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Film

Waffenexperte gibt Antworten auf Baldwin-Drama

22. Oktober 2021

Der US-Schauspieler Alec Baldwin hat mit einer Requisitenwaffe eine Kamerafrau erschossen. Ein DW-Interview mit dem Film-Waffenexperten Oliver Jürgen Rasch.

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USA Santa Fe | Alec Baldwin erschießt Kamerafrau am Filmset von "Rust"
Alec Baldwin auf dem Parkplatz vor dem Santa Fe County Sheriff's Office, nachdem er zu dem Vorfall am Set des Films befragt wurdeBild: Santa Fe New Mexican/dpa/AP/picture alliance

DW: Alec Baldwin erschießt eine Kamerafrau mit einer Requisitenwaffe. Ein Regisseur wird schwer verletzt. Herr Rasch, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie diese Nachricht aus den USA hörten?

Oliver Jürgen Rasch: Als erstes habe ich mich gefragt, ob echte Munition am Set war. Wenn ein Schauspieler zweimal schießt und zweimal wird jemand getroffen, dann muss es echte Munition gewesen sein. Es gab schon einmal einen tödlichen Unfall am Set mit Brandon Lee. Dieser Todesfall ist nie richtig geklärt worden. Da ging man von einem technischen Versagen aus, davon, dass etwas aus der Waffe ausgebrochen ist. Aber eben nur einmal. Baldwin hat gleich zweimal ein Projektil durch den Lauf schicken können, was dann diese verheerende Wirkung hatte.

Das heißt, Sie fragen sich, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Amerika zulässig ist, scharfe Munition am Set zu haben. In Deutschland hat eine scharfe Patrone am Set nichts zu suchen.

Waffenmeister Oliver Jürgen Rasch am Filmset.
Waffenmeister Oliver Jürgen Rasch am Filmset.Bild: privat

Das klingt nach einem Krimi - dass vielleicht jemand heimlich Requisitenwaffen mit scharfer Munition füllt…

Ja, vielleicht war die Patrone nicht entsprechend entschärft. Wenn wir in Deutschland so etwas drehen, wird die Patrone vorher geöffnet. Das Pulver wird rausgenommen. Und das Zündhütchen, was den Abbrand in Gang setzt, wenn ich am Abzug ziehe, wird ebenfalls für den Dreh manipuliert. Dann habe ich etwas, was aussieht wie eine Patrone, aber es kann damit nichts mehr passieren. Möglich, dass eine Requisite irgendwo vertauscht wurde, vielleicht irgendwo im Lager, so etwas kann aber auch aus zeitlichen oder aus Aufsichtsgründen passieren. Und natürlich besteht die Möglichkeit, dass jemand echte Munition in die Waffe geschmuggelt hat. Da frage ich mich allerdings: Wurde die Waffe nicht durchgehend beaufsichtigt?

Wer kümmert sich um die Waffen am Filmset?

In Deutschland, wenn es eine Echtwaffe ist, muss der, der die Waffe mitbringt, vom Fach sein. Das heißt, er oder sie muss eine Waffenhandels- oder Herstellungsgenehmigung haben, andernfalls würde der gewerbliche Umgang mit Schusswaffen nicht genehmigt. Ein Jäger oder Sportschütze oder ein Polizist dürfte seine eigene Waffe selbst betreuen.

Eine Waffe am Filmset ist interessant. Viele wollen sich die mal angucken. Deshalb darf sie nicht einfach herumliegen. Wenn ich eine Waffe mit zum Set bringe, dann ist sie schon verschlossen.

Wieso bringen Sie überhaupt eine echte Waffe mit? Sie könnten ja genauso gut eine Fake-Waffe mitbringen, die nur aussieht wie eine echte?

Wir drehen des Öfteren Bilder, in denen wir die gehobene Gesellschaft zeigen - mit Jagdwaffen. Eine Jagdwaffe kann ganz schnell mal eine sechsstellige Summe kosten. Wenn wir jetzt fünf Jäger mit einer Waffe im sechsstelligen Bereich haben, ergibt das ein Bild mit Requisiten für 500.000 Euro. Würde ich nicht mit einer echten Waffe arbeiten, müsste ich vorher Waffen im Wert von 500.000 Euro auf Deko umbauen, so dass sie nicht mehr ladefähig sind. Ich glaube, das würde für fast alle Filme in Deutschland die Produktionskosten sprengen.

Schauspieler Alec Baldwin
Alec Baldwin beim Dreh von "Rust"Bild: Mark Sagliocco/National Geographic/Getty Images

Da bestellt man dann lieber den Waffenmeister, der sich auskennt?

Genau, da kommt der Waffenmeister, der sich auskennt.

Wären Sie der oberste Waffenmeister der USA, wie würden Sie so ein Unglück verhindern?

Ich würde Standards festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Ich würde für die nötige Qualifikation der Leute sorgen, die Waffen mitbringen. Scharfe Patronen am Set wären ein absolutes Tabu.

Steigt jetzt die Nachfrage nach Waffenmeistern beim Film ?

Die Nachfrage ist bereits hoch. Ich kann nur hoffen, dass wir die schwarzen Schafe in Deutschland bald aussortieren. Mich wundert, dass es hier noch nicht zu mehr tödlichen Unfällen gekommen ist.

Oliver Jürgen Rasch ist ausgebildete Waffenmeister, Pyrotechniker und Büchsenmacher. Der Troisdorfer verleiht auch Waffen und betreut Filmproduktionen. Das Interview führte Stefan Dege.