Air Berlin hat Flugbetrieb eingestellt
28. Oktober 2017Eigentlich ist es "nur" eine Unternehmenspleite, doch in diesem Fall ist es das Ende einer Ära: Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel ist dort auch der letzte Flieger der nun insolventen Fluggesellschaft gelandet. Flug AB6210 aus München war ausgebucht.
Erinnerung an die Schokoherzen
Der Flughafen Tegel öffnete an diesem Abend länger die Besuchertrasse, die normalerweise um 20.00 Uhr schließt. Die Aussichtsplattform war randvoll - hunderte Schaulustige wohnten der Landung des Airbus A320 bei. Einige brachten Wehmut zum Ausdruck: "Ich bin immer gerne mit Air Berlin geflogen, das hatte immer so ein gewisses Etwas, zum Beispiel mit den Schokoherzen", sagte ein Besucher. "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Aber es ist traurig, dass diese traditionsreiche Marke vom deutschen und internationalen Flugmarkt verschwindet."
Die Flughafen-Feuerwehr empfing die Maschine mit Wasserfontänen. Vor dem Abflug hatte die Crew aus einem Fenster des Cockpits eine Fahne mit dem Emblem von Air Berlin und den Worten " ... sagt Tschüss" gehalten. An Bord des letzten rot-weißen Flugzeugs war auch der langjährige Unternehmenschef Joachim Hunold. Die 1979 gestartete Airline hatte Mitte August Insolvenz angemeldet und wird nun zu großen Teilen von der Lufthansa übernommen. "Air Berlin bedankt sich an diesem traurigen Tag bei allen Mitarbeitern, Partnern und Passagieren, die uns über die vielen Jahre ihr Herz und ihre Treue geschenkt haben", teilte das Unternehmen mit.
Von heute auf morgen fallen nun rund 250 Verbindungen weg. So viele Flüge hatte die Gesellschaft zuletzt noch im Durchschnitt täglich im Programm, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage mitteilte. Vor dem Insolvenzantrag Mitte August seien es täglich etwa 450 gewesen. Seit 1979 habe die Airline mehr als eine halbe Milliarde Passagiere befördert.
Was macht der Marktführer?
Marktführer Lufthansa, der zeitweise sehr unter der Preispolitik von Air Berlin zu leiden hatte, will die beiden Töchter Niki und LGW sowie weitere 20 Jets übernehmen, sofern die Kartellbehörden zustimmen. Niki und LGW sind nicht insolvent und fliegen weiter.
Easyjet greift zu
In der Nacht wurde dann mitgeteilt, dass die britische Fluggesellschaft Easyjet einige Unternehmensteile der insolventen Fluglinie am Standort Berlin-Tegel kauft. Die Vereinbarung sieht die Übernahme von 25 Flugzeugen vor, die bislang zur Air-Berlin-Flotte gehörten, wie Easyjet in London erklärte. Die Maschinen vom Typ A320 waren geleast, Easyjet will nach eigenen Angaben ebenfalls Leasingverträge abschließen. Für das Geschäft soll Air Berlin 40 Millionen Euro erhalten. Außerdem will Easyjet Mitarbeitern des Flugpersonals von Air Berlin Arbeitsplätze anbieten.
Der Generalbevollmächtigte im Insolvenzverfahren bei Air Berlin, Frank Kebekus, hatte im ZDF erklärt, er gehe davon aus, "dass wir 70 bis 80 Prozent der Arbeitsplätze überleiten können". Er räumte aber auch ein, dass viele Beschäftigte vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Bis zu 3000 Mitarbeiter sollen bei der Lufthansa-Tochter Eurowings unterkommen. Davon sollen rund 1700 Mitarbeiter mit Niki und LGW direkt übernommen werden, auf die anderen 1300 Stellen können sich Interessenten bewerben. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit kritisierte, statt eines geregelten Übergangs gebe es für viele Mitarbeiter nur die Möglichkeit, sich erneut "auf ihre eigenen Jobs, aber zu schlechteren Konditionen" zu bewerben. "Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar."
"Moralische Verpflichtung"
Laut der Zeitung "B.Z." (Samstagausgabe) hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Lufthansa, Easyjet und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in Briefen um Unterstützung für eine Transfergesellschaft gebeten, in der vorübergehend 1200 Verwaltungsmitarbeiter von Air Berlin unterkommen sollen. Namentlich die Lufthansa habe "als Käufer und führende Gesellschaft des deutschen Luftverkehrs eine moralische Verpflichtung", auch für das Bodenpersonal der insolventen Firma Verantwortung zu übernehmen, zitiert das Blatt aus Müllers Schreiben. Zuvor waren Gespräche zwischen mehreren Bundesländern und dem Bund zur Gründung einer großen Auffanggesellschaft für bis zu 4000 Beschäftigte gescheitert.
ml/kle (dpa, afp)