Alle Brexit-Zeitpläne sind hinfällig
22. Oktober 2019Das Europaparlament wird diese Woche nicht mehr über den Brexit-Vertrag mit Großbritannien abstimmen. Der portugiesische Parlamentsvize Pedro Silva Pereira sagte, die EU-Abgeordneten könnten ihre Zustimmung erst geben, wenn das britische Ratifizierungsverfahren abgeschlossen sei. Das Unterhaus in London wird die Brexit-Gesetze von diesem Dienstag an beraten und frühestens am Donnerstag darüber abstimmen. Danach geht der Entwurf ins Oberhaus.
Premierminister Boris Johnson hatte zuvor eine Niederlage erlitten: Sein Plan, die am Samstag abgeschmetterte Vorlage über den Brexit-Deal an diesem Montag noch einmal den Abgeordneten vorzulegen, wurde von Parlamentspräsident John Bercow durchkreuzt. Dessen Argument: Eine Vorlage gleichen Inhalts habe bereits am Wochenende zur Abstimmung gestanden. Auch die Umstände hätten sich seither nicht geändert.
Ein großer Teil der Unterhaus-Abgeordneten will auf jeden Fall einen harten Brexit - also einen ungeordneten Ausstieg aus der Europäischen Union - verhindern. Daher verweigerte das Parlament am Samstag einen Blankoscheck und entschied, es werde den mit der EU ausgehandelten Deal erst dann im Grundsatz billigen, wenn die nationalen Gesetze hierzu verabschiedet seien.
Johnson musste daraufhin zähneknirschend einen Brief nach Brüssel schicken, den Westminster ihm per Gesetz aufgedrückt hatte. Im Text wird eine Verschiebung des EU-Austritts über den 31. Oktober hinaus beantragt - also genau das, was der Premier rundheraus ablehnt, wie er in einem eilends hinterhergeschickten zweiten Brief unterstrich. Die Europäische Union muss die Entscheidung darüber einstimmig fällen. Die 27 verbleibenden Mitglieder haben sich offiziell noch nicht festgelegt.
Damit ist weiterhin alles möglich: Der neue Brexit-Deal kann im britischen Unterhaus durchfallen oder - gegebenenfalls mit Änderungen - angenommen werden. Die Abgeordneten könnten auch ein neues Referendum verlangen. In der kommenden Woche dürfte das EU-Parlament zu einer Sondersitzung zusammentreten, sofern London seine Hausaufgaben gemacht hat.
Sollte bis dahin ein geordneter Brexit nicht unter Dach und Fach sein - wovon viele Beobachter ausgehen -, könnte ein EU-Sondergipfel Ende Oktober beschließen, die Austrittsfrist zu verlängern. Wie lange der Aufschub gewährt würde, ist ebenfalls unklar. In dem Brief, den Johnson nach Brüssel senden musste, ist vom 31. Januar die Rede. Die Europäische Union könnte aber auch eine andere Frist wählen.
jj/wa (dpa, afp, rtr)