Politiker-Nebentätigkeiten
25. Oktober 2012Die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) hat Deutschland zwar im Jahr 2003 unterzeichnet, aber seit neun Jahren nicht in eigenen Gesetzen verankert. Die Beeinflussung von Abgeordneten über Geldzahlungen, Beraterverträge oder lukrative Nebenjobs bleibe daher nahezu folgenlos, meint der Geschäftsführer von Transparency International in Deutschland, Christian Humborg: "Das ist eine Schande für einen demokratischen Staat wie die Bundesrepublik." Deutschland verhalte sich damit nicht anders als Staaten wie Sudan, Somalia oder Syrien.
Bestechung kaum nachweisbar
In Deutschland stellt seit 1994 einzig der Paragraf 108e im Strafgesetzbuch den direkten Kauf oder Verkauf der Stimme eines Mandatsträgers unter Strafe. Es drohen eine Geldbuße oder bis zu fünf Jahre Gefängnis. Dazu müssten aber Geldzahlungen an ein Parlamentsmitglied im Vorfeld einer Abstimmung nachgewiesen werden. Das ist bisher in keinem einzigen Fall auf Bundesebene gelungen. Lediglich ein Mitglied des Stadtrates in Neuruppin konnte überführt werden, ein Darlehen angenommen zu haben, um im Gegenzug ein Hotelprojekt zu befürworten. In sechs ähnlichen Fällen werde in Nordrhein-Westfalen wegen Korruption ermittelt, so Humborg von Transparency International mit.
Führende Staatsanwälte, der Bundesgerichtshof und selbst deutsche Export-Unternehmen fordern daher, ein strenges Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung, um international glaubwürdig zu sein. Denn alle Fälle von sogenannten "Dankeschön-Prämien" an Abgeordnete oder Dritte werden bisher nicht verfolgt. Fließt also Geld, nachdem ein Mandatsträger im Sinne der Geldgeber abgestimmt hat, wird dies nicht als Beeinflussung bewertet. Auch viele Geschenke und Einladungen gelten bisher als völlig legale Zuwendungen, die den "parlamentarischen Gepflogenheiten" entsprechen würden. "Die bisherigen laschen Regelungen umfassen tausende Mandatsträger, bei denen Fehlverhalten nicht geahndet werden kann", ergänzt Humborg. Der Geschäftsführer von Transparency Deutschland verweist darauf, dass heute nur noch selten Geldscheine auf den Tisch gelegt würden. Eher werde mit lukrativen Aufsichtsratsposten, Beraterverträgen oder sonstigen Jobangeboten gelockt.
Nebenjobs machen Abgeordnete angreifbar
Seit Jahren schon werden deshalb die Nebentätigkeiten von Abgeordneten öffentlich kritisiert. 22,5 Millionen Euro sollen Bundestagsabgeordnete seit dem Jahr 2009 mit ihren Nebentätigkeiten verdient haben. Dazu hat die private Organisation "abgeordnetenwatch.de" die Listen des Bundestags ausgewertet und nachgerechnet. Alle Abgeordneten sind verpflichtet, ihre Nebentätigkeiten dem Bundestagspräsidenten zu melden. Von 620 Abgeordneten gehen immerhin 193 offiziell einem Nebenjob nach.
Eine Beeinflussung im Sinne einer Bestechung sei dann denkbar, wenn die Einnahmen aus den Nebentätigkeiten die Einkünfte als Abgeordneter um ein Vielfaches übersteigen, sagt Gregor Hackmack von "abgeordnetenwatch.de". In solchen Fällen könne man auch davon ausgehen, dass das Abgeordnetenmandat leide. Als bekannt wurde, dass der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück allein mit Vorträgen angeblich rund 500.000 Euro verdient haben soll und seine Nebeneinkünfte 2009 fast 700.000 Euro ausmachten, ging ein Aufschrei durch den Bundestag. Vor allem die Regierungsparteien CDU und FDP empörten sich.
"Das ist reine Heuchelei", sagt Hackmack und verweist auf die Top-Verdiener bei den Nebentätigkeiten. "Die sind eher bei Union und FDP zu finden“. Bis heute haben sich die Parteien nicht auf mehr Transparenz bei den Nebentätigkeiten einigen können. Seit 2005 gibt es erst eine Regelung, die besagt, dass Einkünfte aus Nebentätigkeiten gemeldet werden müssen. Allerdings existiert nur ein Stufensystem, bei dem in der höchsten Stufe keine genauen Summen angegeben werden müssen. Da heißt es dann nur "verdient mehr als 7000 Euro". "Wer das ankreuzt, kann theoretisch Millionen verdienen", kritisiert Hackmack. Neben Transparency International setzt sich auch seine Organisation "abgeordnetenwatch.de“ dafür ein, dass Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf den Cent genau angegeben werden müssen. Nur so könne sich der Wähler ein Bild machen und entscheiden, inwieweit er einen Volksvertreter noch für glaubwürdig hält.
Ablehnung strenger Vorschriften bröckelt
Uwe Schummer ist Abgeordneter der CDU und damit Angehöriger einer Partei, die sich strikt gegen schärfere Vorschriften zu Nebentätigkeiten und Abgeordnetenbestechung ausgesprochen hat. Schummer erklärt die ablehnende Haltung seiner Partei damit, dass viele seiner Kollegen eine Klagewelle befürchten. Schon eine Flasche Champagner als Geschenk könnte als Bestechungsversuch angesehen werden.
Dabei dürfen Beamte im öffentlichen Dienst nicht einmal mehr einen Kugelschreiber als Werbegeschenk annehmen, geschweige denn größere Präsente. Für Amtsinhaber existieren schon seit einigen Jahren schärfere Gesetze. Warum nicht auch für Mandatsträger?
Strengere Gesetze werden kommen
Der öffentliche Druck ist inzwischen so groß geworden, dass sich die Fraktionen im Bundestag intensiver mit beiden Themen beschäftigen. An diesem Donnerstag (25.10.2012) traf sich die Rechtsstellungskommission des Bundestages, um einen Kompromiss im Streit über schärfere Transparenzrichtlinien für die Nebeneinkünfte zu finden. Mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP beschloss die Kommission, das bisherige Stufenmodell zu erweitern - von bislang drei Stufen auf zehn Stufen. Die Opposition hatte darauf gedrängt, dass Nebeneinkünfte künftig auf Euro und Cent genau offengelegt werden müssen. Schwierigkeiten erwartet Hackmack von "abgeordnetenwatch.de" bei einer Einigung auf Regeln für die Abgeordnetenbestechung.
Dass es auch mit strengeren Auflagen geht, zeigt die internationale Praxis. In den USA müssen Kongressabgeordnete und Senatoren alles offen legen. Alle Einkünfte, alle Schulden und selbst die Fremdzahler von Mahlzeiten. Für Ehepartner und Kinder gilt dasselbe. In Großbritannien wird alles überprüft, was ein Prozent der Einkünfte als Abgeordneter übersteigt. In Spanien dürfen Volksvertreter nicht für Firmen arbeiten, die Aufträge vom Staat erhalten. In Italien können hohe Regierungsmitglieder keine Unternehmen mehr nebenher führen. Estland verbietet kategorisch Aufsichtsratsmandate. Und Mitglieder der EU-Kommission dürfen gar keine Nebentätigkeiten ausüben.