AfD und China: Überraschende Annäherung
10. August 2023Die Alternative für Deutschland und China? Natürliche Verbündete sind deutsche Rechtspopulisten und eine staatskapitalistisch agierende Kommunistische Partei in China eher nicht. Und doch reiste diesen Sommer eine dreiköpfige AfD-Delegation nach China - auf offizielle Einladung! Eine knappe Woche war die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel mit ihren Abgeordnetenkollegen Petr Bystron und Peter Felser Ende Juni in Peking und Shanghai unterwegs.
Felser berichtet im DW-Gespräch von zunächst "sehr zähen" Annäherungsversuchen der AfD-Bundestagsfraktion Richtung China. Das habe sich im Frühsommer geändert. Seine Vermutung: Ihre hohen Umfragewerte hätten die AfD für die chinesische Seite interessanter gemacht.
Mit wem genau sich die AfD-Delegation in China getroffen hat, möchte Felser nicht sagen. Eine Anfrage der DW bei der chinesischen Botschaft in Berlin nach den Gesprächspartnern der AfD-Abgeordneten blieb ebenfalls unbeantwortet. Allerdings soll es laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland sogar eine Begegnung mit einem Vize-Außenminister gegeben haben.
Fraktionschefin Weidel ließ nach der Rückkehr aus China zumindest wissen, die chinesischen Gesprächspartner seien sehr gut über die Arbeit der AfD informiert gewesen. Weidel selbst wiederum kennt China sehr gut. Sie hat sechs Jahre in der Volksrepublik gelebt, bevor sie für Goldman Sachs arbeitete. Promoviert hat sie über das chinesische Rentensystem. Heute lobt sie den Unternehmergeist der Chinesen. Und mokiert sich auf Twitter, heute X, über kritische Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock bei deren Chinareise.
Kritik an China-Strategie
Dass die AfD sich deutlich gegen einen chinakritischeren Kurs in der deutschen Außenpolitik ausspricht, dürfte für Peking sicherlich ebenso interessant sein wie die hohen Umfragewerte der Partei - aktuell würden 21 Prozent der Befragten ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten machen. Die Mitte Juli vorgelegte China-Strategie der Bundesregierung zum Beispiel kritisierte der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Petr Bystron, als den "Versuch, grün-woke Ideologie und die geopolitischen Interessen der USA unter dem Deckmantel einer Strategie für deutsche Außenpolitik durchzusetzen". Die Bezeichnung Chinas in der Strategie als Rivalen - neben Partner und Wettbewerber - ist für Bystron "die Folge des konfrontativen Kurses der USA gegenüber China. Diese Konfrontation und Spaltung sind nicht im Interesse Deutschlands als Exportnation".
Für den Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder zeigt sich in den außenpolitischen Positionen der AfD der Versuch, sich inhaltlich grundlegend von den anderen Parteien abzusetzen. In geopolitischer Hinsicht, analysiert Schroeder, habe sich für die AfD die traditionelle Westbindung mit den als Hegemon empfundenen USA überlebt: "Die AfD betrachtet Washington mehr als Teil des Problems denn als Teil der Lösung für die Herausforderungen, denen sich die Bundesrepublik gegenübersieht. Weil die AfD die USA für einen imperialen Akteur halten, dessen Eigeninteressen sich nicht mit denen der Bundesrepublik in Übereinstimmung bringen lassen", so Schroeder im DW-Interview.
Distanz zu USA
Auch in China ist die AfD-Gruppe auf Distanz zur deutschen Außenpolitik gegangen. Felser berichtet, gegenüber den chinesischen Gesprächspartnern habe man etwa geäußert, es nicht gut zu finden, "wenn man da alle in alle Herren Länder herumfährt und dann wertebasiert den anderen irgendetwas vorschreiben möchte".
Für den Politologen Schroeder ist diese Haltung keine Überraschung: "Die allgemein geäußerte Kritik an den Menschenrechten bezeichnen AfD-Politiker als vollkommen irrelevant, als vollkommen weltfremd. Für sie hat jedes Land seine eigenen Problemlagen und da gilt Nichteinmischung".
Eine Position, mit der die AfD in China sicher Freunde findet. Nach der Rückkehr von ihrer China-Reise kündigte Fraktionschefin Weidel denn auch an, den Gesprächsfaden mit Peking weiterspinnen zu wollen. Vielleicht hilft dabei, dass die AfD Ende Juli Maximilian Krah zum AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl in 2024 gekürt hat. Der sächsische Europaabgeordnete, der sich selbst dem rechten Rand seiner Partei zuordnet, ist in der Vergangenheit schon mehrfach mit ausgesprochen chinafreundlichen Aussagen aufgefallen. Vielleicht deshalb wird Krah auch gerne von chinesischen Medien interviewt, so wie im November 2022 von der "Global Times". "Die antichinesischen Kräfte in Deutschland vertreten nicht die Interessen Deutschlands", sagte Krah da. Und ergänzte: "Eine Abkopplung von China würde nur den Interessen Amerikas dienen und unserer eigenen Industrie schweren Schaden zufügen."
Verständnis für China
Der Kasseler Politologe Schroeder analysiert: "Die AfD stellt sich gewissermaßen als die authentische Kraft dar, die die deutschen Interessen in der geopolitischen Konstellation zum Tragen bringt und die die chinesische Art des Herrschens, des Lebens, der Organisation von Herrschaft versteht und akzeptiert, weil sie aus der chinesischen Entwicklung kommt."
Bisweilen gibt es allerdings auch chinakritische Töne aus der AfD: Im Januar forderte die AfD das Ende der Entwicklungszusammenarbeit mit China. Die AfD wendet sich gegen den Einsatz von Komponenten des chinesischen Mobilfunkausrüsters Huawei beim 5G-Ausbau in Deutschland. Und Anfang August wetterte der forschungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Michael Kaufmann, gegen chinesische Wissenschaftsspionage an deutschen Universitäten.