Afrikas Angst vor El Niño
23. Mai 2016Extreme Dürren, gefolgt von massiven Regenfällen: Das Wetterphänomen El Niño sorgt in vielen afrikanischen Ländern für Hungersnöte und Überschwemmungen. Während Länder im südlichen Afrika unter den niedrigsten Niederschlägen seit 35 Jahren leiden, setzen im Osten des Kontinents sintflutartige Regenfälle ganze Regionen unter Wasser. Epidemien wie Cholera, Malaria, Masern und Krätze sind die Folgen. Die Welthungerhilfe schlägt Alarm: Mehr als 20 Millionen Menschen im östlichen und 14 Millionen im südlichen Afrika seien von Lebensmittelknappheit betroffen.
Äthiopien: Nach der Dürre kommt die Sturzflut
Die Länder am Horn von Afrika leiden unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Das äthiopische Ernährungsprogramm versorgt rund 7,9 Millionen Menschen - weitere zehn Millionen sind dringend auf Hilfe angewiesen.
Die Felder vertrocknen und ganze Herden sterben: Der 37-jährigen Dahbo und ihrer Familie gehörten einmal 200 Ziegen, 20 Kühe und zehn Kamele - nur drei Tiere sind ihnen geblieben. "Ohne Vieh werden wir nie mehr das Leben führen können, das ich von klein auf kenne", sagt Dahbo. Nach der Dürre kommt der Regen. Sturzfluten rissen vor Kurzem in der Region Dire Dawa im Süden des Landes mindestens 28 Hirten in den Tod. Die äthiopische Regierung bat im vergangenen Oktober internationale Partner um Hilfe. Kürzlich kündigte die Abteilung für humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission 122 Millionen Euro Unterstützung an.
Südafrika: Afrikas Brotkorb ist leer
Schätzungsweise 16 Millionen Menschen im südlichen Afrika sind laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen von Dürre und Hunger betroffen - die drastisch steigenden Zahlen aus Südafrika nicht inbegriffen. Sieben von neun Provinzen wurden bereits zu Katastrophenregionen erklärt. Die Regierung hat rund 55 Millionen Euro für die Dürrehilfe eingeplant. Das Land, das sonst so viel Mais produziert, dass es die Nachbarländer Simbabwe, Mosambik und Swasiland mitversorgt, muss jetzt in großen Mengen importieren.
Hungerkatastrophe in Simbabwe
In Simbabwe gilt wegen der anhaltenden Dürre seit Februar der Notstand: Fast jeder Dritte ist auf Lebensmittelhilfe angewiesen. In den vergangenen zwölf Monaten fiel nur halb so viel Regen wie im Jahr davor. Im Mudzi-Distrikt im Nordosten Simbabwes, nahe der Grenze zu Mosambik, ist die Lage besonders akut: Über 85 Prozent der Bevölkerung sind dort dringend auf Nahrungsmittel angewiesen.
Mitte Mai besuchte der Generalsekretär der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, Elhadj As Sy, die Gegend um Mudzi. Im DW-Interview beschrieb er seine Eindrücke: "Man konnte die Auswirkungen des Klimawandels ganz deutlich sehen. Die Felder, die normalerweise viele Früchte tragen, waren völlig leer. Überall nur Dürre unter einer unbarmherzigen Sonne."
Elhadj As Sy will auf dem Gipfel in Istanbul an die Weltgemeinschaft appellieren, mindestens 150 Millionen US-Dollar an Soforthilfe zur Verfügung zu stellen.
Malawi: schlechtes Katastrophenmanagement
Auch Malawi leidet unter der extremen Trockenheit. Auf den Märkten sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais, Bohnen oder Reis stark gestiegen. Die letzten Maisernten seien miserabel ausgefallen: Die Menschen hätten in diesem Jahr weniger als fünf Prozent dessen zur Verfügung, was in früheren Jahren produziert wurde, sagt Rotkreuz- und Rothalbmond-Generalsekretär Elhadj As Sy. Die arme Bevölkerung könne sich die Lebensmittel kaum noch leisten. Inzwischen ist über die Hälfte der mehr als 15 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Malawis Präsident Peter Mutharika hatte im April den Notstand über sein Land verhängt und die Weltgemeinschaft zu Spenden aufgerufen.
DW-Korrespondentin Miriam Kaliza sagt, das Katastrophenmanagement des Landes sei ineffektiv: Zwar sei erst vor Kurzem eine neue Behörde ins Leben gerufen worden, allerdings hapere es an der praktischen Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen. Mittelfristig sollte die Regierung ihre Landwirtschaftspolitik ändern, meint Mariam Kaliza. Das immer knappere Wasser müsste besser gespeichert werden, außerdem sollte anderes, der Trockenheit angepasstes Saatgut eingesetzt werden.
Mosambik: Der Süden vertrocknet, im Norden Land unter
In der Gegend um Combomune in der südmosambikanischen Gaza-Provinz schlängelt sich ein Fluss durch die Savannenlandschaft und den Limpopo Nationalpark. Oder vielmehr das, was von diesem Fluss übriggeblieben ist. Seit Monaten liegt er praktisch trocken. Nur weil sie einen kleinen Brunnen mitten im Flussbett gegraben haben, können die Anwohner hier noch Wasser schöpfen.
Die meisten Wasserquellen im Land sind ganz ausgetrocknet, das wenige Wasser oft versalzen. Die Tiere sterben und die Ernte wird noch dürftiger als vergangenes Jahr ausfallen. In ganz Mosambik sind zurzeit 600.000 Menschen auf Nothilfe angewiesen. Die Behörden erwarten, dass diese Zahl in den kommenden Wochen noch drastisch steigt. Rita Namucho, Sprecherin der nationalen Wasserbehörde, macht sich große Sorgen um die Region Combomune. "Bereits seit Monaten kann man den Fluss zu Fuß überqueren. Das ist völlig ungewöhnlich, denn eigentlich sind wir noch mitten in der Regenzeit."
Während der Süden Mosambiks dringend Regen braucht, versinkt der Norden in Wassermassen. Nach heftigen Regenfällen war noch vor wenigen Wochen ein riesiges Gebiet in der Provinz Cabo Delgado überflutet. Mehr als 75 Millimeter Niederschlag innerhalb von 24 Stunden - an solch heftige Regenfälle können sich selbst die älteren Einwohner dieser Region nicht erinnern.
Maurício Chirinda, Leiter des mosambikanischen Katastrophenschutz-Zentrums sagt, die letzten Regenfälle in Nordmosambik hätten 3500 Häuser zerstört. "Viele Menschen sind mit den Fluten mitgerissen worden und ertrunken". Rita Namucho von der Wasserbehörde sagt, Mosambik sei eines der zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. "Unsere Messungen, die wir seit vielen Jahren durchführen, weisen darauf hin, dass es wahrscheinlich nicht bei einem Dürrejahr bleibt."
Angolas Regierung "schaut weg"
In Angola sind vor allem die südlichen Provinzen Cunene und Huíla von der Dürre betroffen. DW-Korrespondenten berichten von "vielen Hungertoten" in einem Gebiet, in dem circa drei Millionen Menschen leben. Francisco Fingo von der zivilgesellschaftlichen Organisation Associação Construindo Comunidades ("Gemeinschaften bilden") kritisiert die angolanische Regierung. Die habe zwar angekündigt, dass sie in den nächsten Monaten Reis und Speiseöl in die Region liefern werde. Doch tatsächlich sei kaum etwas geschehen. "Wir haben immer wieder auf das Problem der Klimaveränderung hingewiesen, haben die Regierung gedrängt, neue Techniken zur Speicherung des vorhandenen Wassers einzuführen, aber sie tut nichts, sie schaut einfach weg", sagt er im Gespräch mit der DW. Fingo kritisiert auch Berichterstattung der Staatsmedien: "Der Normalbürger in der Hauptstadt Luanda, im Norden des Landes, ahnt nicht einmal, dass wir überhaupt ein Dürreproblem haben."
Mitarbeit: Columbus Mavhunga, Leonel Matias, Filipa Gaspar, James Jeffrey