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Afghanische Medien in Gefahr

Srinivas Mazumdaru4. April 2014

Seit dem Ende der Taliban-Regierung hat sich der Mediensektor in Afghanistan stark entwickelt. Doch Angriffe auf Journalisten und politische Einflussnahme gefährden den Prozess.

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Bildergalerie Afghanistan Gewalt gegen Journalisten
Bild: DW

Zu Beginn der US-geführten Intervention in Afghanistan vor mehr als zwölf Jahren lag die Medienlandschaft im kriegsgeschüttelten Afghanistan am Boden. Die Taliban hatten während ihrer Herrschaft zwischen 1996 und 2001 fast alle Medien im Land verboten. Ausnahme war Radio Scharia, das Sprachrohr des Regimes, das allein religiöse Programme sendete. Fernsehen oder Musikhören wurde bestraft. Die Kommunikations-Infrastruktur des Landes lag in Scherben. Doch nach der Intervention der NATO-Truppen in der Folge der Terroranschläge des 11. September 2001 erlebten die Medien eine Renaissance. Riesige Mengen ausländischer Investitionen flossen in den Wiederaufbau und trieben die Entwicklung von Presse, Rundfunk und Fernsehen voran.

Heute hat Afghanistan einen breit aufgestellten Mediensektor mit 65 Fernsehkanälen, 174 Radiosendern und hunderten Zeitungen und Zeitschriften. Rund 86 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu Telekommunikationsdiensten. Viele Afghanen betrachten diese schnelle Entwicklung der Medien in der Nach-Taliban-Ära als bemerkenswerte Erfolgsgeschichte und hatten sogar lange Zeit mehr Vertrauen in die Medien als in die Regierung oder die Gerichte. Dies belegt eine Untersuchung der amerikanischen Asia Foundation aus dem vergangenen Jahr: Rund 68 Prozent der Menschen setzten ihr Vertrauen demnach in elektronische Medien, etwa 47 Prozent in das Parlament und 43 Prozent in das Justizsystem des Landes.

Männer in Afghanistan schauen öffentlich Fernsehen (Foto: AP)
Fernsehen in Afghanistan - nach dem Radio das beliebteste MediumBild: AP

Kluft zwischen Stadt und Land

Doch der Medienboom beschränkt sich hauptsächlich auf die größeren Städte, wo der Zugang zu Informationen und die Stromversorgung zuverlässiger sind. Auf dem Land sieht es ganz anders aus. Der Bericht der Asia Foundation zeigt, dass der Fortschritt in den Dörfern nicht spürbar ist. Dort fehle eine funktionierende Medien-Infrastruktur und außerdem könnten immer noch viele Menschen (rund neun Millionen in ganz Afghanistan) weder lesen noch schreiben.

Das wichtigste Informationsmedium in Afghanistan ist das Radio. Mehr als 60 Prozent verfolgen nach einer 2010 von der US-Entwicklungsorganisation USAID in Auftrag gegebenen Studie regelmäßig die landesweit ausgestrahlten Hörfunkprogramme. Das Fernsehen liegt mit einem geschätzten Anteil von rund 48 Prozent auf dem zweiten Platz.

Ausländische Hilfe

So beeindruckend die Medienentwicklung auch gewesen sein mag, so habe sie doch eine Kehrseite, sagen Experten: Millionen Dollar internationaler Hilfsgelder wurden in den Aufbau unabhängiger Medien gepumpt - zum Beispiel auch ein großer Anteil der 2,8 Milliarden, die die deutsche Entwicklungshilfe in den vergangenen zehn Jahren für Afghanistan bereitgestellt hat.

Kritiker meinen, die finanzielle Unterstützung habe dazu geführt, dass Radio- und Fernsehsender aus dem Boden sprießen, die kein tragfähiges Geschäftsmodell haben und deren Existenz ausschließlich abhängig sei von ausländischer Finanzierung. Das Modell der Geberstaaten, "Medieninstitutionen aus dem Boden zu stampfen, die die afghanische Wirtschaft nicht tragen kann", sei nicht empfehlenswert, so hieß es 2010 in einem Bericht des amerikanischen "Institute of Peace" (USIP). Andrew Wilder, Südasien-Fachmann am USIP, sieht dennoch die Gefahr, dass Mittelkürzungen den Mediensektor Afghanistans gefährden würden. "Zu schnelle und drastische Kürzungen ausländischer Hilfe hätten eine destabilisierende Wirkung und würden viele der enormen sozio-ökonomischen Errungenschaften der vergangenen zehn Jahren untergraben."

Zeitungen in Afghanistan (Foto: picture alliance/dpa)
Zeitungen erreichen vor allem die Menschen in den StädtenBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Der Einfluss von Außen beschränkt sich jedoch nicht nur auf Investitionen. Er hat auch Auswirkungen auf die Inhalte. Immer mehr ausländische Unterhaltungssendungen füllen den afghanischen Äther, allen voran indische Bollywood-Filme und Seifenopern. Sie sind enorm beliebt, obwohl sich viele Menschen in Afghanistan beschweren, diese Programme vermittelten Ideen und Botschaften, die den lokalen Traditionen und der Kultur Afghanistans widersprächen - heißt es in dem USIP-Bericht.

Politische Einflussnahme

Das Recht auf Rede- und Meinungsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung festgeschrieben, die 2004 in Kraft trat. Außerdem sollen Gesetze die Pressefreiheit schützen. "Dennoch benutzt die Regierung immer wieder die restriktiven Elemente in den Gesetzen oder in der Verfassung, um Medienorganisationen zu schikanieren und Reporter zu bestrafen", heißt es in einem Bericht des amerikanischen "Center for International Media Assistance " (CIMA) aus dem Jahr 2012.

Die Regierung versuchte zum Beispiel in jenem Jahr, den Einfluss ausländischer Medien einzuschränken, indem sie die Kontrolle von Funk, Fernsehen und Presse verschärfte. Sie listete eine Reihe von "Verstößen" der Medien auf und richtete eine staatlich kontrollierte Beschwerdekommission ein. Diese Schritte führten im In- und Ausland zu deutlicher Kritik, was Kabul schließlich veranlasste, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Doch dieses Beispiel zeigte der Öffentlichkeit, welchen politischen Herausforderungen sich Journalisten und Medienorganisationen im Land stellen müssen.

Gewalt gegen Journalisten

"Journalisten, die Fehlverhalten oder Rechtsverletzungen von Warlords, Aufständischen oder politisch Mächtigen aufdecken, werden bedroht, geschlagen und sogar getötet. Das schränkt ihre Möglichkeiten ein, den Dingen auf den Grund zu gehen", berichtet Sheldon Himelfarb, Medien-Experte beim amerikanischen "Institute of Peace" (USIP), der Deutschen Welle. Anschläge und Aufstände der Taliban sowie ein Klima der Straflosigkeit machen das Land zu einem der weltweit gefährlichsten Pflaster für Berichterstatter. Das zeigt auf tragische Weise der Tod der deutschen Fotografin Anja Niedringhaus, die am Freitag (04.04.2014) von einem Polizisten in der Provinz Chost erschossen wurde, wie die Behörden in der Provinz Chost mitteilten. Zudem sei die kanadische Journalistin Kathy Gannon bei dem Vorfall schwer verletzt worden. Die beiden Frauen arbeiteten für die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und hatten jahrelange Erfahrung in der Region und anderen Konfliktgebieten. Sie waren zur Berichterstattung über die afghanische Präsidentenwahl nach Chost gereist.

Der Journalist Noor Ahmad Noori wurde ermordet. (Foto: DW)
Angriffe auf Journalisten: Der Reporter Noor Ahmad Noori wurde in der Provinz Helmand ermordetBild: DW/M.Mujtaba
Die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus (Foto: dpa/picture alliance)
Bezahlte ihren Einsatz mit ihrem Leben: die Kriegsfotografin Anja NiedringhausBild: picture-alliance/dpa

Eine Statistik des "Afghanischen Sicherheitskomitees für Journalisten" (Afghan Journalists Safety Committee) belegt mindestens 35 Angriffe auf Journalisten im zweiten Halbjahr 2013. Doch die Bedrohung kommt nicht nur von den Taliban und Kriminellen, sondern immer häufiger auch von Regierungsseite. "Wir sehen mit großer Sorge, dass die Zahl der Angriffe wächst, in die Regierungsbeamte und afghanische Sicherheitskräfte verwickelt sind", schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in ihrem jüngsten Bericht über Afghanistan.

Selbstzensur und Furcht vor Repressalien

Diese Entwicklung habe bei vielen Medienmachern zu Selbstzensur geführt, glaubt Sari Kouvo vom "Afghanistan Analysts Network": "Heutzutage haben die Journalisten ein schärferes Gefühl für 'Regierungszensur' und Furcht vor möglichen Repressalien, wenn sie die Regierung öffentlich kritisieren."

Auf der Weltrangliste der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" jährlich veröffentlicht, rangierte Afghanistan 2013 auf Platz 128 von 179 Nationen. Experten gehen davon aus, dass die dynamische und expandierende Presse Afghanistans auch weiterhin mit vielen Schwierigkeiten kämpfen muss - besonders vor dem Hintergrund des für Ende des Jahres geplanten Abzugs der NATO-Truppen aus Afghanistan.