Das "Dschungelbuch" - neu verfilmt
5. April 2016Am Anfang des neuen "Dschungelbuchs" kommt alles andere als Gemütlichkeit auf: düstere computergenerierte Dschungellandschaften füllen in atemberaubender 3D-Detailgenauigkeit die Leinwand, der kleine Mogli irrt mutterseelenallein durch die Wildnis. Man ahnt, dass die Abenteuer des kleinen Jungen nicht lustig werden.
Nur die Hauptfigur Mogli wird von einem echten Menschenaus Fleisch und Blut (Neel Sethi) gespielt. Alle anderen Lebewesen im Disney-Dschungel sind computeranimierte Tiere - die aber sprechen können wie Menschen. Die menschlichen Mimik-Adaptionen sind genial, alle Dialoge finden auf Augenhöhe statt – quasi von Mensch zu Mensch, egal ob die Wortwechsel zwischen Freund oder Feind stattfinden. Nur schade, dass die berühmten Songs eher spärlich eingesetzt sind. Gute Laune wie im Klassiker von 1967 kommt da nicht mehr auf.
Starbesetzung der Stimmen
Herausragend besetzt sind die amerikanischen Synchronstimmen: Oscarpreisträger Ben Kingsley ("Ghandi") leiht dem schwarzen Panther Baghira, der Mogli auf Schritt und Tritt zu beschützen versucht, seine sonore Stimme. Bill Murray gibt Bär Balu - Moglis bestem Freund - stimmlich die heitere Gemütlichkeit, mit der die beiden fröhlich naiv die Welt des Müßiggangs entdecken.
Der gefährliche Tiger Shir Khan wird von dem britischen Schauspielstar Idris Elba gesprochen. Und Affenkönig King Louie bekommt durch die hintergründige Tonlage von Christopher Walken die lauernde Hinterlist, die Mogli erst spät die Falle erkennen lässt, in die er getappt ist.
Der 11-jährige Neel Sethi gibt der Hauptfigur mit erstaunlicher Professionalität ihren naiv-frechen Grundton, der die Tiere des Dschungels staunen lässt über dieses kleine Menschenkind. Die Schlange Kaa umgarnt Mogli mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme - im amerikanischen Original mit Scarlett Johansson genial besetzt - bis der kleine Junge nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Die deutschen Synchronstimmen erreichen - bis auf Schauspieler Armin Rohde, der den Balu spricht - bei weitem nicht diese Weltklasse.
Mehr Actionfilm als Familienkino
Knapp zwei Stunden lässt Regisseur Jon Favreau ("Iron Man") Mogli durch einen bedrohlichen, computeranimierten Dschungel irren und durch Schluchten und Urwälder jagen. In seinen 3D-Untiefen erscheint auf der Leinwand alles ungeheuer detailreich - ein Actionfilm zum Mitkämpfen. Verfolgt wird der kleine Mogli vom bösartig grimmigen Tiger Shir Khan, der Menschen hasst und ihnen nach dem Leben trachtet. Moglis dicker Freund Balu kommt manches Mal außer Atem, wenn er das übermütige Menschenkind vor den überall lauernden Gefahren des Urwaldes beschützen will.
Der Zeichentrick-Klassiker von Von Walt Disney von 1967 war bunt, lustig und ausgesprochen harmlos, die Neuverfilmung 2016 ist düster und spannungsreich wie ein Actionthriller. Kein Kinderfilm, obwohl er in Deutschland von der FSK ab 6 Jahren freigegeben ist. Der Kampf zwischen Baghira und Shir Khan wird zum mörderischen Zweikampf, der heftiges Herzklopfen auslöst. Mogli entkommt vielen lebensgefährlichen Situationen nur mit knapper Not - und einem mutigen Sprung in die Tiefe. Nichts für die zarten Gemüter kleinerer Kinder.
"Feuerwaffen" als Inbegriff der Macht
Neu und als Rolle ganz anders angelegt als im historischen Zeichentrickfilm von Disney sind die Schlange Kaa und Affenkönig King Louie. Zum ersten Mal trägt die hypnotisch säuselnde Riesenpython weibliche Züge: Kaa verkörpert die gefährlichste Verführung des Menschenjungen. Nur in allerletzter Sekunde wird Mogli aus ihrer erdrückenden Umarmung vor dem Ersticken gerettet und kann fliehen.
Der Affenkönig tritt in dem Remake als böse, rachsüchtige Figur in Szene. Er fordert, dass Mogli ihm die "Rote Blume", das Feuer der Menschen, in seinen verrotteten Palast bringt, damit er die Herrschaft im Dschungel endgültig an sich reißen kann. Der Song "I wanna be like you" bekommt im Remake von Regisseur Jon Favreau einen völlig anderen Bezug: Der Besitz von "Feuerwaffen" ist hier der Inbegriff der Macht.
Vor allem in Amerika wurden der Figur des Affenkönigs immer wieder rassistische Untertöne unterstellt. Im Zeichentrickfilm von 1967 war ursprünglich der schwarze Jazzmusiker Louis Armstrong für die Stimme von King Louie vorgesehen, für die Songs hätte das perfekt gepasst. Aber die Disney-Studios fürchteten, das könne als politischer Affront gegen die Afro-Amerikaner ausgelegt werden.
In der aktuellen Neuverfilmung legt US-Schauspieler Christopher Walken die Rolle stimmlich ganz klar als Machthaber und hinterhältigen Bösewicht an - und hebelt damit alle Rassismusvorwürfe von vornherein aus.
Weiteres "Dschungelbuch" kommt 2017
2017 wird es noch ein Remake des Klassikers im Kino geben. Während die aktuelle Disney-Version auf die Stimmen großer Hollywoodstars setzt, zieht Regisseur Andy Serkis (Gollum in "Der Herr der Ringe") bei seinem Remake mit ausgeklügelter Motion-Capture-Technik nochmal alle Register der Animationstechnik. Die Bewegungen der Schauspieler werden per Computer aufgezeichnet und auf animierte Tiere übertragen.
Auch in diesem "Dschungelbuch" werden Hollywoodstars dabei sein: Christian Bale ("Batman") als Panther Baghira und die mehrfache Oscarpreisträgerin Cate Blanchett ("Carol") als verführerisch gefährliche Schlange Kaa - auch hier keine kulleräugige Boa Constrictor mehr, wie in dem alten Zeichentrickfilm von 1967, sondern ein echtes Biest - hypnotisch schön.
Jon Favreaus Disney-Neuverfilmung des weltberühmten Stoffes kommt am 15. April 2016 in die Kinos.