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Politik

Anklägerin wirft Netanjahu Machtmissbrauch vor

5. April 2021

Im Korruptionsprozess gegen den israelischen Regierungschef hat die Staatsanwaltschaft massive Vorwürfe erhoben. Benjamin Netanjahu habe seine große Macht zu persönlichen Zwecken missbraucht.

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Demonstranten mit einem Banner mit der Aufschrift "Crime Minister" und Netanjahus Konterfei demonstrieren in Jerusalem
Demonstranten mit einem Banner mit der Aufschrift "Crime Minister" und Netanjahus Konterfei vor dem Gericht in JerusalemBild: Maya Alleruzzo/AP/picture alliance

Die leitende Staatsanwältin Liat Ben-Ari sprach in ihrer Eröffnungserklärung vor Beginn der Zeugenbefragungen im Bezirksgericht in Jerusalem von einem schwerwiegenden Korruptionsfall. Benjamin Netanjahu habe die ihm anvertraute Regierungsmacht unter anderem dazu genutzt, "unzulässige Vorteile von Eigentümern großer Medien in Israel zu verlangen". Er habe damit seine eigenen Interessen vorantreiben wollen, "auch bei seinem Bestreben, wiedergewählt zu werden". Die Anklage gegen den 71-Jährigen lautet auf Betrug, Untreue und Bestechlichkeit.

Anklägerin spricht von "soliden Beweisen"

Ben Ari betonte, vor dem Gesetz seien alle gleich. Die Anklageschrift gegen Netanjahu basiere auf "vielen soliden Beweisen". Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf mehr als 300 Zeugenaussagen. Der Ministerpräsident war während der Verlesung der Anklage anwesend, anschließend verließ er den Gerichtssaal wieder. Die Teilnahme Netanjahus an den Eröffnungsplädoyers war von den zuständigen Richtern angeordnet worden.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit schwarzem Mund-Nase-Schutz im Gerichtssaal
Zur Teilnahme verpflichtet: Benjamin Netanjau vor Gericht in JerusalemBild: Abir Sultan/dpa/European Pressphoto Agency Pool/picture alliance

Zeugenbefragungen durch das Gericht sollen von nun an dreimal in der Woche stattfinden. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück, er hat immer wieder von einer Hexenjagd gegen ihn und seine Familie gesprochen.

Gegner Netanjahus versammelten sich vor dem Jerusalemer Bezirksgericht, um gegen dessen Machenschaften zu protestieren. Sie hielten ein großes Banner mit der Aufschrift "Crime Minister" ("Verbrechensminister" statt Prime Minister). Anhänger Netanjahus demonstrierten ebenfalls und zeigten ihre Unterstützung für den Ministerpräsidenten. Hunderte Polizisten waren im Einsatz, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Gegner von Benjamin Netanjahu demonstriert mit einer Maske des israelischen Regierungschefs und gestreifter Häftlingskleidung, dabei hält seine gefesselten Hände in die Höhe.
So sähen Netanjahus Gegner ihn am liebsten, in KettenBild: Maya Alleruzzo/AP/picture alliance

Netanjahu wird unter anderem verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Gegenzug soll das zum Konzern gehörende Medium "Walla" positiv über ihn berichtet haben. Der ehemalige Walla-Geschäftsführer Ilan Jeschua ist der erste Zeuge, der in dem Prozess befragt wird. Außerdem wird Netanjahu vorgeworfen, von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke im Wert von rund 700.000 Schekel (184.000 Euro) angenommen zu haben - Schmuck, Zigarren und rosa Champagner. Zudem soll er dem kritischen Zeitungsverleger Arnon Moses angeboten haben, im Gegenzug für positive Berichterstattung dessen Konkurrenzblatt zu schwächen.

Es ist das erste Mal in Israels Geschichte, dass ein amtierender Ministerpräsident sich vor Gericht verantworten muss. Netanjahu steht seit zwölf Jahren mit unterschiedlichen Koalitionspartnern an der Spitze israelischer Regierungen.

Präsident Rivlin berät mit Parteichefs

Zeitgleich zum Prozessauftakt hat Präsident Reuven Rivlin Beratungen mit den Parteichefs begonnen, um über mögliche Regierungskoalitionen zu sprechen. Er traf am Montag zunächst Repräsentanten von Netanjahus rechtskonservativer Partei Likud. Im Verlauf des Tages sind Gespräche mit 13 Fraktionen geplant. Sie müssen jeweils ihren Favoriten für den Regierungsauftrag empfehlen. Bis Mittwoch muss Rivlin einem Kandidaten den Auftrag erteilen.

Die vierte Parlamentswahl binnen zwei Jahren hatte vor knapp zwei Wochen erneut eine politische Pattsituation ergeben.

qu/ww (dpa, afp, rtr)