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KZ Dachau - Als Terror Schule machte

Marc von Lüpke-Schwarz22. März 2013

Am 22. März 1933 - knapp zwei Monate nach Hitlers Machtübernahme - wurde das erste deutsche Konzentrationslager in Dachau eingerichtet. Es sollte Vorbild für weitere deutsche KZ werden.

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Dachau am Tag der Befreiung (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Heinrich Himmler hatte große Neuigkeiten zu berichten. Am 20. März 1933 verkündete der Münchener Polizeipräsident und Reichsführer der SS vor Journalisten die Einrichtung eines Konzentrationslagers in der Nähe der bayerischen Hauptstadt. Im rund 20 Kilometer nördlich gelegenen Dachau sollte das Lager errichtet werden. Schon am 22. März trafen die ersten etwa 150 Häftlinge auf dem Gelände des neuen Konzentrationslagers ein.

Auf dem nackten Betonboden der ehemaligen Munitionsfabrik, nur von einer dünnen Decke vor der Kälte geschützt, mussten sie ihre ersten Nächte verbringen, bis sich die Häftlinge selbst rohe Betten und neue Baracken gebaut hatten. Kaum jemand ahnte damals, dass das KZ Dachau die Keimzelle des Systems von Konzentrationslagern werden sollte, mit denen die Nationalsozialisten in den kommenden Jahren Deutschland und Europa überziehen sollten.

Ein Land im Terror

Deutschland war seit dem 27. Februar 1933 im Ausnahmezustand. An diesem Tag war der deutsche Reichstag durch die Brandstiftung eines niederländischen Kommunisten ein Opfer der Flammen geworden. Seither lebte das Land in Angst vor einem kommunistischen Aufstand - eine Furcht, die von den Nationalsozialisten geschürt wurde. Terror herrschte auf den Straßen, seit der Reichspräsident die Grundrechte außer Kraft gesetzt hatte.

Es war die Nummer Zwei in der NS-Hierarchie, Hermann Göring, auf dessen Initiative die ersten Konzentrationslager eingerichtet wurden. Diese "wilden" KZ waren improvisiert und hatten noch den Charakter von Gefängnissen. Zusammen mit Heinrich Himmler und dessen engem Mitarbeiter Reinhard Heydrich war Göring für die Verfolgung politischer Gegner verantwortlich. Auf sie machten die Einheiten der Sturmabteilung, der SA, nun Jagd: auf Kommunisten, Sozialdemokraten und Andersdenkende. In Kellern, Gefängnissen und wilden KZ sperrten sie ihre Opfer ein und quälten sie.

Häftlinge in Dachau bei der Fertigung von Waffen (Foto: picture-alliance/dpa)
Häftlinge in Dachau bei der Fertigung von WaffenBild: picture-alliance/dpa

Auch die ersten Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau waren Oppositionelle, sogenannte "Schutzhäftlinge". In der Bevölkerung hatte sich schnell herumgesprochen, was mit Menschen passierte, die in der Öffentlichkeit schlecht über die Nazis sprachen "Wenn's nicht still bist, kumst nach Dachau", hieß es in bayerischer Mundart.

"Politische Soldaten"

Zunächst stellten Polizisten die Wachposten im Lager. Dies sollte sich jedoch am 11. April 1933 ändern: An diesem Tag übernahmen SS-Leute offiziell die Verantwortung für die Bewachung der Häftlinge. Ein SS-Führer hatte seinen Männern zuvor eingeschärft: "Je mehr wir von diesen Schweinen niederknallen, desto weniger brauchen wir zu füttern." Schon am nächsten Tag kam es zu den ersten Morden.

SS-Leute feierten ihre neue Aufgabe, quälten betrunken die Häftlinge. Am Ende hatten sie vier jüdische Gefangene getötet. Zu diesem Zeitpunkt allerdings funktionierte die Justiz noch, sogar in der beginnenden Diktatur Adolf Hitlers. Die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein und ermittelte wegen Mordes. Zu einer Verurteilung kam es jedoch nicht: Heinrich Himmler hielt seine schützende Hand über die Täter.

Der Lagerleiter Theodor Eicke (Foto: ullstein bild/Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl)
Der Lagerleiter Theodor Eicke schuf das "System Dachau", das zum "Vorbild" für alle deutschen Konzentrationslager wurdeBild: ullstein bild/Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

Im Juni 1933 ernannte Himmler den SS-Mann Theodor Eicke zum neuen Lagerkommandanten. Seine SS-Leute trieb der neue Befehlshaber zu gnadenloser Härte an. "Toleranz bedeutet Schwäche", lautete sein Motto. Den SS-Wachposten hämmerte er die Parole ein, dass sie eine soldatische Pflicht erfüllen würden: "Wir sind keine Gefängniswachtmeister, sondern politische Soldaten und als solche Leibgarde des Führers." Auch den Terror gegenüber den KZ-Häftlingen perfektionierte Eicke.

Mit einer "Disziplinar- und Strafordnung" wurde jedes vermeintliche Vergehen geahndet: mit Nahrungsentzug, Einzelhaft, Prügel und auch der Todesstrafe. Die SS-Leute misshandelten die Häftlinge, töteten sie, zwangen sie zur Schwerstarbeit und ließen medizinische Experimente an ihnen durchführen. 1941 wurden hier sogar mehrere tausend sowjetische Kriegsgefangene erschossen. Terror und Gewalt gegen die Häftlinge wurde in Dachau zu einem System, das Schule machen sollte.

"Arbeit macht frei" - zuerst in Dachau

Erziehung der Gefangenen war das offizielle Ziel der SS. Durch einen gnadenlosen Drill und Schwerstarbeit sollten die Häftlinge im Sinne des Nationalsozialismus resozialisiert werden. Heinrich Himmler war beeindruckt von Eickes Fähigkeiten als Organisator des Terrors. Schnell machte er im NS-Staat Karriere: Schon 1934 wurde er zum "Inspekteur der Konzentrationslager und Führer der SS-Wachverbände" ernannt. Das KZ Dachau aber sollte zum zentralen Ausbildungslager für die Wachmannschaften der SS werden. Auch der Aufbau des Lagers wurde beispielgebend.

Der Spruch "Arbeit macht frei" am Lagertor des KZ Dachau (Foto: imago)
Von Dachau in die KZ's Europas: wohl der schlimmste Zynismus der MenschheitsgeschichteBild: imago

Die Anordnung der Gebäude, die Dachauer Dienst- und Lagerordnung und auch die Beschaffenheit der Verwaltung und Kommandantur diente allen anderen Konzentrationslagern als Vorbild.

Vor allem aber war es der unbarmherzige "Dachauer Geist", wie ihn der spätere Kommandant des KZ Auschwitz-Birkenau, Rudolf Höß, nannte, der Schule machte. Und nicht zuletzt stammt der zynische Satz "Arbeit macht frei", mit dem später fast alle deutschen Konzentrationslager ihre Häftlinge verhöhnten, aus Dachau.

Am 29. April 1945 befreite die US-Armee das KZ Dachau. Etwa 15.000 halb verhungerte Häftlinge erlebten das Ende des Krieges. Fast die gesamten zwölf Jahre des "Dritten Reichs" diente das Lager als Folterstätte der NS-Diktatur. Etwa 200.000 Menschen aus ganz Europa waren hier eingesperrt, über 40.000 wurden ermordet, etwa genau so viele Menschen wie in der heutigen Stadt Dachau leben.