Russland: 15 Jahre Haft für "Fakes" über Söldner
12. März 2023In Russland soll künftig die "Diskreditierung" aller russischen Teilnehmer am Krieg gegen die Ukraine verfolgt und die "Verbreitung falscher Informationen" über sie noch härter bestraft werden. Eine Gesetzesänderung schließt auch Freiwillige und Einzelpersonen, die die russische Armee unterstützen, als Teilnehmer des Krieges ein.
Bislang werden Menschen in Russland bestraft, wenn sie nach Ansicht der Behörden Militärs "diskreditieren" oder "Fakes" über sie verbreiten. Entsprechende Gesetze wurden vor einem Jahr verabschiedet - nach Beginn des umfassenden Krieges Russlands gegen die Ukraine, den der Kreml und die russischen Medien als "spezielle Militäroperation" bezeichnen.
Höhere Strafen
Mit Änderung dieser Gesetze sollen auch die Strafen von drei auf fünf Jahre und für "wiederholte Diskreditierung" von fünf auf sieben Jahre Gefängnis angehoben werden. Die Höchststrafen bleiben hingegen unverändert: 15 Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von bis zu fünf Millionen Rubel (rund 63.000 Euro).
Die entsprechenden Änderungen des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten und des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation, die von einer Gruppe von Abgeordneten der Staatsduma unter der Leitung ihres Vorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin erarbeitet wurden, wurden am 2. März in zweiter Lesung von den russischen Gesetzgebern angenommen. In der dritten Lesung am 14. März sollen sie verabschiedet werden.
Wer verlangt die Gesetzesänderungen?
Auf der Website der russischen Staatsduma heißt es, "gemäß den Änderungen des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation werden die Haftungsregeln für öffentliche Maßnahmen, die darauf abzielen, die Streitkräfte der Russischen Föderation zu diskreditieren, ausgeweitet, und zwar auf Freiwilligenverbände, Organisationen oder Einzelpersonen, die bei der Erfüllung von Aufgaben behilflich sind, die den Streitkräften auferlegt werden".
Ende Januar hatten russische Medien berichtet, der Gründer der Privatarmee "Wagner-Gruppe", Jewgenij Prigoschin, habe den Duma-Vorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin gebeten, das russische Strafgesetzbuch um einen Artikel zu ergänzen, der Strafen für die Diskreditierung ehemaliger Sträflinge vorsieht, die für die Teilnahme am Krieg gegen die Ukraine rekrutiert wurden.
Laut der russischen Zeitung "Kommersant" schlug Prigoschin insbesondere vor, jegliche Kritik an den Teilnehmern der sogenannten "speziellen Militäroperation" sowie die Veröffentlichung von Informationen über ihre früheren Straftaten zu verbieten. Kritiker der Wagner-Gruppe sollten, so der angebliche Vorschlag von Prigoschin, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden.
Zweideutige Gesetzeslage
Maxim Olenitschew, Anwalt des Menschenrechtsprojekts "Perwyj otdel" (Erste Abteilung) weist darauf hin, dass der rechtliche Status der Wagner-Gruppe nach wie vor unklar ist. "Kein einziges Gesetz in Russland erlaubt die Bildung privater paramilitärischer Formationen. Streng genommen können nur diejenigen als Freiwillige betrachtet werden, die Militärdienst leisten und einen Vertrag mit der Armee abgeschlossen haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Strafverfolgungspraxis auf einer sehr weiten Interpretation basieren wird und jeder, der den russischen Streitkräften hilft, nun als Freiwilliger gelten wird", sagt er.
Der Anwalt aus St. Petersburg, Viktor Drosdow, weist seinerseits gegenüber der DW darauf hin, dass im Gesetzestext sowohl "Freiwilligenverbände" als auch die "Streitkräfte der Russischen Föderation" genannt werden. Aus seiner Sicht kommt es dadurch zu Zweideutigkeiten bezüglich der strafrechtlichen Verantwortung für Söldnertum, die Artikel 359, Teil 3 des russischen Strafgesetzbuches vorsieht.
"Ein Zeichen von Ohnmacht"
Insgesamt hält Drosdow die Initiative des Duma-Vorsitzenden Wolodin und seiner Kollegen für einen "präventiven, einschüchternden politischen Aufschrei". "Bekanntlich sind Schreie ein Zeichen von Ohnmacht. Eine Verschärfung der Strafen, was eine freie Verbreitung von Meinungen und Einschätzungen über die sogenannte 'spezielle Militäroperation' angeht, kann nur auf eines hindeuten: Das vom Staat beanspruchte Monopol auf die Verbreitung von Informationen erleidet, gelinde gesagt, eine weitere historische Schlappe", so der Jurist.
Maksim Olenitschew gibt eine ähnliche Einschätzung ab: "Mit den Gesetzentwürfen soll die Militärzensur weiter verschärft werden, und das, wo in Russland kein Kriegsrecht verhängt wurde. Die Änderungen haben nichts mit Menschenrechten und Recht zu tun, sondern verletzen grob die in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vorgesehenen Verpflichtungen Russlands, das Recht aller auf freie Meinungsäußerung zu achten."
"Wie soll bestimmt werden, was wahr ist?"
Der russische Menschenrechtsaktivist Pawel Tschikow stellt auf seinem Telegram-Kanal fest, dass auch er "viele Fragen" zu den Gesetzesänderungen habe. "Ich vermute, dass öffentliche negative Äußerungen über die Wagner-Gruppe jetzt ein Grund für eine Strafverfolgung sein können. Bislang werden von den meisten Polizeibeamten und Gerichten einfache Äußerungen gegen den Krieg als Diskreditierung betrachtet. Eine Äußerung wie 'Nein zum Krieg' stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, aber für die Kritik an Jewgenij Prigoschin wird man strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Das wird vom geplanten Gesetzesartikel erlaubt", betont Tschikow.
Als "Fakes" können, so der Jurist, beispielsweise Berichte über die Wagner-Gruppe eingestuft werden, "in denen es entgegen der offiziellen Informationen heißt, die Truppe werde schlecht versorgt". Gleichzeitig macht Tschikow darauf aufmerksam, dass unklar sei, wie bestimmt werden solle, welche Informationen über Freiwilligenverbände wahr und welche unwahr seien. "Wenn der Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, weiterhin Sprachrohr der Wahrheit bleibt, wie in allen Strafsachen vermerkt, was 'Fakes' über das Militär angeht, dann können sich Äußerungen von Angehörigen der Wagner-Gruppe über eine unzureichende Versorgung mit Granaten plötzlich selbst als Fakes herausstellen", meint Tschikow.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk