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Ärzte aus Osteuropa füllen deutsche Personallücken

Justyna Bronska16. Juni 2008

Im deutschen Gesundheitswesen geht es fast zu wie beim Spargelstechen. Ärzte aus Polen und Tschechien erledigen einen Job, der immer mehr deutschen Ärzten als unzumutbar erscheint.

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Ärzte bei der Arbeit im OP
Ärztemangel bringt osteuropäische Mediziner in den deutschen ArbeitsmarktBild: Bilderbox

Der Frauenarzt Dr. Milan Sedlak beugt sich zu seiner Patientin. Der Mann mit dem kleinen Ziegenbart und der großen Brille überprüft die Wehen der Schwangeren. Auf dem Monitor beobachtet er den Herzschlag des Embryos. Dr. Milan Sedlak ist Arzt am Städtischen Klinikum in Görlitz. Seit vier Jahren führt er die Geburten in Görlitz durch, statt in seiner Heimat Tschechien. Die Stelle in seiner Heimatklinik in Liberec hat Dr. Sedlak aufgegeben: "Es wird immer die Frage gestellt: Warum? Jeder andere, der die Möglichkeit hat, eine bessere Arbeitsstelle zu kriegen, macht das auch", erklärt er seine Entscheidung. Es sei eine allgemein bekannte Situation, dass man in Deutschland heutzutage etwas besser verdienen könne.

Ärzte-Visite im Krankenhaus Ärzte stehen mit Pflegern am Bett eines Patienten
Visite auf Polnisch? Deutsche Kliniken sind attraktiv für osteuropäische ÄrzteBild: dpa

In Tschechien verdient ein Arzt umgerechnet 1000 Euro im Monat. In Görlitz rund 4000. Dr. Sedlak, zuckt mit den Schultern: "Ich glaube, es war eine ganz logische Reaktion, dass ich das gemacht habe. Wenn so eine Möglichkeit kommt, muss man sie einfach nutzen. Ich spreche deutsch und die Entfernung ist nicht so groß." 50 Kilometer pendelt Dr. Sedlak täglich zur Arbeit nach Deutschland. Seine Frau und seine zwei Kinder wollen im Heimatort Liberec bleiben. Sie sprechen kein Deutsch und das Leben sei dort auch billiger als in Deutschland, lacht Sedlak. Die Grenzstadt Görlitz war also ein guter Kompromiss.

Ärztewanderung folgt der besten Bezahlung

Zwei Stockwerke über der Frauenklinik versorgt die Ärztin Dorota Rosinska in der Hautklinik ihre deutschen Patienten. Dorota Rosinska ist eine Frau Ende 30, mit langen schwarzen Haaren und einem runden Gesicht. Sie kommt aus Polen. In der Görlitzer Klinik arbeitet sie seit einem Jahr. Zuvor war sie vier Jahre lang in einer Klinik im brandenburgischen Schwedt beschäftigt. Rosinka setzt sich auf einen Stuhl, klappt ihre Brille zusammen. "Ich finde alles sehr praktisch. Die Heimat ist ganz nah, wir können auch ins polnische Theater gehen und trotzdem in Deutschland arbeiten." Fast 160 Ärzte sind bei der Städtischen Klinikum Görlitz beschäftigt, jeder fünfte kommt aus Osteuropa. Die Herkunft der Ärzte spielt für Professor Ekkehart Paditz, den Geschäftsführer der Görlitzer Klinik, keine Rolle. Hauptsache er findet überhaupt einen.

Ärzte bei Demonstration gegen Gesundheitssystem
Ruf nach besseren Bedingungen - deutsche Ärzte wandern ins Ausland abBild: AP

"Immer wenn eine Stelle frei ist, kann sich jeder bewerben", sagt er. "Mir ist egal, woher er kommt." Einer seiner Ärzte sei zum Beispiel nach Neuseeland gegangen und dann musste die Stelle neu besetzt werden. Die Ärztewanderung ist also keine Einbahnstraße. Während die osteuropäischen Ärzte nach Deutschland kommen, suchen ihre deutschen Kollegen nach besser bezahlten Jobs in der Schweiz, England oder in den USA. Zu viel Bürokratie, lange Arbeitszeiten und geringe Löhne, klagen die deutschen Mediziner. Sie fühlen sich ausgebeutet. Und die Ärzte aus Osteuropa? Haben die mit den Bedingungen kein Problem?:

Mehr Geld für weniger Arbeit

"Na ja, es stimmt, was die deutschen Ärzte sagen", bestätigt Hautärztin Dorota Rosinska Deswegen hab sie sich auch entschieden nur Halbtags zu arbeiten. "Wenn man Familie hat mit Kindern, schafft man das sonst einfach nicht", erklärt sie. "Überstunden und Dienste sind anstrengend und mit dem familiären Leben nicht zu vereinbaren." Allerdings: in Deutschland verdient die dreifache Mutter mit einer halben Stelle mehr als in Polen bei einem Vollzeitjob. Zwei Etagen tiefer in der Geburtenklinik, liest sich Dr. Sedlak die Patientenakten durch. Der Papierkram sie hier deutlich höher, beklagt er: "Jedes System ist anders. Wenn ich hier bin, dann muss ich das deutsche System akzeptieren. Wenn ich ein besseres Angebot bekomme, dann wechsele ich eben die Stelle. Momentan bin ich zufrieden hier." Und wer besetzt die Stellen der Ärzte in Polen? Vielleicht bald ihre Kollegen aus der Ukraine, Russland oder China...