Woody Allen wird 85!
1. Dezember 2020Cate Blanchett, Emma Stone, Kate Winslet, Joaquin Phoenix und immer wieder Scarlett Johansson: In den zahlreichen Kinofilmen des US-amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Woody Allen spielt die Crème de la Crème der Hollywood-Stars mit - und gelegentlich auch er selbst.
Der 1935 in New York geborene Allen wurde mit zahlreichen großen Preisen bedacht - darunter vier Oscars, einige Golden Globes und mehrere Auszeichnungen für sein Lebenswerk, zuletzt 2014 der Cecil B. DeMille Award, eine Auszeichnung des Verbands der Hollywood-Auslandspresse.
Doch Allen hat sich nicht nur in der Filmbranche einen Namen gemacht. Er ist auch Musiker - mit seiner Band "The Eddy Davis New Orleans Jazz Band" war er sogar schon auf Europa-Tournee - und Schriftsteller: Erzählungen und Theaterstücke sind nur einige der literarischen Formen, in denen er sich bereits ausprobiert hat.
Von roten Fäden in Woody Allens Filmen
Dem Biograph Stephan Reimertz zufolge hat Allen in seinem mittlerweile fünfzig Filme zählenden Werk "die kollektiven Themen des zwanzigsten Jahrhunderts" verhandelt. "Er spiegelt die Mittelschicht mit ihren Komplexen wie Geld, Sex, Kultur und Psychoanalyse, mit ihren immer neuen Prüfungen des Selbstwertgefühls. Entsprechend der plebejischen Tradition der Komödie findet er in den scheinbar kleinen Alltagsproblemen der middle-class jene allgemein menschlichen Ängste vor dem Versagen, dem Untergang und dem Tod."
Allens Filme sind häufig angesiedelt in der Metropole New York - wie etwa "Manhattan" (1979), "Broadway Danny Rose" (1984), "Alle sagen: I love you" (1999), "Blue Jasmine" (2013) oder "A Rainy Day in New York" (2019). Die Stadt kannte der als Allan Stewart Konigsberg Geborene von Kindesbeinen an, war er doch im jüdisch geprägten New Yorker Stadtviertel Flatbush aufgewachsen, das sich allerdings schon damals zu verändern begann, als viele schwarze Menschen dorthin zogen. Diese Veränderung bleibt jedoch in seinen Filmen, deren Protagonisten meist die weiße Mittelschicht verkörpern, unberücksichtigt.
Filme über Filmemacher und die Filmbranche
Den Schauplatz seiner Filme verlegte der gealterte Allen zu Beginn des neuen Jahrtausends vornehmlich in europäische Metropolen wie Barcelona, Paris oder Rom. In seinem 2019 veröffentlichten Film "A Rainy Day in New York" wechselte er jedoch wieder in seine Heimatstadt. Dieser Film, wie auch sein jüngster - "Rifkin's Festival" (2020) - kreisen um das Filmbusiness. Während in "A Rainy Day in New York" eine Studentin für eine Unizeitung einen alternden Star-Regisseur in Manhatten interviewen darf, spielt die neue Komödie beim Filmfest von San Sébastian - dem Ort der tatsächlichen Weltpremiere 2020.
Dass die eigene Branche vorkommt, ist keine Seltenheit in Woody-Allen-Filmen. Berühmtestes Beispiel dafür ist einer seiner früheren Filme: In "The Purple Rose of Cairo" (1985) verschmelzen Realität und Filmwelt miteinander, indem die eigentlich beide Ebenen trennende Kinoleinwand durchlässig wird.
Ein Missbrauchsvorwurf überschattet Woody Allens filmisches Wirken
Über Woody Allen zu berichten, heißt auch, zu berücksichtigen, dass sein Image als produktiver Künstler und ausgezeichneter Filmemacher besonders in den vergangenen Jahren Schaden genommen hat - und zwar durch einen Vorwurf, der aus seinem Privatleben rührt: Bereits in den 1990er-Jahren beschuldigte ihn seine frühere Lebensgefährtin Mia Farrow des sexuellen Missbrauchs an der Adoptivtochter Dylan Farrow. Allen, der die Anschuldigung stets bestritt, verlor durch den Vorwurf zwar das Sorgerecht, strafrechtliche Konsequenzen blieben aber bis heute aus.
Als Dylan Farrow die Anschuldigung 2014 in einem offenen Brief wiederholte, der in einem Blog der New York Times veröffentlicht wurde, begann in der Branche ein Umdenken, das seit 2017 von der einsetzenden MeToo-Debatte unterstützt wurde. Namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler wandten sich von Allen ab, darunter Colin Firth und Natalie Portman. Andere, die in der Zwischenzeit in einem seiner Filme zu sehen gewesen waren, äußerten ihr Bedauern darüber - etwa Greta Gerwig ("To Rome with Love", 2012). Timothée Chalamet ("A Rainy Day in New York", 2019) entschied sich gar dazu, seine Gage unter anderem der Bewegung "Time's up" zu spenden, die sich gegen sexuelle Belästigung und Missbrauch engagiert.
Die romantische Komödie mit Chalamet in einer der Hauptrollen war Teil eines zwischen den Amazon Studios und Allen geschlossenen Deals, den der US-Konzern 2018 wegen des Missbrauchsvorwurfs zunächst platzen ließ. In den USA lief der Film daraufhin nicht in den Kinos, er wurde erst im Oktober 2020 veröffentlicht - in Europa startete er immerhin 2019. Woody Allen sah sich veranlasst, gerichtlich gegen die Amazon Studios vorzugehen.
Auch die anderen Schaffensbereiche Allens sind betroffen
Die Musik und die Schriftstellerei blieben ebenfalls nicht unberührt vom Wirbel um den erneut geäußerten Vorwurf. Während eines der Konzerte des Klarinettisten Allen mit seiner Band in der Hamburger Elbphilharmonie 2017 von einer Femen-Aktion für Gewaltopfer gestört worden war, wurden seine Buchveröffentlichungen in den USA stärker beeinträchtigt als beispielsweise in Deutschland. So blies sein US-amerikanischer Verlag Hachette die für April 2020 geplante Publikation der Autobiografie "Apropos of Nothing" ab, während die deutsche Übersetzung regulär erschien.
Hachette-Verlagsmitarbeiter hatten die Entscheidung Anfang März mit Streiks in New York und Boston bewirkt. Auch Dylan Farrows Bruder, Ronan Farrow, der ebenfalls mit seinem Vater zerstritten ist und bei Hachette einen Bestseller über den Weinstein-Skandal veröffentlichte, hatte sich gegen die US-Publikation der Allen-Memoiren ausgesprochen. Die solidarische Aktion der Hachette-Mitarbeiter freute Dylan Farrow, wie sie auf Twitter bekundete:
Auch in Deutschland erscheinen die Werke von Vater und Sohn im selben Verlag. Anders als Hachette, druckte Rowohlt Allens Memoiren. Obwohl es auch hier zu einer öffentlich bekundeten Ablehnung gekommen war, wurden sie unter dem Titel "Ganz nebenbei" regulär im April 2020 herausgegeben.
Nicht alle sind gegen Woody Allen
Die Schauspielerin Scarlett Johansson hält weiterhin öffentlich zu ihrem Freund Woody Allen, dem sie maßgeblich ihre Hollywood-Karriere verdankt - war sie doch mit "Match Point" (2005), "Scoop" (2006) und "Vicky Cristina Barcelona" (2008) in gleich drei seiner Filme vertreten. Nach einem Interview mit dem "Hollywood Reporter", in dem sie beteuert hatte, Allens Version zu glauben, relativierte sie allerdings noch 2019 in der "Vanity Fair", dass dies nicht bedeute, niemals auf Seiten anderer Frauen oder Opfer sexuellen Missbrauchs zu stehen. Ihrer Meinung nach sei immer der Einzelfall zu betrachten.
Auch Oscarpreisträger Christoph Waltz (für seine Rollen in "Inglourious Basterds" 2010 und in "Django Unchained" 2013) verweigert die Zusammenarbeit mit Allen nicht. In der jüngsten Allen-Komödie spielt er die Rolle des "Death". Und dass Elle Fanning, eine der Protagonistinnen in Allens Kinofilm vom vergangenen Jahr, "A Rainy Day in New York", anders als Kollege Chalamet, ihre Gage nicht für wohltätige Zwecke spendete, kann man als Statement für Allen verstehen. Jude Law, der ebenfalls darin mitgewirkt hatte, verteidigte den Film öffentlich. Ansonsten hielt er sich aber zurück, da es eine "private Angelegenheit" Allens sei, über die schon genug gesagt worden wäre.
Nun wird Woody Allen - "Hänfling, Nervenbündel, Intellektueller, Antityp, Skandalnudel, Hysteriker, Frauenjäger, Philosoph und Kultfigur", wie ihn Biograph Reimertz nennt - 85.