Algeriens Rolle in Mali
7. November 2012Knapp eine Woche lang haben Militärexperten aus Afrika, von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union in Malis Hauptstadt Bamako an einer Lösung der Krise im Norden des Landes gearbeitet. Anschließend berieten die Verteidigungsminister und Militärchefs verschiedener westafrikanischer Staaten in Bamako darüber. Die Mitgliedsstaaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sagten zu, Soldaten und Sicherheitskräfte bereitzustellen.
Knapp 1.400 Kilometer gemeinsame Grenze
Mit am Verhandlungstisch: Vertreter des malischen Nachbarlandes Algerien. Der unmittelbare Nachbar der Krisenregion gehört nicht zur ECOWAS, nimmt im Ringen um eine Lösung aber dennoch eine wichtige Rolle ein. Schon die Länge der gemeinsamen Grenze macht Algerien zu einem wichtigen Verhandlungspartner bei der Suche nach einer Lösung für die Krise in Nord-Mali: Auf einer Strecke von 1.376 Kilometern grenzt Algerien an das von islamistischen Gruppen besetzten Gebiet. Dazu kommt eine gut ausgerüstete Armee und Erfahrung im Kampf gegen Islamisten im eigenen Land. Experten sind sich einig: Ohne irgendeine Form von Unterstützung aus Algerien wird sich der Konflikt nicht lösen lassen.
Seit April 2012 halten verschiedene radikal-islamistische Gruppen den Norden Malis besetzt. Sie wollen dort einen Gottesstaat errichten. Ein internationaler Militäreinsatz, gefordert von Malis Regierung im Süden, der ECOWAS und vom UN-Sicherheitsrat, soll das Land befreien.
Doch die geplante Militärintervention lehnt Algerien ab. Dabei könnte sie dem Nachbarland vielleicht sogar nutzen, erklärt der Politologe und Nahost-Experte Asiem El Difraoui. Er leitet unter anderem ein Forschungsprojekt zum Nahen Osten beim Berliner Institut für Medienpolitik. Auf der einen Seite fürchteten die Algerier, in einen ausländischen Konflikt hineingezogen zu werden, von dem man noch nicht wisse, wie lange er dauert, so El Difraoui im Gespräch mit der DW. "Auf der anderen Seite wäre es natürlich aus algerischer Sicht sehr sinnvoll, 'Al Kaida im islamischen Maghreb' durch eine Intervention in Mali den Todesstoß zu versetzen."
Algerien hat Erfahrung in der Vermittlung mit Tuareg-Rebellen
"Al Kaida im islamischen Maghreb" ist eine der Gruppen, die den Norden Malis seit April 2012 besetzt halten. Die weiteren Akteure: Die Gruppe MUJAO, die dem Al Kaida-Netzwerk nahesteht, und die islamistische Tuareg-Gruppe Ansar Dine. Bereits bei der Entschärfung vorhergehender Tuareg-Rebellionen in Nord-Mali habe Algerien bereits eine wichtige Rolle gespielt, erklärt Gilles Yabi, Projektleiter für Westafrika bei der Nichtregierungsorganisation "International Crisis Group“ gegenüber der Deutschen Welle: "Die Gruppe Ansar Dine wird von einem Tuareg angeführt, von Iyad Ag Ghali, der den algerischen Behörden gut bekannt ist." Dieser habe bereits bei einem früheren Friedens-Vertrag eine Rolle gespielt, der in Algerien und mit algerischer Vermittlung zustande kam. In der aktuellen Krise könne das Nachbarland wieder in eine Vermittlerrolle schlüpfen, hofft Yabi.
Offiziell vermittelt zurzeit zwar der Präsident von Burkina Faso, Blaise Compaoré, für die ECOWAS-Staaten. Am Dienstag (06.11.2012) sprach er mit einer Delegation von Ansar Dine. Das Ziel: sie soll sich von ihren Verbündeten, Al Kaida in Maghreb und der MUJAO-Bewegung, lossagen. Die Gruppe erklärt sich zu einer Waffenruhe und Gesprächen mit der Regierung bereit. Doch der offizielle Vermittler sprach nicht als einziger mit Ansar Dine: Eine zweite Delegation war zu Gesprächen in Algier.
Vorbehalte gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht
Ein Grund dafür, dass Algerien sich so stark gegen eine militärische Beteiligung sträubt, ist die Rolle Frankreichs: Die ehemalige Kolonialmacht von Algerien und Mali treibt eine militärische Intervention voran. Politologe und Nahost-Experte Asiem El Difraoui erinnert an den blutigen Unabhängigkeitskrieg, den Algerien von 1954 bis 1962 gegen Frankreich führte: "Bis heute bestehen noch große Animositäten gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Und da ist es für die Algerier natürlich schwer, mit den Franzosen auf einmal aktiv militärisch zusammenzuarbeiten.“
Ein Gegengewicht dazu könnten die USA bilden. Bei ihrem Besuch in Algerien (29.10.2012) drängte die US-amerikanische Außenministerin Hilary Clinton den algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika dazu, eine militärische Intervention in Nord-Mali zu unterstützen. Das könnte eine Möglichkeit für Algerien sein, den internationalen Einsatz nicht mehr als französische Initiative zu betrachten und sich dadurch dafür zu öffnen.
Kritische Vergangenheit im eigenen Land
So sehr sich verschiedene Parteien auch für eine aktive Beteiligung des Nachbarlandes Algerien einsetzen: "Die ideale Lösung ist eine militärische Beteiligung Algeriens auch nicht", gibt Asiem El Difraoui zu bedenken. Denn das algerische Militär sei als sehr brutal bekannt: "Es ist schon fast eine zynische Entscheidung, dass die Algerier jetzt auf einmal als Notnagel im Kampf gegen Jiihadisten herhalten sollen, wo sie selber in ihrem Land zehntausende von Jihadismusverdächtigen oder im weiteren Sinne Islamisten getötet haben. Hinzu kommt, dass Algerien einen langen, sehr blutigen Bürgerkrieg hatte, bei dem das Militär auch Massaker begangen hat“, betont El Difraoui.
Die algerische Regierung äußerte sich auf Anfrage der DW nicht zu ihren Plänen. Doch die internationale militärische Mission in Mali scheint so gut wie sicher – ob mit oder ohne direkte Beteiligung Algeriens. Noch im November sollen die Pläne für die internationale Einsatztruppe in Nord-Mali dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegt werden.