Welche Alternativen gibt es zur Klimaanlage?
29. August 2023Der Sommer in Kuwait ist erdrückend. Aus jeder Ecke in der Stadt strahlt brutale Hitze, die jede kleinste Bewegung unerträglich macht. Außer man hat Glück und lebt in einer klimatisierten Blase.
"In Kuwait sitzt man in seiner klimatisierten Wohnung oder seinem klimatisierten Auto, um zu seinem klimatisierten Arbeitsplatz oder dem klimatisierten Einkaufszentrum zu fahren", sagt Alexander Nasir, der früher in dem Golfstaat lebte. "Natürlich war das absolut schrecklich für die Umwelt, aber es war die einzige Möglichkeit, dem Inferno draußen zu entgehen."
Nassir ist 2014 nach Berlin gezogen, aber er konnte den schwülen Temperaturen nicht entkommen. Obwohl die Sommer in der deutschen Hauptstadt viel milder sind, hat er bereits Hitzewellen von bis zu 38 Grad Celsius erlebt. Temperaturen, die sich noch intensiver anfühlten, weil deutsche Wohnungen seltener über Klimaanlagen verfügen.
"Ich kann und will nicht wieder auf Klimaanlagen umsteigen", sagte er 2022 der DW "Aber es wird jedes Jahr schlimmer, und wir passen uns nicht wirklich an."
Die Nachfrage nach Kühlsystemen für Räume steigt rapide
Durch die Klimakrise sind Hitzewellen auf der ganzen Welt wahrscheinlicher und intensiver geworden. Laut NASA stiegen die Temperaturen diesen Sommer auf einen neuen Rekordwert: der Juli 2023 war der heißeste, der jemals gemessen wurde.
Schon im Jahr 2018 machte die Nutzung von Klimaanlagen und elektrischen Ventilatoren laut der Internationalen Energieagentur zehn Prozent des weltweiten Stromverbrauchs aus.
Und dies, obwohl Klimaanlagen im großen Stil gerade mal in ein paar Ländern genutzt wurden. Darunter Japan oder die USA, wo über 90 Prozent der Haushalte ein solches Kühlungssystem haben. Gleichzeitig haben in den heißesten Ländern der Welt gerade einmal acht Prozent der Menschen eine Klimaanlage.
Passive Kühlung spart Geld und Strom
Weil die Sommer immer heißer werden, wächst die Nachfrage nach Raumkühlung rasant, vor allem in Schwellenländern. Der weltweite Strombedarf könnte sich dadurch bis 2050 verdreifachen. In Indien könnte durch wachsende Urbanisierung und steigende Temperaturen der Bedarf an Klimaanlagen zweistellig steigen.
Doch gleichzeitig heizen Klimaanlagen das Klima weiter auf. Denn der Strom dafür kommt oft noch aus Öl-, Gas oder Kohleenergie, bei deren Verbrennung Treibhausgase entstehen, die die Atmosphäre erwärmen.
"Es ist ein Teufelskreis. Wir kühlen die Innenräume, aber wir erwärmen dabei die Umgebung, wodurch der Bedarf nach mehr Kühlung entsteht", sagt Sneha Sachar, stellvertretende Direktorin bei der gemeinnützigen Organisation Clean Cooling Collaborative.
Wissenschaftler weisen darauf hin, dass man diesem Kreislauf mit Methoden passiver Kühlung entkommen könnte. Sie regulieren die Temperatur, brauchen aber wenig oder gar keine Energie.
"Passive Kühlung ist so vielversprechend, weil sie nicht so teuer ist, sie verhindert außerdem die Verschärfung des Heat-Island-Effects in Städten und erhöht die Überlebensfähigkeit der Menschen, indem es die Abhängigkeit von Klimaanlagen verringert", so Alexandra Rempel, Assistenzprofessorin für Umweltdesign an der Universität von Oregon. Außerdem entlaste passive Kühlung das Stromnetz.
Einfache Lösungen für Kühlung ohne Strom
Manchmal kann gegen Hitze ganz einfach das Öffnen von Fenstern in der Nacht helfen, um kühle Luft hereinzulassen. Und tagsüber können Fensterläden, Jalousien und Markisen das Eindringen der heißen Sonnenstrahlen in die Räume verhindern.
In einer Studie fand Rempel heraus, dass allein der natürliche Luftzug die Temperatur in Innenräumen um 14 Grad Celsius senken kann. Der Einsatz von Klimaanlagen könnte so um 80 Prozent reduziert werden. Für die Studie nutzte man Daten von der Hitzewelle im Pazifischen Nordwesten von 2021, bei der hunderte Menschen starben. Die Region ist eigentlich für ihr mildes Klima bekannt.
Wenn die Methoden richtig kommuniziert und angewendet werden, könnten alte Tricks zur Kühlung einen entscheidenden Unterschied machen, so Rempel. Daran zeige sich, dass im Pazifischen Nordwesten, wo Klimaanlagen noch nicht überall installiert sind, die Anschaffung vermieden oder zumindest minimiert werden könnte. Und das obwohl extreme Hitze in Zukunft noch wahrscheinlicher sei.
Sparen mit energieeffizienten Häusern
Auch wie ein Haus gebaut ist, kann darüber entscheiden, wie warm oder kühl es drinnen ist. Sogenannte Windfänger kühlen Gebäude in Nordafrika und dem Nahen Osten seit Jahrhunderten.
Dort werden auf dem Dach Türme mit offenen Fenstern gebaut, sie leiten frische Luft nach innen und warme Luft nach außen. Auch wenn alte Windfänger kaum noch benutzt werden, funktionieren neuere Modelle nach dem selben Prinzip, auch auf modernen Gebäuden.
Andere Möglichkeiten für eine erträgliche Raumtemperatur sind Vorhänge und doppelt oder dreifach verglaste Fenster. Sie reduzieren das Eindringen von Hitze von aussen. Wer mag, kann auch einen kleinen Springbrunnen aufstellen: Das verdunstende Wasser senkt die Temperaturen.
Helle Dächer als Hitzeschutz
In Indien haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass selbst eine einfache Lösung wie Dächer mit weißer Kalkfarbe zu streichen die Innentemperaturen um zwei bis fünf Grad Celsius senken kann.
Laut Architekten ist auch die standortbezogene Planung von entscheidender Bedeutung. Wird der Wind mitbedacht, können Öffnungen am Gebäude beispielsweise so angebracht werden, dass diese durch Querlüftung gekühlt werden können.
"Sie müssen auf die Sonnenausrichtung achten und sicherstellen, dass Ihre Fassaden nicht der direkten Sonne ausgesetzt sind. Und wir bestimmen die genaue Windrichtung“, so Charles Gallavardin, Mitbegründer von Kanopea Architecture & T3 Architects. Laut Gallavardin können diese Methoden die Innentemperatur um etwa fünf Grad Celsius senken.
Hitze in Städten kühlen mit Bäumen und viel Grün
Beim passiven Kühlen geht es nicht nur darum, die Temperaturen drinnen zu senken - es geht genauso darum, die Oberfläche an der Außenseite der Gebäude und in der Umgebung zu regulieren. Denn ohne Schatten ist es für Menschen schwierig, in den Zementschluchten von Großstädten nicht zu überhitzen.
"Wenn sich die Straßen und Gehwege den ganzen Tag über aufheizen, sind diese Materialien eine perfekte Wärmespeichermasse und strahlen die ganze Nacht hindurch Wärme an die Umgebung ab", so Rempel. "Das nimmt einen Teil der nächtlichen Lüftungsressourcen weg und lässt die Klimaanlagen härter arbeiten."
Die Lösung dafür ist ganz einfach: mehr Bäume und mehr Schatten. In Medellín (Kolumbien) pflanzten die Behörden sogenannte "grüne Korridore", begrünte Passagen, die Fußgänger und Radfahrer vor der direkten Sonne schützen. Sie haben dazu beigetragen, die Durchschnittstemperaturen in der Stadt um zwei Grad Celsius zu senken.
Die japanische Hauptstadt Tokio hat Bürgersteige eingeführt, die durch eine isolierende Beschichtung kühl bleiben. Und im tropischen Singapur sorgt dichte Vegetation an einigen Wolkenkratzerfassaden dafür, dass sich diese nicht zu sehr aufheizen.
"Wenn man mindestens zehn Meter Grün an der Fassade eines Gebäudes hat, kann man die Oberflächentemperatur um fünf Grad Celsius senken", sagte Ayu Sukma Adelia, Architektin des Cooling Singapore Research Project, gegenüber der DW.
In Barcelona versucht die Stadtverwaltung die Temperaturen zu senken, indem sie in einem Teil der Stadt Fußgängern und Radfahrern Vorrang vor hitzeproduzierenden Autos einräumt. Forscher gehen davon aus, dass die Verkehrsberuhigung dort jedes Jahr 117 hitzebedingte Todesfälle verhindern würde.
Großstädte kühlen mit Fernkälte-Netzen
Ein weiterer Ansatz besteht darin, ganze Stadtteile mit riesigen Kühlaggregaten zu kühlen. Singapur verfügt über die nach eigenen Angaben größte unterirdische Klimaanlage der Welt, die Wohngebäude, Banken, Einkaufszentren und ein ikonisches Hotel kühlt. Dabei wird Wasser 25 Meter unter der Erde gekühlt, bevor es durch eine Reihe von Gebäuden geleitet wird.
Fernkühlung kann im Vergleich zu herkömmlichen Klimaanlagen 50 Prozent Energie und Emissionen einsparen. Davon profitieren inzwischen Städte weltweit wie Toronto, Paris, Hongkong oder München .
Für Alexander, der gerade einen besonders heißen Tag in Berlin erlebte, klingt die Idee der passiven Kühlung verlockend.
"Ich begrüße jede Lösung, damit ich nicht mehr schwitzen muss", sagt er, während er in einem dunklen Raum sitzt und sich mit Wasser besprüht.
Dieser Artikel erschien am 18. Juli 2022. Am 29.8.2023 wurde der Artikel aktualisiert und Techniken der passiven Kühlung hinzugefügt. Adaption aus dem Englischen von Tim Schauenberg und Gero Rueter.