Ägypten: Journalist verurteilt, Blogger verhaftet
23. Mai 2018Er schrieb über politisch brisante Themen. Über die ägyptischen Muslimbrüder zum Beispiel, die seit dem Sturz des aus ihren Reihen stammenden Präsidenten Mohammed Mursi im Sommer 2013 juristisch mit aller Härte verfolgt werden, nach Auffassung von Menschenrechtsorganisationen auf rechtlich fragwürdiger Grundlage. Auch dem Kampf gegen den Dschihadismus auf dem Sinai widmete sich Ismail Alexandrani - ebenfalls ein Thema, das aufgrund des nicht durchweg über alle Zweifel erhabenen Vorgehens des ägyptischen Militärs international in der Kritik steht. Jetzt wurde Ismail Alexandrani zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt.
Das Gericht sah die Anklagepunkte als gerechtfertigt an: Mitgliedschaft in einer Gruppe, die sich gegen das Gesetz richtet, indem sie sich dafür ausspreche, dessen Gültigkeit zu unterminieren; gleichzeitig, so die Anklage, habe die Gruppe die persönlichen Freiheiten von Bürgern angegriffen. Außerdem, so der zweite Anklagepunkt, habe Alexandrani die Anliegen dieser Gruppe gefördert. Zudem, so der dritte und letzte Punkt, habe er "falsche Nachrichten und Informationen" verbreitet, die geeignet seien, "die öffentliche Sicherheit zu stören, Menschen zu beunruhigen und dem öffentlichen Interesse zu schaden." In vielen Prozessen gegen missliebige Journalisten und Aktivisten ist dies die Standardanklage.
Zu diesem Standard gehört auch, dass die Anklage genaue Angaben darüber schuldig bleibt, welcher Organisation die Angeklagten - in diesem Fall Alexandrani - konkret angehören. Weder die im November vorgelegte Anklageschrift noch die, auf deren Basis nun die Verurteilung erfolgte, gab dazu nähere Auskünfte. Gemeint ist mit der ungenannten "Organisation" in aller Regel die Muslimbruderschaft. Offenbar, weil eine Mitgliedschaft aber nicht zu beweisen ist, wird ihr Name nicht genannt. Alexandrani selbst und sein Anwalt hatten wiederholt erklärt, die Anklagepunkte träfen nicht zu.
Auf Grundlage dieser Anklagen war Alexandrani bereits im November vergangenen Jahres verhaftet worden; seitdem war seine Haft immer wieder verlängert worden. Bereits damals hatte eine Gruppe internationaler und ägyptischer Menschenrechtsorganisationen die Verhaftung scharf kritisiert. "Der Angriff ist ein weiteres Beispiel der fortgesetzten Verfolgung oppositioneller Journalisten und anderer Personen mit abweichenden Meinungen", heißt es in dem Papier. "Es handelt sich um eine Verletzung und Einschränkung der Gedanken- und Meinungsfreiheit und verhöhnt sämtliche internationalen Standards der Presse- und Redefreiheit."
Blogger Wael Abbas verhaftet
Am Mittwoch wurde zudem der ebenfalls oppositionelle Aktivist und Blogger Wael Abbas verhaftet. Erst nach mehreren Stunden bestätigten ägyptische Sicherheitsbehörden entsprechende Informationen offiziell. Abbas selbst hatte das noch bekannt geben können. "Ich werde gerade verhaftet", hatte er am frühen Mittwochmorgen auf seiner Facebook-Seite gepostet.
Abbas hatte die Aufstände des Jahres 2011 gegen die Präsidentschaft von Hosni Mubarak dokumentiert. Danach hatte er sich immer wieder kritisch über die Regierung Al-Sisi geäußert.
Menschenrechtsorganisationen äußern sich bislang noch nicht zu den beiden Fällen. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" erklärte, sie recherchiere derzeit noch zu dem Fall. Auch das "Committee to Protect Journalists" (CPJ) beschränkte sich bislang darauf, über die Verurteilung Alexandranis zu informieren.
Betroffen äußerte sich die niederländische EU-Parlamentarierin Marietje Schaake, Mitglied im "European Parliament Committee on Foreign Affairs":
Auch die ägyptisch-US-amerikanische Journalistin Mona Eltahawy zeigte sich betroffen:
Nach einem arabischen gibt es nun auch den englischsprachige Hashtag #freewaelabbas.
"Dem Regime geht es ums nackte Überleben"
Noch im April dieses Jahres hatte die Organisation "Reporter ohne Grenzen" ihre Rangliste der Pressefreiheit für das Jahr 2017 veröffentlicht. Darin nahm Ägypten Platz 161 ein - von 180 Plätzen insgesamt.
Gegen missliebige Journalisten geht der ägyptische Staat mit aller Härte vor - und zwar aus leicht einsehbaren Gründen, erklärte Christoph Dreyer, Pressereferent von "Reporter ohne Grenzen" im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Dem Regime geht es ums nackte Überleben. Denn vor allem die wirtschaftliche Krise ist so dramatisch, dass das Regime Angst hat, Kritik zuzulassen. Die Regierung hat vor Augen, wie es Mubarak erging - und das will man im Kabinett kein zweites Mal erleben."
Auch in vielen anderen Fällen werde Journalisten in Ägypten pauschal vorgeworfen, eine zu große Nähe zu einer terroristischen Vereinigung zu haben oder sogar dort Mitglied zu sein. "Diese Vorwürfe haben oft kaum Substanz", so Dreyer. "Außerdem werden sie in Massenprozessen erhoben. Es geht schlicht und ergreifend darum, unerwünschte Informationen zu unterdrücken und auf diese Weise auch andere abzuschrecken, sich vorzuwagen und Texte zu schreiben, die nicht der offiziellen Lesart entsprechen."
Der ägyptische Staat begründet sein hartes Vorgehen gegen Oppositionelle und missliebige Journalisten mit Sicherheitsgründen und damit, in der Pflicht zu stehen, "Terroristen" zu bekämpfen.
Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" befinden sich derzeit in Ägypten 27 Reporter und sechs Online-Aktivisten und Bürgerjournalisten in Haft.