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Mehr Tote durch Abgasmanipulation

Gero Rueter2. Oktober 2015

Millionen Menschen sterben weltweit aufgrund der Luftverschmutzung - in den Städten vor allem aufgrund von Motorenabgasen. Filter sollten die Probleme lösen. Aber gibt es Entschädigung, wenn sie nicht funktionieren?

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Luftverschmutzung durch die Abgase eines Autos nebeln eine Frau mit Kinderwagen ein.
Bild: picture alliance/WILDLIFE/C.Heumader

Nach einer aktuellen Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sterben weltweit jedes Jahr etwa 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung, davon rund 160.000 Menschen durch Abgase im Verkehr.

Besonders groß sei die Belastung in Städten und Industrieländern. So sterben in Deutschland nach Angaben der Forscher durch die Luftverschmutzung 35.000 Menschen pro Jahr und davon 7000, also 20 Prozent, durch Abgase. Demnach verlieren in Deutschland etwa doppelt so viele Menschen ihr Leben an den Folgen der Verkehrsemissionen wie an Verkehrsunfällen.

Teuer ist die Luftverschmutzung im Verkehr auch für die Gesellschaft, vor allem für das Gesundheitssystem. Feinstaub und Stickoxide aus den Motoren belasten die Atemwege, verstärken Allergien, führen zu Krebserkrankungen und treiben so die Kosten der Krankenkassen nach oben. Nach Berechnungen des internationalen Währungsfonds (IWF) liegen die Gesundheitsschäden durch Motorabgase weltweit bei über 200 Milliarden Euro pro Jahr.

Diesel-PKW belasten die Luft

Die Gefahren und Kosten der Luftverschmutzung sind seit langem bekannt. Mit Gesetzen versucht die EU die Probleme in den Griff zu bekommen und die Bürger zu schützen. Damit vor allem in den Städten der Ausstoß von Feinstaub und Stickoxiden sinkt, dürfen neue PKW immer weniger Schadstoffe auspusten, die Hersteller müssen mit Filtern und Katalysatoren immer strengere Grenzwerte erfüllen.

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Vor allem Kinder und ältere Menschen leiden an Atemwegsbeschwerden durch schlechte Luft.Bild: Fotolia/uwimages

Den erwünschten Erfolg erreichen die EU-Gesetze in vielen Städten jedoch nicht. Trotz strenger Abgasnorm für Fahrzeuge wird in vielen Städten der EU seit Jahren die erlaubte Konzentration an Stickoxiden überschritten. Nach Angaben der Bundesregierung liege dies "besonders am Diesel-PKW", dies geht aus einem Schreiben der EU vom Juni 2015 hervor, das der DW vorliegt. Die Stickoxidemissionen lägen im realen Fahrbetrieb deutlich höher als es "zu erwarten gewesen wäre".

Weil die Bundesregierung zu wenig zum Schutz der Bürger und der Luftreinhaltung unternommen hat, verschickte die EU im Juni 2015 ein Mahnschreiben und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Auch die Deutsche Umwelthilfe DUH forderte die Bundesregierung vor drei Monaten zum Handeln auf: "Der Bund muss die Hersteller in die Pflicht nehmen", sagte Dorothee Saar von der DUH. "Der Hauptverursacher bei Stickoxiden ist der Diesel. Die Alternative ist eine Verbannung aus den Innenstädten."

Wer übernimmt Verantwortung für Gesundheitsschäden?

Die Abgasfilter von Diesel-PKW funktionieren bei VW im Realbetrieb nicht. Studien nach liegt bei anderen Autoherstellern der Ausstoß von Stickoxiden im Durchschnitt fünf Mal höher als vom Gesetzgeber erlaubt. "Die Chefs von Daimler, Volkswagen und BMW sind für viele zehntausende vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch Dieselabgase persönlich mitverantwortlich", sagt Jürgen Resch von der DUH. "Auf der Straße stoßen die Fahrzeuge bis zu 25 Mal höhere Schadstoffmengen aus als erlaubt."

Fahrrad in der Stadt Foto: Karl-Josef Hildenbrand dpa/lby
Zahlen Verursacher auch für Umweltschäden? Experten fordern eine breite DebatteBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Aufgrund dieser Schädigung der Gesundheit mit giftiger Luft könnten Bürger und Krankenkassen auf die Idee kommen, Autohersteller auch für Gesundheitsschäden zahlen zu lassen. Laut Remo Klinger, Fachanwalt für Umweltrecht, wäre dieser Anspruch im deutschen Rechtssystem aber schwer umzusetzen. "Der Lungengeschädigte müsste in so einem Fall genau nachweisen, dass seine Erkrankung durch bestimmte Fahrzeuge verursacht wurde - und dieser kausale Zusammenhang ist schwierig zu erbringen."

Andere Möglichkeiten hätten dagegen Bürger im US-Rechtssystem, ergänzt Klinger: "Dort reichen statistische Wahrscheinlichkeiten aus, anzunehmen, dass ein solcher Schaden eingetreten ist. Und es gibt die Möglichkeit von Sammelklagen."

Oliver Krischer, Umweltexperte der Grünen Opposition im Bundestag, wünscht sich bei der VW-Debatte mehr Aufmerksamkeit für den Gesundheitsschutz. "Bei der Belastung durch Stickoxide geht es um Menschenleben, um viele tausend Tote pro Jahr, und das ist kein Spaß mehr." Lernen könne Deutschland hier von den USA. "Bei Fragen der Gesundheit schauen die US-Amerikaner sehr genau hin. Und wenn Fahrzeuge die Grenzwerte nicht einhalten, dann wird das nicht ignoriert."