Afrika: Weniger Menschen besitzen Land
22. Januar 2021Viele Fischer an Kenias Küsten leiden unter einem lukrativen Bauboom - so auch in Tudor, dem nördlichen Küstenstreifen in der kenianischen Stadt Mombasa, der geprägt ist von Apartmenthäusern und Hotels: "Dort bauen große Firmen und Straßen werden erweitert. Alle Landungsplätze sind verschwunden", sagt Phelix Lore, Direktor des Haki Centre der DW. "Es geht an die Lebensgrundlage, wenn Fischer keine Plätze zum Anlegen haben, wo sie Fische auch verkaufen können."
Die Menschenrechtsorganisation engagiert sich für Fischergemeinden, die ihre öffentlichen Landungsplätze wegen privater Bauprojekte verloren haben. Das Ziel der Aktivisten von Haki Centre: mehr Eigentumsrechte für Gemeindemitglieder an Grund und Boden durchzusetzen. "Landraub ist in Kenia seit Jahren ein großes Problem", sagt Lore.
Schere bei Landbesitz geht weltweit auseinander
Immer weniger Menschen weltweit besitzen Land: Die wachsende Kluft bei den Besitzverhältnissen und beim Zugang zu Land trifft vor allem Kleinbauern, Frauen sowie indigene und ländliche Gemeinschaften, heißt es in einem Bericht der International Land Coalition (ILC), der auch die Anti-Armutsorganisation Oxfam und die Deutsche Welthungerhilfe angehören.
Die Ende 2020 veröffentlichte Studie vergleicht die Land-Ungleichheit anhand traditioneller Volkszählungsdaten und der Besitzverhältnisse, der Landqualität und anderer Indikatoren in 17 Ländern. Das Ergebnis: Die Konzentration der Flächen auf wenige Eigentümer und die Intensivierung der Produktion haben seit 1980 in fast allen Regionen weltweit zugenommen.
Verantwortlich für den wachsenden Trend von Land-Ungleichheit sei das zunehmende Interesse von Unternehmen an Investitionen in landwirtschaftliche Flächen, heißt es in der Studie. Laut Bericht kontrollieren die reichsten zehn Prozent der ländlichen Bevölkerung über 60 Prozent der Grundstückswerte, während die ärmsten 50 Prozent über drei Prozent verfügen.
"Wachsende Ungleichheit beim Zugang zu Land ist ein Treiber für Hunger und Armut. Die Erde gehört uns allen, Land darf kein Spekulationsobjekt sein," sagt Marion Aberle, Politikreferentin der Welthungerhilfe der DW. Regierungen und Investoren stünden in der Pflicht, so Aberle.
Mehr Recht für Gemeinden
Die Realität sieht aber oft anders aus. Ein weiteres Beispiel: der Kono-Distrikt im westafrikanischen Sierra Leone. Große Bergbauunternehmen schürfen dort Diamanten und Gold. Die Mine Koidu Holdings war die erste Firma, die nach dem Ende des Bürgerkrieges 2002 in den lukrativen Abbau investiert hat. Sie ist im Besitz des Israelis Beny Steinmetz - mit dem sich jüngst auch ein Gericht in Genf befasste. Am 22. Januar wurde er der Korruption für schuldig befunden und zu einer Haft- und Geldstrafe verurteilt.
Steinmetz' Aktivitäten in Guinea haben verbrannte Erde zurückgelassen: "Der Konzern und sein Chef haben seither ein schwieriges Verhältnis zur Gemeinde im Abbaugebiet", sagt Berns Lebbie, Koordinator bei der Initiative "Land for Life Sierra Leone" im DW-Interview. Das Unternehmen habe den Menschen dort großes Leid zugefügt - von den Sprengungen über Staubdunst, Wasserknappheit und wirtschaftlichen Entbehrungen. "Wenn Investmentgesellschaften ein Stück Land übernehmen und die Straßen verbarrikadieren, sodass Bauern, Fischer und andere Landnutzer keinen Zugang haben, erwarten die Menschen, dass alternative Lebensgrundlagen durch angemessene Lohnarbeit, Kleinstkredite für Frauen oder finanzielle Entschädigung bereitgestellt werden. Ohne diese gibt es immer Kummer und Groll, der später zu gewalttätigen Reaktionen führen kann", sagt Lebbie.
Landbesitz wird immer undurchsichtiger
Mit der Zunahme von Unternehmens- und Finanzinvestitionen werde der Besitz und die Kontrolle von Land immer undurchsichtiger, sagte Ward Anseeuw, Analyst bei ILC und Mitautor des Berichts. "Landbesitz ist in Afrika in vielen Ländern Staatseigentum. Die Gemeinden bewirtschaften es lediglich. Sie können den Grund und Boden verwalten, mit Hilfe von Landkomitees." Aber oftmals funktioniere das Kollektiv nicht, zum Beispiel wenn ein lokaler Führer nach eigenem Interesse handele. Oder wenn es keine demokratischen Strukturen gebe, die die Regeln respektierten. Laut Anseeuw sind diese Landkollektive aber zu begrüßen, wenn sichergestellt werde, dass sie alle Mitglieder vertreten.
Wie kann es besser laufen?
Mehr Leitlinien seien auch positiv für Transparenz. "Die Verkäufe und Übergaben, die Preise und Größe der Flächen - dafür muss es Regeln geben", fügt er im DW-Interview hinzu. Regierungen, Investoren und der Privatsektor sollten noch stärker zur Verantwortung gezogen werden - dafür gebe es bereits Forderungen von der Weltbank und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Es müsse Druck gemacht werden, dass Investoren und Regierungen ihre Projekte und Finanzierungen öffentlich machten, fordert Anseeuw.
Der Zivilgesellschaft mit ihren Initiativen, aber auch akademischen Institutionen käme eine wichtige Rolle zu: Sie sollen Landverkäufe und die Nutzung besser prüfen. Das gehe mit Verpflichtungen einher. Diesen Organisationen sollten auch Rechte eingeräumt werden, Landgeschäfte zu blockieren oder ein Vorkaufsrecht zu besitzen.
"Grundbesitz-Steuern könnten auch auferlegt werden. Das gibt es in vielen Ländern in den urbanen Zentren, nicht auf dem Land. Derartige Regulierungen sind wichtige Instrumente in einer stärker globalisierten Welt", findet Anseeuw. Das bedeute mehr Kontrolle über die Konzerne und Finanzakteure in der Landwirtschaft. Das Problem: "Wir haben es mit sehr mächtigen Akteuren zu tun."
Der Artikel wurde nach dem Urteil gegen Beny Steinmetz am 22. Januar aktualisiert.