Afrikanische Union kommt nicht voran
6. Juli 2004Die AU krankt am Erbe ihrer Vorgängerin, der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU): Der Staatenbund ist chronisch klamm. Wie schon bei der OAU scheitern viele vernünftige Ideen an der Finanzierung. Zum Beispiel die "Afrikanische Eingreiftruppe": Im Prinzip sind sich die AU-Staaten einig, dass sie eine solche gemeinsame Truppe haben wollen, um die zunehmenden lokalen und regionalen Konflikte Afrikas zu entschärfen. Doch bis auf Südafrika sind die 53 Mitgliedsstaaten der AU momentan nicht in der Lage, dauerhaft Soldaten und Gerät für die Armee zu stellen. Pretoria schickte insgesamt 3000 Soldaten in die afrikanischen Krisenregionen Burundi und Kongo, um die Konflikte dort zu entschärfen.
"Pflicht Brüssels, der AU zu helfen"
Beim Gipfel von Addis Abeba geht es auch um die Situation der Flüchtlinge in Darfur. In der sudanesischen Provinz versuchen 23 AU-Beobachter, die Einhaltung des Waffenstillstands zu überwachen. Die AU will außerdem eine Schutztruppe von 300 Mann in die Krisenregion schicken. Die Soldaten sollten Flüchtlinge im Sudan und im benachbarten Tschad sowie militärische Beobachter schützen, sagte Sam Ibok, der Leiter der Abteilung für Frieden und Sicherheit der AU, am Montag in Addis Abeba.
Hilfsorganisationen warnen davor, dass Hunderttausende vom Hunger- oder Seuchentod bedroht sind. Es ist die wichtigste AU-Mission bislang. Aber ohne die zwölf Millionen Euro, die die Europäische Union aus dem "Fonds für die Friedenssicherung in Afrika" überwies, wäre sie nicht zustande gekommen. Einer der prominentesten Befürworter des Fonds war der scheidende EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Im März 2004 betonte er, es sei die "Pflicht Brüssels, der AU zu helfen".
Problem: Mangel an Geschlossenheit
Seit Gründung der Union können viele Mitglieder ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen; sie sind schlicht zu arm dazu. Den addierten Bruttoinlandsprodukten der afrikanischen Staaten – 613 Millionen Dollar – stehen 305 Milliarden Dollar Schulden bei den Industriestaaten gegenüber. Es fehlt aber nicht nur Geld. Auch an politischer Zielstrebigkeit und Geschlossenheit mangelt es offenbar. "Die AU hat 53 Mitglieder mit jeweils eigenen Interessen. Darunter sind auch Mitglieder, die sich in anderen regionalen Bündnissen wie ECOWAS oder SADEC engagieren", sagt Afrikaexperte Stefan Mair von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.
Konkurrenz mit anderen Zusammenschlüssen
Das Verhältnis der AU zu ECOWAS (Economic Community Of West African States ) und SADEC (South African Developement Community) nennt Mair "ungeklärt". "ECOWAS und SADEC sind zwar als regionale Organisationen im Prinzip mit der kontinentalen AU kompatibel, konkurrieren aber um finanzielle und politische Aufmerksamkeit der Geberländer."
Unklar bleibt vorerst auch, ab wann die Union sicherheitspolitisch mit einer Stimme spricht. "Das wichtigste Interesse vieler AU-Staaten ist es eben nicht, dass etwa der im Mai gegründete 'Friedens- und Sicherheitsrat' seine Arbeit macht. Ich finde das enttäuschend", sagt Mair. Dieser Mangel an afrikanischer Geschlossenheit wirkt auch auf den Rest der Welt: Auf die Gründung des AU-Sicherheitsrats etwa reagierten die USA zögerlich, so Mair. "Washington sucht den Dialog weiter mit einzelnen Staaten. Die AU ist noch lange nicht Hauptgesprächspartner in Afrika."
Vorbild Europäische Union
Dabei könnte die Union eines Tages die bedeutendste Organisation auf dem ärmsten Kontinent werden. 18 AU-Behörden soll es einmal geben, nach dem Vorbild der Europäischen Union auch einen gemeinsamen Gerichtshof, eine Zentralbank sowie ein Parlament mit fünf Abgeordneten aus jedem Mitgliedsland. Die Details der Umsetzung sind offen. Das fängt beim Standort für das Parlament an; unter anderem bewerben sich Ägypten und Südafrika. Ein weiteres Problem ist die mangelnde demokratische Legitimation vieler AU-Staatschefs. Nur etwa 30 der 53 in Addis Abeba vertretenen Regierungen sind in annähernd freien Wahlen bestimmt worden.
Experte sieht Chancen für Erfolg
Mair ist dennoch verhalten optimistisch, was die zukünftige Bedeutung der Union angeht: "Diese Organisation ist ja noch vergleichweise jung. Wenn alles gut geht, funktioniert in drei Jahren der Friedens- und Sicherheitsrat der AU; dann würden beispielsweise Militärputsche geschlossen verurteilt." Die Union könnte sich einmischen und "im Zweifel auch eigene Friedenstruppen schicken, um ihren Willen durchzusetzen. Es könnte aber auch der alte OAU-Trott wiederkehren: Man trifft sich einmal jährlich, und das Treffen geht ohne Ergebnis zu Ende." Für den Kontinent, den der Londoner Premier Tony Blair einmal den "großen Fleck auf dem Gewissen der Welt" nannte, wäre dies allerdings katastrophal.