23.000 Todesfälle durch Kohlekraft in der EU
5. Juli 2016Kohlekraftwerke sind schädlich für das Klima, sie machen aber auch krank. Das besagt zumindest eine aktuellen Studie laut der in der EU pro Jahr rund 23.000 Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung aus der Kohlekraft sterben. Das sind etwa 3000 weniger als im europäischen Straßenverkehr (26.000). Herausgeber der Studie sind die Umwelt- und Gesundheitsorganisationen World Wide Fund For Nature (WWF), das Climate Action Network Europe (CAN), Sandbag und die Health and Environment Alliance (HEAL), die sich gegen Energie aus Kohlekraftwerken einsetzen.
Als Hauptfaktor für Erkrankungen und sogar den vorzeitigen Tod gilt vor allem der Feinstaub aus den Kraftwerken. Die giftigen Partikel gelangen über die Atemwege ins Blut und schädigen Herz, Kreislauf und Lunge und sind nach Angaben der Autoren für rund 19.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr in den 28 EU-Mitgliedstaaten verantwortlich.
Belastend sind zudem noch Stickstoffdioxid (3800 vorzeitige Todesfälle) und Ozon (200). Genauere Angaben über die Folgen durch die Freisetzung von über 12 Tonnen Quecksilber pro Jahr aus den Kohlekraftwerken gibt es in der Studie nicht.
Der Bericht basiert auf Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Gesundheitsrisiken durch Luftverschmutzungen. Die Autoren werteten zudem die offiziellen Daten von 257 der 280 Kohlekraftwerke in Europa aus und fütterten ein spezielles Computerprogramm mit Wetterdaten und ermittelten so die grenzüberschreitende Belastung durch Kohlekraftwerke in Europa.
Laut der Studie 'Europe's dark cloud' sind die Menschen in der Nähe von Kohlekraftwerken stärker betroffen, aber auch Bürger aus Nachbarländern, die mehr als 1000 Kilometer entfernt wohnen.
An der Spitze der Staaten, von denen die größten Belastungen ausgehen, sieht die Studie Polen. Die polnischen Kraftwerke sollen demnach jährlich europaweit für 5830 vorzeitige Todesfälle verantwortlich sein, gefolgt von Deutschland mit 4350 Fällen sowie Großbritannien (2860), Rumänien (2170) und Bulgarien (1570).
Gesundheitskosten durch Kohlekraft
Der Report beziffert auch die Gesundheitskosten, die durch die Luftverschmutzung der Kohlekraftwerke in der EU entstehen, die Kosten für Krankenhausaufenthalte, Arbeitsausfälle, chronischer Bronchitis und vorzeitigen Tod.
Nach Berechnungen der Autoren waren die Kohlekraftwerke in Europa 2013 für rund 11.800 neue Fälle von chronischer Bronchitis, 21.000 Krankenhauseinweisungen und 6,5 Millionen zusätzliche Krankheitstage verantwortlich und verursachten zusammen mit den vorzeitigen Todesfällen Gesundheitsschäden von rund 33 Milliarden Euro in 2013.
Die Kosten könnten aber auch noch wesentlich höher sein. "Langfristige Gesundheitskosten, die zum Beispiel durch Herzkreislauferkrankungen entstehen, sind in dieser Studie nicht enthalten, diesbezüglich gibt es noch keine gesicherten Daten", erklärt Koautorin Julia Huscher von der Organisation Health and Environment Alliance (Heal). "Deshalb sind unsere Zahlen und Annahmen konservativ", so Huscher gegenüber der DW.
Kohleausstieg soll Gesundheit und Budget schützen
Das Schließen von Kohlekraftwerkenwäre für die Menschen vor Ort und in der weiteren Umgebung laut Studie ein großer Vorteil: So könnte der in Großbritannien bis 2025 geplante Kohleausstieg auf der Insel rund 1500 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindern und auf dem europäischen Festland noch mal 1300. Und ein deutscher Kohleausstieg könnte laut Studie in der Bundesrepublik jedes Jahr rund 1900 vorzeitige Todesfälle verhindern und im Ausland sogar 2500.
Die Autoren hoffen, dass der Report ein Anstoß für eine bessere Luftreinhaltung in Europa ist und empfehlen der Politik die Einbeziehung aller Kosten bei der Entscheidung. Würden diese externen Kosten mit einbezogen, "so würden sich die Kosten für Strom aus Kohle verdoppeln oder verdreifachen", heißt es im Report.
Verschiedene internaionale Studien hatten in der Vergangenheit ebenfalls auf die hohen Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung hingewiesen. Neben dem Autoverkehr sind die Hauptverursacher die Landwirtschaft, die Kohlekraft und offene Feuerstellen. Experten vom IWF bezifferten in einer Analyse die globalen Gesundheitsschäden durch Kohlekraft auf 1900 Millarden Dollar im Jahr.
Wissenschaftler und Umweltexperten fordern deshalb, dass bei der Kohleverstromung auch die Gesundheitskosten in die Betrachtung mit einbezogen werden und die Gesellschaft beim Ausstieg aus der Kohlekraft auch sehr viel Geld spart. "Für keine andere Energiequelle zahlen wir einen so hohen Preis an externen Gesundheitskosten wie bei Kohle", sagt Professor Paul Wilkinson von der Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine.
Nach Ansicht von Michal Krzyzanowski, ehemals Experte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Luftqualität, liefert diese Studie vertiefende Informationen zu den schädlichen Folgen der Kohleverstromung und zeige zugleich, "dass dieses Problem jeden angeht."