Gemäßigter Jubel auf der AfD-Wahlparty
14. Oktober 2018Das ist vielleicht der Moment, bei dem zu sehen ist, wo eine Partei wirklich steht. Bei einer Wahlparty, wenn die ersten Ergebnisse aus den Lautsprechern scheppern. Bei den meisten Parteien geht es da um das eigene Abschneiden. Das ist hier bei der AfD schon auch so. Aber das ist nicht das Wichtigste an diesem Abend im großen Saal des Landgasthofes Apfelbeck in Mamming. Dort hat sich der Bezirksverband Niederbayern der rechtspopulistischen Partei eingemietet für die große Sause zur Landtagswahl in Bayern. Prominenz aus der Hauptstadt ist da: Alice Weidel, Co-Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion und Oppositionsführerin. Als sie in den Saal kommt wummert zufällig aus der Musikanlage der Holzhacker-Marsch.
Auf den zwei Dutzend Stehtischchen liegen kleine himmelblaue Gummibärchentütchen mit AfD-Parteilogo, kleine Fähnchen mit weißblauem Rautenmuster und auf einem liegt ein Stapel eingepackter Luftschlangen in schwarzrotgelb. Auf einer Leinwand läuft die Wahlsendung aus dem Ersten. Die erste Prognose nach Schließung der Wahllokale. Lautes Klatschen über das schlechte Abschneiden der CSU, frenetischer Jubel über das Debakel der SPD, für die FDP Buhrufe, das fulminante Ergebnis der Grünen zieht ein kollektives zorniges Murren nach sich. Und selbst? Für die rund elf Prozent, die der AfD da vorhergesagt werden, gönnen sich die Leute im Saal einen höflichen Applaus. Eine halbe Stunde später wiederholt sich das noch einmal als die erste Hochrechnung verkündet wird.
Durch die AfD auf die schiefe Bahn
Die Spitzenkandidatin des Wahlbezirks, Katrin Ebner-Steiner tritt aufs Podium und wartet ungeduldig darauf, dass Markus Söder auf der Leinwand verstummt. Der CSU-Parteivorsitzende verkündet von dort gerade mit zerknirschter Miene, dass er nach vorne blicken und für Bayern eine stabile Regierung wolle. Die Regierungspartei hat das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Endlich ist der Ton weg und Ebner-Steiner kann die "blutleeren Figuren der Altparteien" geißeln. Sie zielt vor allem auf die Bundeskanzlerin: "Merkel muss endlich weg!", ruft sie und stemmt ein halbvolles Weizenglas in die Höhe.
Bundespolitikerin Alice Weidel nimmt diese Losung auf und projiziert das bayerische Votum auf Berlin: "Wer heute in Bayern AfD gewählt hat, der sagt, Merkel muss weg!" CSU und SPD hätten keine Mehrheit mehr und sollten endlich den Weg zu Neuwahlen in Berlin frei machen. Dass aus dieser steilen Forderung nichts werden wird ist halb so wild. In Bayern ist die politische Landschaft kräftig verschoben worden, und die AfD darf sich zuschreiben, ordentlich dazu beigetragen zu haben. Sie hat die CSU mit dem Flüchtlingsthema in ein Wahldebakel getrieben. Aus Angst, Wähler am rechten Rand zu verlieren, hat Ministerpräsident Markus Söder zweifelhafte Symbolpolitik um eine neue Grenzpolizei getrieben und bürgerliche Wähler mit seinen Aussagen über Migranten verschreckt. Sein Parteichef Horst Seehofer irritierte über Wochen in Berlin mit seiner Unberechenbarkeit. Weidel schaut genüsslich in die Runde, als sie den beiden CSU-Spitzenpolitikern vorwirft: "Wählertäuschung noch und noch, das zahlt sich nicht aus!"
AfD-Ergebnis enttäuscht Erwartungen der Rechtspopulisten
Das Dumme ist nur, das so bejubelte schlechte Abschneiden der CSU zahlt sich für die AfD nicht so aus, wie gewünscht. Die Luftschlangen in Nationalfarben sind verschwunden und niemand hat sie ausgeblasen. Stephan Protschka hat die Party organisiert und "eine lange, spannende Wahlnacht" versprochen. Der AfD-Bezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete hat noch am Beginn des Abends "deutlich mehr als 20 Prozent in der Region und über 16 in ganz Bayern" vorhergesehen. Am Ende pendeln sich die Hochrechnungen auf wenig über zehn Prozent ein. Die ersten regionalen Auszählungen sind auch nicht besonders vielversprechend - dabei hat die AfD in Niederbayern bei den letzten Bundestagswahlen in manchen Wahlkreisen bis zu 20 Prozent eingefahren.
Die AfD hat die CSU destabilisiert - aber die Wähler, die die alte Regierungspartei nicht mehr wählen wollten, hatten noch mehr Alternativen als die Alternative für Deutschland. Vor allem die Grünen haben von der strauchelnden CSU profitiert. Und die mag man hier in Mamming am wenigsten. Der Abend wirkt schnell ein wenig schal - auch wenn es doch unzweifelhaft ein Erfolg ist, das erste Mal in den bayerischen Landtag einziehen zu können. Beim Apfelbeck in Mamming stehen die Stehtische bald größtenteils allein herum.