Ahtisaari hofft auf „Beifallssturm“ für Kosovo-Lösung
7. Dezember 2006Wenn der UN-Vermittler Marti Ahtisaari voraussichtlich im März 2007 dem Sicherheitsrat seinen Vorschlag für die Zukunft des Kosovos vorstellen wird, hofft er dafür einen "Beifallssturm zu ernten". Eine Prise Humor dürfte in dieser Aussage des 69-jährigen Finnen stecken. Denn die Lage im Kosovo und in der Region ist so problematisch, dass sie wenig Platz für Euphorie lässt. Dies kam auch aus der Diskussion beim XII. Europa Forum heraus, das die BMW-Stiftung "Herbert Quandt" am 1. und 2. Dezember in der deutschen Hauptstadt veranstaltete.
UN-Vorschlag: „fair und ausgeglichen“Dort berichtete Ahtisaari, dass er seinen Vorschlag um den 25. Januar herum zunächst Belgrad und Prishtina vorlegen wolle. Die Parteien, die bei den von ihm geleiteten Verhandlungen seit Februar 2006 zu keiner Annäherung gekommen sind, bekämen so die letzte Gelegenheit zu reagieren. Der Vorschlag werde "fair und ausgeglichen sein, aber auch realistisch, nachhaltig und eindeutig", kündigte der erfahrene Vermittler an. Damit will Ahtisaari vermeiden, dass der Status der Provinz im Sinne der jeweiligen Parteien unterschiedlich interpretiert wird.
Minderheitenrechte im VordergrundSein Plan werde vor allem die Minderheitenrechte festlegen, insbesondere die der Serben, die zurzeit im Kosovo knapp sieben Prozent ausmachen. Eine breite zivile Mission der EU und OSZE werde dazu beitragen, dass das Kosovo handlungsfähig werde. Unterstützt werde die Mission weiterhin durch die militärische Präsenz der KFOR-Soldaten. Ahtisaari plädierte für eine schnelle Klärung des künftigen Status: "Dies würde dem Kosovo unter anderem die Mitgliedschaft in internationalen Finanzorganisationen ermöglichen und damit auch die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, des größten aktuellen Problems des Kosovo."
Keine Akzeptanz erwartetDer Bericht werde auch die Reaktionen der Parteien beinhalten. Danach muss das mächtigste Organ der Vereinten Nationen eine neue Formel für den völkerrechtlichen Status der Provinz finden und die bisherige Resolution 1244 ersetzen. Darin wird Kosovo als integraler Bestandteil von Jugoslawien definiert. "Es wird eine historische Herausforderung und eine politische Verantwortung für die gesamte Völkergemeinschaft", sagte der finnische Ex-Präsident.
Ahtisaaris Vorschlag erreicht Serbien direkt nach den Wahlen. Das Parlament wird bis dahin noch nicht konstituiert sein. Doch darin sieht Deutschland, das im Januar den EU-Vorsitz übernimmt, kein Hindernis: "Die innenpolitische Lage in Serbien ist so kompliziert, dass auch nach den Wahlen am 21. Januar nicht erwartet werden kann, dass Serbien den neuen Vorschlag akzeptieren wird", argumentierte der Politische Direktor im Auswärtigen Amt, Michael Schäfer.
Busek: Faustpfand für RusslandEine Lösung ohne die Zustimmung der betroffenen Parteien, vor allem Belgrads, will Russland als Veto-Macht im Sicherheitsrat nicht dulden. Dies signalisiert der Kreml derzeit bei jeder Gelegenheit. Ahtisaari nimmt diese Äußerungen gelassen entgegen: "Russland hat ja einen sehr konstruktiven Beitrag als Mitglied der Kontaktgruppe geleistet“, verwies er auf dem BMW-Forum. Für den Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, Erhard Busek, ist die politische Linie Russlands im Bezug auf Kosovo nicht klar: "Am Anfang hieß es, Kosovo sei ein Präzedenzfall für Tschetschenien, jetzt ist es plötzlich in die entgegen gesetzte Richtung geschlagen, nach Abchasien", erinnerte Busek. Kosovo werde von Russland nur als Faustpfand benutzte, sagte der ehemalige österreichische Vizekanzler.
Schäfer: Fast eine EU interne Angelegenheit
Für die EU sei Kosovo eine fast interne Angelegenheit, betonte Schäfer. "Stabilität im Balkan ist unsere eigene Sicherheit". Die Balkan- und Kosovofrage würden oberste Priorität während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben, kündigte Schäfer an. Deutschland wolle diese Frage in ihrer gesamten Komplexität behandeln. Schäfer sagte: "Wir müssen einerseits den politischen Rahmen eines multiethnischen Kosovo finden, andererseits auch die Zukunft eines demokratischen Serbien in Europa sichern".
EU-Perspektive statt „Anarchie und Chaos“Der erste Schritt in dieser Richtung sei beim Riga-Gipfel gelungen, wo - nicht zuletzt auch durch das besondere Engagement Deutschlands - Serbien doch in das Nato-Programm "Partnerschaft für den Frieden" einzuladen. Nun solle auch die europäische Perspektive, die beim Gipfel von Thessaloniki 2003 allen Balkanstaaten, einschließlich Serbien, zugesprochen wurde, real werden. Schäfer kündigte eine schwierige Zeit in den ersten Monaten des nächsten Jahres an. Auch für das Kosovo müsse es dabei eine klare EU-Perspektive geben, mahnte Ahtisaari. "Ansonsten würde es in Anarchie und Chaos versinken und der Westen müsse ein Leben lang zahlen."
Anila Shuka
DW-RADIO/Albanisch, 2.12.2006, Fokus Ost-Südost