevor "Steve Jobs" beim 53. Filmfestival in New York aufgeführt wurde, hatte die Filmbiografie beim kleinen Telluride-Festival im US-Bundesstaat Colorado seine Welturaufführung (5.9.) gefeiert. In ersten Reaktionen hatten sich die Kritiker überwiegend positiv geäußert. "The Hollywood Reporter" bescheinigt dem Film Tempo und Dynamik: "Danny Boyles spannungsgeladene Inszenierung ergänzt Sorkins äußerst theatralische 3-Akt-Studie."
Steve Jobs: Parallelen zwischen Person und Film
Das Magazin "Time Out New York" sah Parallelen zwischen Film und realem Vorbild: "'Steve Jobs', der Film, ist Steve Jobs, der Person, sehr ähnlich: erstaunlich brillant, wenn er nicht gerade dein Herz bricht." Aaron Sorkin habe "über Amerikas große, mit Fehlern behaftete Männer mit viel Feuer und hyper-wortgewandtem Pathos geschrieben". Mehr noch als in "The Social Network" habe er aber hier ein schärferes und schonungsloseres Skript vorgelegt, das einen Technik-Visionär beschreibe, "dessen Genie droht, seine Moral zu korrumpieren."
"The Playlist" bescheinigte dem Film eine "wahnsinnig schnelle und orchestral abgestimmte Charakterstudie" zu sein, "ein ehrgeiziges, zutiefst fesselndes Portrait über die hohen Kosten der Genialität". Das Urteil des Branchenblattes "Variety" fiel zwiespältig aus: Sorkin, Boyle und Fassbender hätten der Unternehmerpersönlichkeit den "brillanten, aufreizenden, genial konstruierten und ungeheurer selbstverherrlichenden Film gegeben", den sie verdient. Bei der New Yorker Festival-Premiere stand vor allem Jobs-Darsteller Michael Fassbender im Mittelpunkt, erntete viel Lob für seine Leistung.
Schon die Biografie war nicht unumstritten
Drehbuchautor Sorkin hatte sich an der Biografie des Journalisten Walter Isaacson orientiert, die vor vier Jahren erschien. Noch vor seinem Tod hatte Jobs die Biografie autorisiert. Trotzdem war das Buch in der Folge in die Kritik geraten. Die Steve-Jobs-Fangemeinde einschließlich dessen Nachfolger Tim Cook zeigte sich irritiert über die Passagen, in denen der Apple-Gründer auch kritisch beschrieben wird. "Mit jener Person, die im Buch dargestellt wird, hätte ich niemals freiwillig zusammenarbeiten wollen", so Tim Cook nach Erscheinen der Biografie.
Die Kontroverse, wie mit der Persönlichkeit Steve Jobs in Literatur und Film umzugehen ist, flammt mit der Filmbiografie nun wieder auf. In der populären Fernsehsendung "The Late Show" von Stephen Colbert äußerte sich Tim Cook sehr kritisch - diesmal über den Film. Der sei opportunistisch, so Cook, schiele allzu sehr auf die Kinokasse. Allerdings gestand der aktuelle Apple-Chef auch ein, den Film noch gar nicht gesehen zu haben.
Aaron Sorkin verteidigte den Film im Fachblatt "The Hollywood Reporter" und warf Cook Scheinheiligkeit vor. Der solle sich den Film erst einmal ansehen, bevor er ihn kritisiere. Sorkin verwies auch auf die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen Apple-Produkte in China produziert würden. Für Diskussionsstoff war zum offiziellen US-Kinostart von "Steve Jobs" also gesorgt. In den USA stieß der am Eröffnungswochenende auf nur sehr mäßiges Interesse und spielte nicht mehr als eine halbe Millionen Dollar ein. Der Film, der bei der Kritik auch wegen seines kritischen Ansatzes gut ankam und der auch schon als Oscar-Anwärter gilt, droht finanziell ein Flop zu werden.