Wüsten-Überflieger mit Problemen
18. Juli 2017Eine Emirates-Flugbegleiterin schüttet heimlich in der Bordküche Champagner aus einem Glas zurück in die Flasche und wird dabei auf dem Flug von Barcelona nach Dubai zufällig von einem Passagier gefilmt. In sozialen Medien sorgte das Video jetzt für Aufsehen. Undenkbar erschien so ein Vorgang bei einer nach außen im Luxus schwelgenden Airline, die mit fliegenden Duschen und einer großzügigen Bordbar für Premium-Kunden im Airbus A380 aufwartet. Aber manchmal sagen solch kleine Vorkommnisse viel mehr aus als seitenlange Geschäftszahlen. Die nämlich sind so schlecht wie noch nie in der 32jährigen Emirates-Geschichte.
Auf der Suche nach Cash
Genauso kommt es einer kleinen Revolution gleich, dass Etihad jetzt verkündet: Schluss mit dem bisher selbstverständlichen Gratis-Chauffeurservice außerhalb von Abu Dhabi. Wer will kann den Service jetzt anderswo nur noch gegen Gebühr buchen. Gleichzeitig bietet die Gesellschaft plötzlich Auktionen für Economy-Gäste an, wo sie bis zu drei freibleibende Plätze neben ihrem eigenen Sitz ersteigern können. Während Emirates ihre weltweiten Fahrdienste (noch) beibehält, bietet sie jetzt gegen saftige Gebühren auch "Otto Normalflieger" Zugang zu den meisten ihrer Lounges. Ähnlich verfährt Etihad, freilich zu happigen Preisen: Für zwei Stunden Aufenthalt in der First-Lounge zahlt ein Business- oder Economy-Passagier in Abu Dhabi 200 US-Dollar - soviel Champagner lässt sich in zwei Stunden kaum trinken, dass sich das rechnet.
Eithad verkauft das als "neue Leistungen" - Tatsache aber ist, dass es aus der Not heraus geschieht. Es ist der leicht verzweifelte Versuch, ähnlich wie eine Billigfluggesellschaft überall wo es möglich ist nebenbei noch Einnahmen zu erzielen.
"Vor allem im Mittleren Osten, wo die großen Gesellschaften sich aktuell massiven Herausforderungen und fallenden Erträgen gegenüber sehen, ist der Fokus auf solche zusätzlichen Einkommensströme jetzt eine Priorität," kommentiert der Luftfahrt-Berater Diogenis Papiomytis aus Dubai. "Etihad lernt von den Billigfliegern", findet auch der Londoner Branchenberater John Strickland.
Einnahmequelle sprudelt nicht mehr so üppig
Tatsächlich sind die fetten Jahre für die erfolgsverwöhnten Gesellschaften der Region, allen voran Emirates, Etihad und Qatar Airways, völlig unerwartet vorbei. Ihnen macht eine ganze Reihe von Entwicklungen zu schaffen. Das beginnt mit dem seit Mitte 2014 massiv gesunkenen Ölpreis. Petrodollars sind für viele Staaten am Golf wichtigste Einnahmequelle gewesen, die jetzt nicht mehr so üppig sprudelt. Gleichzeitig sorgt die Flaute in der Ölbranche dafür, dass den Fluggesellschaften massiv Nachfrage in den Premiumklassen weggebrochen ist. Am schwierigsten scheint die Lage bei Etihad, sie ist die jüngste und kleinste unter den großen Golf-Airlines, und sie hat sich mit einer missratenen Beteiligungsstrategie ins Abseits manövriert.
Das Elend mit Air Berlin
Geschätzte acht Milliarden Euro sind in bodenlos unprofitablen Partner-Airlines versickert, ohne dass Etihad davon profitieren konnte. Dramatisch die Lage bei Alitalia, an der Etihad 49 Prozent hält, die aber jetzt unter der Leitung eines Insolvenzverwalters wieder zum Verkauf steht. Ähnlich prekär sieht es bei Air Berlin aus, wo Etihad mit 250 Millonen Euro eingestiegen war und 29 Prozent übernahm. Bis heute kostete das Abenteuer mit Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft rund zwei Milliarden Euro, Ende offen: Air Berlin wankt und sucht einen neuen Investor. Etihad selbst hat bereits rund 3000 Stellen abgebaut und nach Brancheninformationen noch nie Gewinne eingeflogen. Ihr selbstherrlicher, langjähriger Chef James Hogan musste zu Jahresbeginn gehen. Derzeit herrscht ein Vakuum, ein Nachfolger soll bald feststehen und eine neue Strategie erarbeiten. Unterdessen haben sich Etihad und Lufthansa einander angenähert, eine engere Kooperation scheint nicht ausgeschlossen.
Brexit-Schock bis an den Golf
Ungewohnt schwierig auch die Lage bei Emirates, dem Branchenprimus: Zum ersten Mal seit 1996 zahlt die Gesellschaft in diesem Jahr keine Dividende, nachdem der Gewinn zuletzt um 82 Prozent eingebrochen war, was trotzdem noch anhaltenden Profit auch im 29. Betriebsjahr bedeutete. Das vergangene Jahr war für Emirates von vielen Problemen geprägt: "Der Brexit allein hat uns im letzten Sommer in Großbritannien einen Einbruch um 18 Prozent eingebrockt", so Emirates-Chef Sir Tim Clark. Hinzu kamen neben dem Ölpreis-Verfall andere längerfristige Faktoren, etwa die Schwäche der lokalen Währung Dirham gegenüber dem US-Dollar, dem Wegbrechen wichtiger früherer Märkte wie Irak, Libyen und Syrien oder das Aufkommen von Langstrecken-Billigfliegern in Europa wie Norwegian.
Entscheidungen des unberechenbaren US-Präsidenten Donald Trump wie der inzwischen wieder aufgehobene Laptop-Bann und das immer wieder veränderte Einreiseverbot der USA für Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern taten ein Übriges. Allein bei Emirates ließ dies die Nachfrage nach USA-Flügen um mehr als ein Drittel zurückgehen. Konsequenz: Emirates reduzierte die Anzahl ihrer wöchentlichen Flüge in die USA von 126 auf 101.
Blockade trifft Qatar Airways
Die einzige Golf-Gesellschaft, die sich keiner Krise bewusst war, kräftig weiter wuchs und Gewinne (+22 Prozent im letzten Geschäftsjahr) einflog, war Qatar Airways. Bis am frühen Pfingstmontag dieses Jahres eine unerwartete Krise über den Mini-Staat Katar und seine Airline hereinbrach: Die Nachbarländer Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain und Ägypten verhängten eine totale Blockade zu See, zu Land und in der Luft über Katar. Für die erfolgsverwöhnte Qatar Airways ist das der GAU: Sie kann die Nachbarländer, die gemeinsam immerhin etwa ein Fünftel ihres Sitzplatzangebots ausmachten, nicht mehr anfliegen. Und sie muss auf manchen Routen jetzt teure und zeitraubende Umwege fliegen, da der Luftraum der Boykott-Staaten nicht genutzt werden darf.
Einen Anstieg allein der Treibstoffkosten um zehn Prozent bei Qatar Airways als Folge der Blockade erwarten Analysten. ""Ja, es entstehen uns Kosten, aber darüber will ich nicht lieber nicht reden", gibt sich Firmenchef Akbar Al Baker ungewohnt wortkarg. Er spricht lieber darüber, dass er keine Flugzeugbestellungen storniert, jetzt statt der Nachbarländer zusätzliche Ziele im Iran anfliegen will und neue Ziele wie Skopje, Ljubljana und Sarajewo bereits früher als geplant ansteuert. Eine Überlebensgarantie ist das noch lange nicht.