Afrika 2024: Zwischen Krisen und Wirtschaftswachstum
28. Dezember 2023Wie der Jahreswechsel in der Demokratischen Republik Kongo ablaufen wird, ist noch ungewiss: Das riesige Land steht kurz vor der Verkündung der Wahlergebnisse vom 20. Dezember. In Zwischenergebnissen lag Präsident Felix Tshisekedi klar vorne, doch die Opposition machte bereits mobil und sprach von Polizeigewalt gegen ihre Anhänger. In welche Richtung sich das zentralafrikanische Land mit seiner vertrackten Sicherheitslage im Osten entwickelt, dürfte für ganz Afrika von Bedeutung sein.
Mit Blick auf die Wahl im Februar 2024 ist es im Senegal bereits zu Massenprotesten gekommen. Präsident Macky Sall beugte sich dem Druck, zog seine Kandidatur zur dritten Amtszeit zurück und schickte Ministerpräsident Amadou Ba ins Rennen.
Aber schon jetzt gebe es Probleme für den Oppositionskandidaten Ousmane Sonko, dem der Antritt bisher durch Willkür und Verhaftung verwehrt worden sei, sagt Fredson Guilengue, Mitarbeiter der der deutschen Linkspartei nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg. "Dadurch kam es zu gewaltsamen Protesten, die die Stabilität bedrohen", so Guilengue zur DW.
Südafrika kämpft um Vertrauen
Eine der wichtigsten Wahlen findet im Mai in Südafrika statt. Die Frage dort lautet: Wird der Afrikanische Nationalkongress (ANC) eine Mehrheit bekommen? Es könnte knapp werden. Ein drastischer Stimmenverlust droht und die Partei von Präsident Cyril Ramaphosa könnte erstmals unter die 50-Prozent-Hürde rutschen. Vieles deutet also darauf hin, dass der ANC darauf angewiesen sein wird, sich durch Koalitionen mit kleineren Parteien den Machterhalt zu sichern.
Im südlichen Afrika, zum Beispiel in Mosambik, Simbabwe und eben Südafrika, beruhe der Vertrag der einstigen Befreiungsbewegungen mit der Gesellschaft auf dem Kampf gegen den Kolonialismus, betont Guilengue. "Aber die heutige Generation ist weniger mit der Vergangenheit verbunden und erwartet andere Dinge von ihren Anführern."
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer ist die Mehrheit der Südafrikaner (70 Prozent) unzufrieden mit der Umsetzung von Demokratie in ihrem Land. Die Südafrikaner halten die hohe Arbeitslosigkeit für das wichtigste Problem, gefolgt von Kriminalität und Sicherheit, Elektrizität, Wasserversorgung und Korruption. Der marode Energieversorger Eskom schafft es nicht, das Land ausreichend mit Strom zu versorgen, die Wirtschaft stagniert, das Vertrauen in die Regierungsführung ist auf dem Tiefpunkt.
Ähnlich verhält es sich in Mosambik, wo im Oktober gewählt wird: "Die Menschen versuchen, stärker für die Opposition zu stimmen", sagt Guilengue. Das Land steckt schon lange in einer politischen Krise und die Oppositionspartei Renamo (nationale Widerstandsbewegung) wirft der regierenden Frelimo (Mosambikanische Befreiungsfront) Wahlfälschung bei Regionalwahlen im Oktober vor. Zivile Unruhen dürften sich laut Guilengue fortsetzen.
Machtwechsel oder Wiederwahl?
Auch in anderen Staaten könnte die Unzufriedenheit über die amtierenden Regierungen zu einer Machtübergabe an die Opposition führen - so im Dezember in Ghana. Das einst florierende westafrikanische Land versinkt in Schulden, Investitionen liegen brach, der Lebensstandard sinkt.
Insgesamt besteht laut der Analysefirma Economist Intelligence Unit (EIU) ein größeres Risiko, dass sich die parlamentarischen Mehrheiten verringern, die Regierungsbedingungen damit schwieriger und soziale Unruhen stärker werden, etwa in Madagaskar oder den Maghreb-Ländern Algerien und Tunesien.
Putsch-Gürtel Sahelzone bleibt instabil
In Westafrika bleibt die politische Lage ebenfalls brisant: Für den vom Militär regierten Krisenstaat Mali rückt eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung in noch weitere Ferne. Die für Februar 2024 angekündigte Präsidentschaftswahl hatte die Staatengemeinschaft ECOWAS dazu bewogen, Sanktionen aufzuheben.
Doch Mali verschob die Abstimmung, ebenso wie Burkina Faso. Dort hatte Junta-Führer Ibrahim Traore zunächst zugesagt, im Juli 2024 eine Wahl abzuhalten. Im Oktober verschob er den Termin wegen der unsicheren Lage im Land, ohne ein neues Datum festzusetzen.
Die gesamte Sahelzone, in der es eine Reihe von Putschen gegeben hat, wird laut Alex Vines von der Londoner Denkfabrik Chatham House auch 2024 sehr fragil sein: "Wir haben seit 2019 Putsche in Mali, Niger, de facto im Tschad, Sudan und Burkina Faso, Guinea und Guinea-Bissau erlebt - es könnte zu Gegenputschen kommen", so Vines im DW-Gespräch. In den Putsch-Ländern werde es 2024 darum gehen, eine kurze Frist für die Rückkehr zum Verfassungsrecht auszuhandeln.
Afrikas Wirtschaft wächst schnell
Ein positiver Trend sorgt indes für Optimismus: Afrika wird laut EIU 2024 wirtschaftlich die am zweitschnellsten wachsende Großregion gleich hinter Asien sein, angetrieben vom Dienstleistungssektor, der insbesondere in Ostafrika weiterhin eine wichtige Rolle spielt.
Jedoch könnten einige Länder davon nicht profitieren, schätzt Alex Vines, das gelte für Länder wie das angeschlagene Äquatorial-Guinea und den umkämpften Sudan.
Die Inflation, die 2023 auf dem gesamten Kontinent einen erheblichen Druck ausgeübt habe, werde nachlassen - aber vielen Ländern auch weiterhin Sorgen bereiten, dazu gehörten unter anderem Angola, Nigeria und Simbabwe sowie Äthiopien, das - wie auch Mosambik - stark verschuldet sei.
In Mosambik könnte die Wiederaufnahme des Gasprojekts von TotalEnergies, eines der größten einzelnen ausländischen Direktinvestitionsprogramme in Afrika, einen Schub geben. Aber Schuldenerlass und Umschuldung werden laut Experten 2024 ein großes Thema in Afrika sein.
Nahostkonflikt stellt Kongo und Sudan in den Hintergrund
Auswirkungen auf eine Stärkung afrikanischer Länder und ihrer Demokratiebestrebungen hat laut Fredson Guilengue auch das Verhalten Russlands und Chinas: "Sie sind mächtiger geworden und im Wettbewerb um mehr Einfluss auf dem Kontinent - als Gegengewicht zur Vorherrschaft des Westens." Dieser Kampf werde weiter die Demokratie bedrohen.
Die Aussichten für Afrika im nächsten Jahr sehen laut Priyal Singh, Analyst bei dem Internationalen Institute für Sicherheitsstudien (ISS) in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria, derzeit nicht gut aus - "vor allem vor dem Hintergrund des immer unbeständiger werdenden geopolitischen Wettbewerbs zwischen den großen internationalen Mächten”, sagt Singh zur DW.
Das Interesse der Weltöffentlichkeit richte sich in erster Linie auf die Ereignisse im Nahen Osten und der Ukraine, während allgemeinere Feindseligkeiten zwischen Großmächten und afrikanische Konflikte übersehen würden, sagt Singh: "Das zeigte sich bei den Konflikten im Sudan und in der Demokratischen Republik Kongo. Solchen Konflikten wird nicht genügend Aufmerksamkeit zuteil."
Dieser Artikel wurde am 15.12.2023 erstmals veröffentlicht und am 28.12. aktualisiert.