Ägyptische Parteien einig über Verfassungsversammlung
8. Juni 2012Nach dreimonatigem Tauziehen haben sich die politischen Parteien in Ägypten über die Zusammensetzung der verfassunggebenden Versammlung verständigt. Die Einigung wurde bei einem Treffen beim ägyptischen Militärmachthaber Hussein Tantawi erzielt. Dies teilten Vertreter der Parteien - gut eine Woche vor der Präsidentenstichwahl - in der Hauptstadt Kairo mit. Die Gründung der Versammlung hatte sich verzögert, weil viele Parteien und Interessenverbände den Muslimbrüdern und radikal-islamischen Salafisten vorwarfen, sich in dem Gremium eine dominierende Rolle sichern zu wollen.
Nun hätten die islamistischen Parteien, die im Parlament die Mehrheit stellen, zugestimmt, zugunsten anderer Kräfte auf einige ihrer Sitze in der 100 Personen umfassenden Versammlung zu verzichten, berichteten ägyptische Medien. In der Runde würden Vertreter von politischen Parteien, religiösen Institutionen, Berufsverbänden, Rechtsexperten, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Vertreter der Jugend, der Frauen und auch der christlichen Minderheit vertreten sein. Insgeamt würden die Islamisten die Hälfe der 100 Sitze innehaben. Noch am Dienstag hatte der regierende Militärrat mit Tantawi an der Spitze damit gedroht, das Gremium selbst zusammenzusetzen, sollte das Parlament nicht binnen 48 Stunden zu einer Einigung zu kommen.
Zweidrittelmehrheit als weiterer Schutz gegen Vorherrschaft der Islamisten
Die Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung sollen bei einer gemeinsamen Sitzung beider Parlamentskammern am kommenden Dienstag gewählt werden. Zudem vereinbarten die Parteien, dass die Versammlung für ihre Entscheidungen eine Zweidrittel-Mehrheit braucht. Auch damit soll offenbar eine Dominanz der Islamisten verhindert werden. Im April hatte ein Verwaltungsgericht die Arbeit der bisherigen Verfassungskommission ausgesetzt. Juristen und liberale Parteien monierten damals, das islamistisch dominierte Parlament habe bei der Besetzung der Kommission seine Befugnisse überschritten.
Der Militärrat unter Feldmarschall Tantawi hatte die alte ägyptische Verfassung nach dem Sturz von Langzeit-Präsident Husni Mubarak außer Kraft gesetzt. Das Gremium forderte aber, die Grundsätze einer neuen Verfassung müssten vor der Wahl eines Nachfolgers für Mubarak feststehen. Am 16. und 17. Juni gibt es eine Stichwahl zwischen Mubaraks letztem Regierungschef Ahmed Schafik und dem Muslimbruder Mohammed Mursi. Am 30. Juni dann will der Militärrat, der nach dem Sturz Mubaraks die Macht übernommen hatte, diese an den gewählten Präsidenten abgeben.
sti/kle (afp, dapd, dpa)