Übernahmewelle im Maschinenbau
7. April 2015Lingho Kong sitzt an einer kleinen Steueranlage in Bielefeld. Er ist einer der wenigen chinesischen Mitarbeiter beim Nähmaschinen-Produzenten Dürkopp Adler. Für die Belegschaft ist er unersetzbar. Der Elektroingenieur ist ein wichtiges Bindeglied zur Mutterfirma in Shanghai. Gibt es Fragen bei der Steuerungsmontage, kann Kong auf chinesisch schnell und klar vermitteln. Ein klares Plus, sagt Vorstandschef Dietrich Eickhoff.
Eickhoff war schon mehrere Jahrzehnte im Unternehmen, als die ShangGong-Gruppe den Nähmaschinenhersteller 2005 kaufte. Die Umstellung sei groß gewesen, berichtet Eickhoff rückblickend."Diese ostwestfälische Direktheit, die wir hier traditionell pflegen, die kommt in China nicht immer gut an." Da habe man sich erst langsam aufeinander zubewegen müssen, erzählt der Vorstandschef.
Traditionsunternehmen produziert für die ganze Welt
Mit den Nähmaschinen von Dürkopp Adler werden Sitze, Airbags und Gurte für Autos, aber auch Polstermöbel oder Bekleidung genäht. Mehr als 90 Prozent der Maschinen sind für den Export bestimmt. Produziert werden sie an Standorten in Tschechien oder Rumänien. Aber die Entwicklung, die Endmontage und die Qualitätskontrolle finden noch immer in Bielefeld statt. Die knapp 300 Mitarbeiter am Standort in Nordrhein-Westfalen sind alle Facharbeiter. Auf diese Qualitätsarbeit "Made in Germany" setzten auch die chinesischen Investoren der ShangGong-Gruppe.
Natürlich seien die Bedenken den Chinesen gegenüber groß gewesen, erzählt Jörg Bunte. Der Monteur ist seit 30 Jahren bei Dürkopp-Adler."Wir hatten sicherlich Existenzängste. Bleiben wir hier am Standort, behalten wir unsere Arbeitsplätze?", darüber hat sich die Belegschaft Gedanken gemacht. Im Nachhinein, sagt Bunte, seien die Ängste unbegründet gewesen. Sie arbeiteten unter der "chinesischen Mutter" genauso wie vorher auch.
In Kauflaune
Im Anlagen- und Maschinenbau gab es nach Erhebungen von PriceWaterhouseCoopers 2014 weltweit so viele Fusionen und Übernahmen wie noch nie. Besonders auffällig war der hohe Anteil von Investoren aus der Eurozone an diesen Deals. Ein echtes Rekordjahr aber war es für die chinesischen Maschinenbauer. Anders als früher geht es den Chinesen heute nicht mehr darum, nur Patente zu übernehmen und die gekaufte Produktion ins eigene Land zu verlegen. Heute agieren die Chinesen wie die meisten Investoren: Sie nutzen die billigen Kredite und das günstige Geld auf dem Weltmarkt, um sich zu vergrößern.
Dieses Interesse eint alle Maschinenbauer gleichermaßen - das bestätigt Wirtschaftsprüfer Martin Theben von PriceWaterhouseCoopers. Die Unternehmen hätten die Finanzkrise überwunden. "Sie verdienen wieder sehr viel Geld." Und dieses Geld, so Theben, versuchen sie zu investieren und kaufen andere Unternehmen.
Übernahmen als Rettungsanker
Und manchmal erweisen sich die Investoren auch als finanzieller Rückhalt. Auf einen solchen Effekt hofft auch der Werkzeugmaschinenbauer Gildemeister, ebenfalls aus Bielefeld. Gildemeister arbeitete schon länger mit dem japanische Konzern DMG Mori Seiki zusammen. Jetzt steht die Übernahme bevor. Eine Krisenhilfe, denn wegen des verfallenden Rubels und des starken Schweizer Frankens sieht die Geschäftsführung erhebliche Belastungen auf das Haus zukommen. Gildemeister arbeitet eng mit russischen Partnern zusammen und lebt vom Export.
Bei Dürkopp Adler erwies sich der chinesische Eigner als Rettungsanker. 2008 steckte das 155 Jahre alte Unternehmen tief in der Wirtschaftskrise. Mit Millioneninvestitionen und Krediterlass half der Investor ShangGong den Bielefeldern wieder auf die Beine.
ShangGong-Gruppe wächst weiter
Zuletzt kaufte die ShangGong-Gruppe die Nähmaschinenhersteller Pfaff aus Kaiserslautern und KSL aus Lorsch. Dort, wie auch in Bielefeld, hat die chinesische Übernahme kaum Auswirkung auf Produktion und Vertrieb. Die Veränderung wird eher in der Vorstandsetage sichtbar: Tür an Tür arbeitet Vorstandschef Eickhoff von Dürkopp Adler mit Finanzvorstand Ying Zheng zusammen. Mit der Chinesin klappt die Kooperation schon seit zehn Jahren gut, erzählt Eickhoff. Nur an eins hat sich der Ostwestfale noch nicht gewöhnt: Das absolute Hierarchiedenken der Chinesen und die bedingungslose Hörigkeit gegenüber Chefs - das findet Eickhoff nach wie vor schwierig.