Angola: Demonstrationsverbot durch die Hintertür?
11. September 2024"Das Gesetz, das am 29. August 2024 von den Abgeordneten der Regierungspartei MPLA durchgewunken wurde, ist absurd", sagt Bangula Quemba, Professor für Strafprozessrecht an der Katholischen Universität von Angola, im DW-Gespräch. Seiner Ansicht nach verletzt das neue Gesetz wesentliche Grundsätze der angolanischen Verfassung.
Er habe den Eindruck, es sei nur beschlossen worden, um kritische Bürger davon abzuhalten, an Demonstrationen teilzunehmen, führt Quemba aus. "Wenn Demonstrationsteilnehmer während einer Kundgebung öffentliches oder privates Eigentum beschädigen, beispielsweise mit einer Spraydose eine Hauswand besprühen oder auch nur dazu aufrufen, gilt das künftig als schwerer Fall von Vandalismus und wird mit einer Freiheitsstrafe von 20 bis 25 Jahren geahndet." Vom Strafmaß her setze man damit Sachbeschädigung mit Mord gleich, was völlig unverhältnismäßig sei.
Ein Gesetz, das nicht nötig war
Und noch etwas stört den Strafrechtsexperten: "Die Tatbestände, die im neuen Gesetz als Vandalismus gelten, werden bereits in anderen angolanischen Gesetzen abgehandelt." Das gelte etwa für Sachbeschädigung oder Diebstahl. "Diese Straftaten könnten also nach der geltenden Rechtsprechung verfolgt und bestraft werden. Es bedurfte keines neuen Gesetzes, das speziell auf Vandalismus am Rande von Demonstrationen und Protesten abzielt."
Auch deshalb widerspreche das neue Gesetz dem Recht auf Versammlungsfreiheit. Es sei ein juristisches Mittel, mit dem man unverhältnismäßig weit ins Versammlungsrecht eingreife; und es schrecke viele Menschen ab, ihr Demonstrationsrecht in Anspruch zu nehmen, so Quemba: "Viele Angolaner haben jetzt Angst, mit Straftaten am Rande von Kundgebungen in Verbindung gebracht zu werden, die sie im Zweifelsfall 20 Jahre ins Gefängnis bringen können."
Regierung uneinsichtig
Das von Eugénio César Laborinho, einem ehemaligen Offizier der Streitkräfte, geleitete Innenministerium Angolas ließ verlauten, die kritisierten Regelungen dienten lediglich der öffentlichen Sicherheit. Es gehe darum, sicherzustellen, dass die Menschen "ordnungsgemäß an einer Versammlung teilnehmen" und Kundgebungen nicht für "Chaos und Gewalt nutzen", hieß es.
Verbrieftes Recht, zu demonstrieren
Auch in den Augen von Serra Bango, dem Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation AJPD ("Verein für Rechtstaatlichkeit, Frieden und Demokratie"), zielt das "Gesetz zum Schutz vor Vandalismus" darauf ab, die Bürger von ihrem Demonstrationsrecht abzuhalten. Dabei sei das in der angolanischen Verfassung verbrieft und dürfe nicht von der Regierung eingeschränkt werden, auch nicht unter dem Vorwand, Chaos und Gewalt zu verhindern, so Bango im DW-Gespräch.
"Das Demonstrationsrecht bedarf keiner besonderen Genehmigung seitens einer Regierungsinstanz oder Behörde. Unsere Verfassung besagt, dass die Organisatoren Kundgebungen lediglich anmelden müssen, damit die Behörden die notwendigen Voraussetzungen für den reibungslosen Ablauf der angemeldeten Demonstration schaffen."
Demonstrationen unterbunden, viele Verhaftungen
Dass das in der Praxis nicht so gehandhabt wird, belegt ein Fall, der sich gerade einmal zwei Tage nach der Parlamentsentscheidung ereignete: Die Bürgerbewegung "Movimento Cívico", ein Zusammenschluss von zumeist jungen Bürgerrechtlern und Aktivisten, meldete eine Demonstration gegen das neue Gesetz an. Doch die Kundgebung wurde erst gar nicht genehmigt und bereits im Vorfeld von den Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst.
Polizisten in schwerer Montur nahmen Dutzende Demonstrierende und Journalisten am Versammlungsort in der Hauptstadt Luanda fest. Zuvor teilten die Sicherheitskräfte den Demonstranten mit, dass der Protest nicht genehmigt sei. Außerdem forderten sie die Protestierenden auf, ihre Transparente mit Parolen wie "Freiheit für politische Gefangene" und "Nieder mit unterdrückenden Gesetzen" zu entsorgen.
Zu den vorläufig Festgenommenen gehörten Adilson Manuel, einer der Organisatoren der Kundgebung, sowie der Journalist Paulino Aurélio von TV Raiar, einem der Oppositionspartei UNITA nahestehenden Sender. Nach seiner Freilassung bezeichnete Adilson Manuel das Gesetz im DW-Gespräch als "weiteren Rückschritt für den demokratischen Rechtsstaat" und kündigte an, dass das "Movimento Cívico" juristische Schritte gegen die angolanische Polizei wegen der Verletzung des Demonstrationsrechts vorbereite. Die Proteste würden fortgesetzt, bis das Gesetz zurückgenommen werde.
Mitarbeit: Borralho Ndomba (Luanda)