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Das Geschäft mit Afrikas Nachwuchsfußballern

Ali Farhat
3. April 2018

Afrikanische Fußballer sind in Europa begehrt: Sie gelten als begabt und preiswert - und träumen von der großen Chance. Unseriöse Berater holen Minderjährige nach Europa. Aber wer kein Geld bringt, den lassen sie fallen.

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Bild: Christophe Gleizes

Séraphin Fodjo steht regelmäßig am Rand des unbefestigten Bolzplatzes "La Roue" in Anderlecht, einem Vorort von Brüssel. Er kommt aus Kamerun und trainiert hier regelmäßig einige Jungs, die mit großen Träumen hier ankamen. "Die meisten kommen aus Kamerun, Elfenbeinküste und Burkina Faso", sagt Fodjo. Ihre Geschichten beginnen ähnlich: "So genannte Berater, die nichts von Fußball wissen, treffen Familien und versprechen, dass das Kind einen Vertrag in Europa bekommen wird", erzählt Fodjo.

"Die Eltern schaffen das Unmögliche, kratzen das Geld zusammen, damit das Kind nach Europa fliegen kann. Um es noch glaubwürdiger zu machen, bringen einige der 'Berater' europäische Komplizen mit. Sie kümmern sich um den Pass, die verschiedene Unterlagen. Die Familien zahlen bis zu 10.000 Euro dafür."

Kein Pass, kein Essen, keine Unterstützung

Das Kind fliege mit großer Hoffnung, dann aber werde es häufig allein im Hotel zurückgelassen, sagt Fodjo. "Er sagt, er komme bald wieder, tut das aber nicht. Das Kind bleibt zurück, ohne Pass, und wird aus dem Hotel weggejagt." Meist landeten diese Kinder dann über Umwegen bei ihm, so Fodjo. Sie trainieren weiter, leben zwischen der Hoffnung, eines Tages Erfolg zu haben, und der Angst, festgenommen und nach Hause geschickt zu werden. Freiwillig zurückkehren wäre das Eingeständnis eines Misserfolgs - unakzeptabel für jemanden, dessen Familie so viel Geld investiert hat.

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Die Fußball-Begeisterung junger Afrikaner wird für "Berater" zum GeschäftBild: Christophe Gleizes

Der Fußballer Aloys Nong hat das erlebt. In Kamerun wurde er von einem einflussreichen "großen Bruder" entdeckt und überzeugt, nach Europa zu fliegen, um Profifußballer zu werden. "Ich habe einen Test bei OGC Nizza absolviert. Der Sportdirektor der Akademie war zufrieden, aber mein Berater hat zu viel Geld gefordert. OGC Nizza war nicht bereit, so viel in mich zu investieren." Die Chance war futsch.

Aloys Nong und acht andere Jungs wohnten bei einer Familie und schliefen zu neunt im Wohnzimmer. Tagsüber durften sie nicht in der Wohnung bleiben. "Es war Januar, es war kalt, und wir hatten keine warme Kleidung." Auch zu essen habe es nichts für sie gegeben, erzählt er. "Mehrmals sind wir zum Supermarkt gegangen, und haben dort etwas gegessen. Der Wächter schaute weg - nur rausbringen durften wir das Essen nicht." Nach einem Jahr wurden Aloys Nong und die anderen von der Familie weggejagt. Der Junge kam bei Verwandten unter. Parallel trainierte er weiter und wurde schließlich von einem belgischen Verein verpflichtet. Heute spielt er im Iran.

"Ein Kilo Baumwolle oder Kakao"

Meist aber verlieren die jungen Spieler. "Wer es schafft, verdient am Ende viel Geld", sagt Christophe Gleizes, französischer Journalist und Autor eines Buches über die "moderne Versklavung afrikanischer Fußballer". Ein afrikanischer Spieler könne bei einem europäischen Verein 500 bis 1000 Mal mehr verdienen als in Afrika. "Da ist es nicht erstaunlich, wenn Eltern sagen, sie haben eine Ölquelle zu Hause", sagt Gleizes, der neun Monate lang mit seinem Kollegen Barthélémy Gaillard in Westafrika recherchiert hat. Der Vergleich mit einem Rohstoff klingt hart, aber Christophe Gleizes weiß: "Der afrikanische Spieler wird als Ware betrachtet, wie ein Kilo Baumwolle oder Kakao. Die europäischen Vereine kommen her, um billige Arbeitskräfte zu finden."

Ein Problem ist auch, dass die Jugendlichen selbst Teil des Systems werden und sich bereitwillig auf die Versprechen der Berater einlassen. Dafür gehen sie viele Risiken ein, fälschen zum Teil sogar ihr Alter, denn ein 15-Jähriger hat in dem hart umkämpften Markt bessere Chancen als ein 18-Jähriger. 

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Ein Fußballplatz bei Abidjan in der Elfenbeinküste. Viele junge Spieler wollen von hier nach EuropaBild: Christophe Gleizes

Verzögerungstaktik bei europäischen Vereinen

Die großen Gewinner sind nicht nur die sogenannten Berater, sondern auch die europäischen Vereine. Ein Beispiel: Junior Kabananga, kongolesischer Stürmer, hat seine Karriere in Europa bei Anderlecht begonnen. Der belgische Rekordmeister wollte den Spieler, war aber nicht bereit, eine Ausbildungsentschädigung an den FC MK Étanchéité zu bezahlen - den Verein, der Kabananga entdeckt hat. So steht es in den FIFA-Statuten.

"Es geht um den besten Torschütze der Afrika-Meisterschaft 2017!", empört sich Gleizes. "Wenn Anderlecht einen Spieler vom Club Brügge verpflichtet, bezahlen sie eine Ablösesumme. Wenn Paris Saint-Germain Kylian Mbappé verpflichtet, geben die Pariser dem FC Bondy, seinem ersten Verein, eine Ausbildungsentschädigung. Aber wenn es um afrikanische Vereine geht, wollen die europäischen Clubs nicht bezahlen." Die Taktik ist laut Gleizes immer dieselbe: "Sie lassen den Fall so lange ruhen, bis der andere Verein zerbricht. Oder sie bezahlen die Vorsitzenden schwarz, um das Geschäft abzuschließen."

Überzeugungsarbeit ist schwer

Sophie Jekeler aus Brüssel kennt die Schicksale der jungen Fußballer aus Afrika. Die Juristin ist Vorsitzende von Samilia, einer Stiftung, die gegen Menschenhandel kämpft. "Sie wurden mit großen Versprechen nach Europa gebracht, von Leuten, die Kontakte zu Botschaften und Konsulaten haben. Einige wurde aufgegeben, andere wurden gezwungen, auf sehr hohem Niveau zu spielen. Wenn sie sich verletzen, werden sie im Stich gelassen." Zwar gebe es Gesetze, die Opfer schützen sollen, doch die seien schwer anzuwenden, sagt Jekeler "Meistens kommen diese Jungs über die Slowakei, Ungarn, Griechenland in die Europäische Union. Wenn sie in Belgien kann sind, kann man für sie nichts tun. Denn eigentlich müssten sie zurück in diese Länder, um Verwaltungsformalitäten zu erledigen. Das ist für sie aber unmöglich", erklärt Sophie Jekeler.

Sie setzt auf  Prävention. Doch die ist schwierig: "Auch wenn die Kinder hören, was wir zu sagen haben, bleibt der Traum stärker. Aber wenn auch nur eine von 20 Personen unsere Botschaft versteht, kann man wenigstens eine Person retten." Wenn Profi-Fußballer wie Aloys Nong bei der Kampagne mitmachen, ist das für die jungen Leute nicht immer nachvollziehbar: Denn jemand, der sich selbst aufgemacht hat nach Europa, will sie nun überreden, dieses Abenteuer nicht zu riskieren.