Abchasien und Russland
24. August 2014Es war lange still um Abchasien. Die kleine Schwarzmeerregion hatte sich Anfang der 1990-er Jahre in einem blutigen Konflikt von Georgien losgesagt. 2008 erklärte sie sich nach dem fünftägigen russisch-georgischen Krieg für unabhängig. Seitdem wurde immer wieder spekuliert, ob und wann Russland, das dorthin regelmäßig Hilfsgelder überweist und dort Truppen stationiert hat, diese Region enger an sich binden will. Insbesondere nach der Krim-Annexion im März verstärkten sich Spekulationen über russische Pläne für weitere Gebietsanschlüsse im postsowjetischen Raum.
Die Straßenproteste Ende Mai dieses Jahres in Abchasien, die den amtierenden Präsidenten Alexandr Ankwab zum Rücktritt zwangen und damit die vorgezogenen Wahlen am 24. August auslösten, sorgten für weitere Verwirrung. Aber wird Abchasien nach der Wahl tatsächlich eine noch engere Bindung oder gar den Anschluss an Russland anstreben? Im Gegensatz zur Krim habe Moskau offensichtlich nicht vor, sich Abchasien einzuverleiben, meinen Beobachter.
Experten erwarten keine Annexion
Man könne keine Parallele zwischen der Krim und Abchasien ziehen, sagt der russische Kaukasus-Experte Wadim Muchanow im DW-Interview. Abchasien, so der Politologe aus dem staatlichen Moskauer Institut für internationale Beziehungen, habe im Unterschied zu anderen Regionen wie Südossetien, das sich ebenfalls von Georgien losgesagt hat, gute Chancen als eigener Staat zu bestehen.
Auch der georgische Politologe Mamuka Areschidze glaubt nicht an einen Anschluss an Russland. "Die Krim ist für Moskau viel wichtiger. Nun steht an erster Stelle der Regionen, die sich Russland einverleiben will, wohl Südossetien. Ein wichtiger Grund ist auch, dass die Abchasier den Anschluss nicht wollen", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Russland werde im Kaukasus kein weiteres Territorium annektieren, glaubt hingegen der Experte Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Zunächst weil es die internationalen Spannungen noch erhöhen würde und weil es in Russland zunehmend Stimmen dagegen gibt, den Kaukasus näher heranrücken zu lassen. Es gibt Vorbehalte dagegen, sich Abchasien oder Südossetien einzuverleiben", sagt Halbach der DW.
Problem der Abhängigkeit
Heute sind Abchasien und Südossetien praktisch Militärprotektorate Moskaus. "Russland hat dort Truppen im Umfang von bis zu 8000 Mann stationiert und garantiert diesen beiden De-facto-Staaten Schutz gegenüber Georgien. Russland hält die Hand über die beiden Territorien, um seinen Einfluss im Südkaukasus, das es nach dem Georgienkrieg zu seiner privilegierten Zone erklärt hat, zu wahren", so Halbach über den Status quo in der Region.
Einer der Auslöser der Proteste in Abchasien Ende Mai war auch der Unmut über eine zu enge Bindung an Russland. In der Wahlkampagne hätten allerdings alle Präsidentschaftskandidaten das Thema Russland ausgeblendet, hat die russische Wochenzeitschrift "Kommersant-Wlast" beobachtet. Denn sollte ein Kandidat sich in irgendeiner Weise gegen Moskau aussprechen, könnte er womöglich die Unterstützung des Kremls verlieren. Unterstützte er aber die weitere Annäherung an Russland, drohten ihm Verluste bei den Wählerstimmen, so die Erklärung. Vermutlich weil die Abchasier einen eigenständigen Weg zu favorisieren scheinen.
Wer hat die besten Chancen?
"Die Wetten laufen nun darauf hinaus, dass Oppositionsführer Raul Hadschimba sich bei dieser Wahl wohl durchsetzen wird. Was sein Verhältnis zu Russland betrifft, hat er eine sehr wechselhafte politische Biografie", erklärt Uwe Halbach. Vor zehn Jahren galt Hadschimba noch als Kandidat Russlands: "In der Zwischenzeit hat er sich aber Russland-kritisch geäußert und die enge Anlehnung an Russland in Frage gestellt."
Keinen der Kandidaten könne man eindeutig als prorussisch bezeichnen, meint Wadim Muchanow. Moskau habe keine Präferenzen, so der Experte. Muchanow erwartet, dass es eine Stichwahl geben wird. Neben Hadschimba hätten noch zwei weitere Kandidaten Chancen auf das Amt, Geheimdienstchef Aslan Bschania und General Mirab Kischmaria.
Wer auch immer am Ende Präsident wird, Uwe Halbach erwartet "keine dramatischen Veränderungen" in Abchasien. "Aber ich sehe auch nicht, dass die grundlegenden Probleme dieses De-facto-Staates gelöst werden". Obwohl Russland sehr viel Geld in beide Republiken investiert habe, sei bisher von einer wirtschaftlichen Erholung überhaupt keine Rede: "Es leben noch immer Menschen in zerstörten Behausungen und provisorischen Verhältnissen." Das erzeuge Unmut in der Gesellschaft. Die Kritik an dieser Situation sei genauso groß wie die Sorge über eine zu große Abhängigkeit von Russland. Klar scheint aber auch: "Jeder, der gewinnt, wird mit Russland arbeiten müssen, weil es der Sicherheitsgarant und wichtigster Geldgeber für Abchasien ist", resümiert Muchanow.