Angola im Wahljahr: Hexenjagd auf Oppositionelle
31. März 2022"Die Polizisten kamen im Morgengrauen, drangen ohne Ankündigung in Häuser und Wohnungen ein und veranstalteten eine regelrechte Hexenjagd auf Oppositionspolitiker und ihre Familienangehörigen", berichtet Lokalpolitiker Kinkani Ngangu aus Uíge, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Norden Angolas. Viele seien ohne Grund ins Gefängnis gesteckt worden, darunter eine junge Mutter, die der UNITA nahestehe, der auch Ngangu angehört. "Wir mussten ihr achtmonatiges Baby zum Stillen in die Zelle bringen", so Ngangu im DW-Interview.
Tatsächlich führen Einheiten des Staatsschutzes seit einer Woche vermehrt Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Kontrollen durch - und alles deutet auf ein gezieltes Vorgehen gegen Oppositionelle hin. Besonders betroffen ist die Provinz Uíge, in der viele Oppositionspolitiker bereits untertauchen oder fliehen mussten. Die Lage bleibt angespannt, bestätigen Korrespondenten vor Ort.
Zielpersonen der Polizeimaßnahmen sind vor allem einfache Parteimitglieder und Anhänger der größten Oppositionspartei UNITA ("Union für die totale Unabhängigkeit Angolas"), aber auch des Demokratischen Blocks (BD) und des Projekts PRA-JA Servir Angola ("Angola Dienen"), das keine Zulassung als politische Partei hat. Diese drei Gruppierungen hatten sich im Oktober 2021 zu einer Koalition unter dem Label "FPU" ("Vereinte Demokratische Front") zusammengeschlossen. Beobachter räumen dem Bündnis gute Chancen ein, die seit der Unabhängigkeit regierende MPLA bei Wahlen im August als stärkste Kraft abzulösen.
"Bis zur Wahl sind es noch fünf Monate, aber der Vorwahlkampf ist schon in vollem Gange. Die Oppositionsparteien sind hochmotiviert und gehen regelmäßig auf die Straße und das macht die Regierung zunehmend nervös", sagt Ngangu im DW-Gespräch.
Gegenseitige Provokationen
Nach Angaben von DW-Korrespondenten waren der Verhaftungswelle mehrere Scharmützel zwischen Anhängern der genannten Oppositionsparteien und der regierenden MPLA ("Volksbewegung für die Befreiung Angolas") vorausgegangen. Am Rande einer Veranstaltung der UNITA war es in der Stadt Sanza Pombo außerdem zu Angriffen auf das Parteibüro der MPLA gekommen.
"Solche Angriffe auf Parteibüros der regierenden MPLA bieten der Polizei immer wieder willkommene Anlässe, um gegen die Opposition überall im Lande vorzugehen. Dabei ist es nicht einmal erwiesen, dass die Angriffe von den Oppositionsparteien direkt ausgehen", erklärt José Gama, der von Südafrika aus den regierungskritischen Blog Club-K betreibt. "Viele unzufriedene Jugendliche bringen ihre Missstände und Probleme mit der Regierungspartei MPLA in Verbindung und machen nicht selten ihrem Ärger Luft, indem sie Steine auf Parteibüros werfen oder Symbole der Partei angreifen."
Mehr als 58 Prozent der angolanischen Jugendlichen seien arbeitslos, so Gama weiter. Und wenn diese Jugendlichen auf die Straße gingen, um gegen die Missstände zu protestieren, akzeptiere die Regierung das nicht: "Die Regierung behauptet dann einfach, die Jugendlichen würden von der Opposition aufgehetzt. Sie machen die UNITA für die Proteste verantwortlich, auch wenn die Angriffe gar nicht direkt mit der UNITA zu tun haben, so zum Beispiel auch, als Straßenverkäuferinnen kürzlich einen Autokorso der MPLA mit Steinen beschmissen", so der Journalist und Blogger.
"Willkürliche Verfolgung"
Oppositionspolitiker Kinkani Ngangu aus Uíge bestätigt im DW-Interview die These Gamas. Die Festnahmen durch die angolanische Kriminalpolizei seien eindeutig willkürlich und selektiv: "Es stimmt: Es hat am Rande einer UNITA-Veranstaltung Auseinandersetzungen gegeben", sagt Ngangu. Die Aggressionen seien aber von beiden Seiten ausgegangen. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum nur Oppositionelle und keine MPLA-Mitglieder festgenommen worden seien: "Viele Menschen betrachten das, was hier passiert, als willkürliche Verfolgung der Opposition", so der Politiker.
In der Hauptstadt Luanda findet auch der Generalsekretär des Demokratischen Blocks deutliche Worte: "Es herrscht ein Klima der Angst unter Menschen, die sich bei Oppositionsparteien engagieren", sagt Muata Sebastião der DW - und prangert an, dass der Sekretär des BD in Uíge massiv verfolgt werde und deshalb bereits habe untertauchen müssen: "Man muss es ganz klar so sagen: Die Ausübung unserer Grundfreiheiten wird derzeit in Angola von der Polizei massiv eingeschränkt", so Sebastião.
Ein Vorwurf, den die angolanische Polizei bislang unkommentiert ließ. Nachfragen der DW beantwortete sie nicht. Die Polizeipressestelle beschränkte sich auf die Veröffentlichung einer Pressemitteilung, in der sie die Festnahme von "30 Mitgliedern der größten Oppositionspartei wegen Aufruhr und Vandalismus" bestätigte. Mit Stöcken und Macheten bewaffnete Mitglieder der UNITA hätten das städtische Hauptquartier der MPLA, die Räumlichkeiten des Radiosenders von Sanza Pombo sowie die Wohnung des Stadtverwalters zerstört, heißt es in der Meldung.
Hoffen auf einen fairen Wahlkampf
Der Provinzsekretär der UNITA in Uíge, Félix Simão, bestreitet, dass seine Partei für den Angriff auf das örtliche MPLA-Büro verantwortlich ist: "Wir sind bloß als friedliche Bürger auf der Straße gewesen, um unsere Solidarität mit der UNITA zu zeigen. Es ist falsch, zu behaupten, dass wir Ärger machen wollten. Wenn wir Gewalt gewollt hätten, hätten wir nicht unsere Ehefrauen und unsere minderjährigen Kinder mitgenommen", sagt Simão der DW.
Abel Chivukuvuku, Vorsitzender der Bewegung PRA-JA, warnte seinerseits vor "besorgniserregenden Anzeichen von Intoleranz" in Angola im Vorfeld der allgemeinen Wahlen. "Es wäre tragisch und hochgefährlich, wenn die Regierung es darauf anlegen würde, einen fairen Wahlkampf zu verhindern", so der Ko-Oppositionsführer.
Seit der Unabhängigkeit Angolas 1975 ist die ehemalige marxistische Befreiungsbewegung MPLA ununterbrochen an der Macht. Seit Ende des Einparteiensystems 1992 gab es bereits vier Wahlen, bei denen die Wahlsiege der "Volksbewegung für die Befreiung Angolas" immer deutlich ausfielen. Bei den letzten Wahlen 2017 hatte die regierende MPLA von Präsident João Lourenço offiziell über 64 Prozent der Stimmen erhalten. Dieses Jahr könnte es anders kommen: Zu groß ist die Unzufriedenheit der Menschen mit der aktuellen Regierung, zu populär und geeint scheint die Opposition. Die Chancen stehen gut - wenn es nicht zu eklatanten Fällen von Wahlbetrug kommt, warnt die Opposition.
Mitarbeit: Borralho Ndomba (Luanda)