Äthiopiens Kampf gegen den Terror
15. Oktober 2019Der Name klingt harmlos: "Al-Shabaab", "die Jugend". Doch es handelt sich dabei um eine der berüchtigtsten Terrororganisationen in Nordostafrika. Seit mehr als einem Jahrzehnt sorgt die fundamentalistisch-islamistische Miliz in Somalia für Angst und Schrecken. Ziel der Terrorgruppe ist, die Regierung in Mogadischu zu stürzen und in dem Land am Horn von Afrika einen Gottesstaat zu errichten.
Doch inzwischen richtet sich Al-Shabaabs Terror auch gegen Somalias Nachbarländer. In der kenianischen Küstenmetropole Mombasa erschoss die Polizei Anfang Oktober drei mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe, die sich bei einer Razzia mit den Beamten ein Feuergefecht geliefert hatten. Sieben Verdächtige wurden festgenommen. Und auch in Äthiopien hat offenbar die Bedrohung durch Al-Shabaab-Terror zugenommen.
Der Grund: Kenia und Äthiopien beteiligen sich an AMISON, der Friedensmission der Afrikanischen Union in Somalia, und haben Friedenstruppen in das Nachbarland entsandt. Für die Al-Shabaab-Miliz, die weite Teile von Somalias Süden unter ihre Kontrolle gebracht hat, sind sie daher Gegner. Immer wieder droht Gefahr, dass die Terrorgruppe Angriffe ausübt. Erste Anzeichen für die Umtriebe von Al-Shabaab in Äthiopien gab es schon 2013 - seither gilt höchste Alarmbereitschaft für die äthiopischen Sicherheitskräfte.
Wie kämpft Äthiopien gegen Terror?
Die Miliz ist mit der internationalen Terrorgruppe Al-Kaida verbunden. Laut einer IGAD-Studie, die vor zwei Jahren veröffentlicht wurde, kam es allein zwischen 2013 und 2015 zu einer Reihe von Al-Shabaab-Überfällen in Kenia, bei denen 350 Menschen getötet wurden. Laut der Studie versuchte die Terrormiliz zudem bei einem Fußballspiel in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba im Oktober 2013 ein Attentat zu verüben. Ein weiteres Ziel war auch 2014 ein beliebtes Restaurant im Nachbarland Dschibuti.
IGAD ist eine regionale Organisation von Ländern in Nordostafrika mit Sitz in Dschibuti. Sie unterstützt ihre derzeit sieben Mitgliedsstaaten am Horn von Afrika, darunter Somalia und Äthiopien, bei deren Entwicklung, besonders auch bei Friedensprozessen.
Vor wenigen Wochen fürchtete die Regierung Äthiopiens erneut Anschläge im Land und reagierte prompt: Sie verhaftete eine unbestimmte Anzahl Verdächtiger - laut Staatsfernsehen waren es mindestens zwölf angebliche Al-Shabaab-Mitglieder, die Angriffe auf verschiedene Personen, Ziele und Hotels im Land geplant haben sollen.
Keine Hinweise auf Täter
Die Verdächtigen seien in Addis Abeba, in Oromia und anderen Landesteilen bei der Vorbereitung von Angriffen festgenommen worden, so Äthiopiens Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Service). Sie hätten Anschläge auf öffentlichen Plätze geplant, die aus Anlass religiöser Feierlichkeiten von vielen Menschen besucht werden. Laut NISS wurden die Terrorverdächtigen durch eine effektive Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdiensten Dschibutis, der autonomen Regionen Somaliland und Puntland festgenommen. Eine Zusammenarbeit gab es offenbar auch mit den Geheimdiensten der USA, von Italien, Frankreich und Spanien.
Allerdings gebe es auch nach dieser jüngsten Welle der Verhaftungen keine klaren Hinweise auf die Identität der Festgenommenen oder die näheren Umstände, sagt William Davison, Äthiopien-Experte der Nichtregierungsorganisation "International Crisis Group" (ICG) in Brüssel. Er hofft, dass bei den anstehenden Gerichtsverfahren die Rolle der Verdächtigen geklärt wird. Tatsächlich hatte Al-Shabaab laut Davison angekündigt, stärker nach Äthiopien vordringen zu wollen.
Sicherheitslücke ausgenutzt
Der Experte von der ICG führt die aktuelle Aggressivität der Terrorgruppe in Äthiopien auf eine Führungsschwäche im Sicherheitsapparat des Landes zurück: "Im vergangenen Jahr gab es einen politisch bedeutenden Wandel in Äthiopien", sagte Davison der Deutschen Welle mit Hinblick auf die Amtsübernahme von Abiy Ahmed als Ministerpräsident im April 2018.
Es könne sein, dass Gegner der äthiopischen Regierung wie Al-Shabaab diese Wende und die damit verbundenen politischen Herausforderungen ausgenutzt hätten, vor denen die neue Regierung steht: "Die Sicherheitsposten sind neu besetzt worden und es dauert, bis ein solches System umgebaut ist", so Davison. Die Regierung habe durch ihre Verhaftungsaktion und die anschließende Öffentlichkeitsarbeit zeigen wollen, dass sie in Sachen Terror auf der Hut sei.
Zuvor habe es bei internationalen Beobachtern eine weitverbreitete Besorgnis gegeben, die Regierung nütze den Kampf gegen den Terror, um in Wirklichkeit politische Gegner zu schwächen, meint Davison. "Aber davon ist derzeit nichts zu spüren. Das Mittel zum Zweck ist die Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes." Dieses sei zwar überarbeitet worden, so der Experte, unklar definiert sei aber weiterhin, was konkret "terroristische Aktivitäten" sind, kritisiert Davison: "Das lässt Raum für die Behörden, das Gesetz gegen Oppositionelle anzuwenden."