Taiwans Präsidentin Tsai wiedergewählt
11. Januar 2020Vor Anhängern in Taipeh dankte Präsidentin Tsai Ing-wen (Artikelbild) allen, die sich an der Wahl beteiligt haben - egal, für wen sie gestimmt hätten. "Mit jeder Präsidentenwahl zeigt Taiwan der Welt, wie sehr wir unseren freien und demokratischen Lebensstil zu schätzen wissen." In einem Appell an die Weltgemeinschaft rief Tsai Ing-wen zu mehr Anerkennung für die isolierte Inselrepublik auf. "Alle Länder sollten Taiwan als Partner, nicht als Problem betrachten." Taiwan sei ein unverzichtbares Mitglied der Weltgemeinschaft und sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Der Kandidat der oppositionellen Kuomintang-Partei, Han Kuo-yu, trat in der südtaiwanischen Hafenstadt Kaohsiung vor seine Anhänger und sagte, er habe die Präsidentin angerufen und ihr seine Glückwünsche übermittelt. Die 63-jährige Amtsinhaberin hat laut amtlichem Endergebnis rund 57 Prozent der Stimmen erhalten. Ihr Herausforderer kam auf knapp 39 Prozent.
Wahlberechtigt waren 19,3 Millionen Bürger über 20 Jahren. 1,18 Millionen davon waren junge Erstwähler. Die Fortschrittspartei der Präsidentin, die gerade auch bei der jüngeren Generation gut ankommt, konnte ihre Mehrheit im 113 Sitze zählenden Parlament mit voraussichtlich rund 60 Sitzen verteidigen.
Erhöhte Spannungen
Seit dem Amtsantritt von Tsai - einer offenen Befürworterin der pro-demokratischen Bewegung in Hongkong - im Jahr 2016 haben sich die Spannungen zwischen Peking und Taipeh verschärft. Der erhebliche Druck der kommunistischen chinesischen Führung auf Taiwan hat Präsidentin Tsai spürbar Aufwind gegeben, insbesondere, weil sie auf Distanz zu China geht.
Zudem hat der vor einem Jahr verkündete Plan des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, Taiwan nach dem gleichen Autonomie-Modell wie in Hongkong an die Volksrepublik anschließen zu wollen, den Widerstand der 23 Millionen Taiwaner mobilisiert. Xi propagiert den Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", wie er in Hongkong seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China praktiziert wird.
Die anhaltenden Proteste in Hongkong und der harte Kurs Pekings in der chinesischen Sonderverwaltungsregion fachten das Misstrauen unter den 23 Millionen Taiwanern gegenüber einer Annäherung an die Volksrepublik an, was auch der Kuomintang-Kandidat Han zu spüren bekam.
Peking macht Druck
Die Führung in Peking verfolgt eine strenge "Ein-China-Politik" und betrachtet Taiwan als abtrünnigen Teil der Volksrepublik. Sie strebt an, Taiwan eines Tages mit der Volksrepublik zu vereinigen, notfalls mit Gewalt, und das, obwohl die Insel nie zur Volksrepublik gehört hat. Auf internationaler Ebene versucht Peking, die demokratische Inselrepublik weiter zu isolieren. Alle Staaten, die Beziehungen zur Volksrepublik unterhalten wollen, dürfen Taiwan nicht als unabhängiges Land anerkennen. So ist auch Deutschland in Taipeh nur mit einem Deutschen Institut vertreten. Inzwischen pflegen nur noch 15 Länder diplomatische Beziehungen mit Taipeh. Trotz der diplomatischen Isolation erkennt die Staatengemeinschaft aber den Pass Taiwans als gültiges Reisedokument an.
Der Streit um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück. Nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten waren die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach Taiwan geflüchtet, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges unter japanischer Herrschaft stand.
nob/jj/kle/sti (dpa, afp, rtre, ape)