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"Islamischer Staat" drängt nach Ägypten

Kersten Knipp10. November 2014

Eine ägyptische Terrorgruppe hat ihr Bündnis mit dem "Islamischen Staat" bekannt gegeben. Damit wächst die Gefahr weiterer Anschläge. Zugleich herrscht in Ägypten ein Klima, in dem dschihadistische Ideen gut gedeihen.

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Die schwer gesicherte Grenze zwischen Israel und Ägypten, 22.10.2014 (Foto: Reuters)
Die schwer gesicherte Grenze zwischen Israel und ÄgyptenBild: Reuters/Amir Cohen

Bislang beschränkte sich die vor allem auf dem Sinai aktive dschihadistische Gruppe "Ansar Beit al-Makdis" auf ihre eigene Agenda, nun unterwirft sie sich der des "Islamischen Staats" (IS). Sie habe dem IS und dessen Anführer Abu Bakr al-Bagdadi die Treue geschworen, teilte die Gruppe jetzt mit. Zugleich rief sie alle Muslime auf, es ihr gleichzutun. Die "Demokratie der Ungläubigen" bringe ihnen keinerlei Nutzen.

Der Anschluss von "Ansar Beit al-Makdis" an den "Islamischen Staat" war erwartet worden. Entsprechende Gerüchte machten in Ägypten schon seit längerem die Runde, waren von der Gruppe aber bis zuletzt dementiert worden. Man habe eigene Ziele, hieß es, und die beschränkten sich auf Ägypten.

Tödliche Gewalt auf dem Sinai

Die Bekanntgabe des Zusammenschlusses erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Gruppe sich von den harten Schlägen, die ihr das ägyptische Militär in den vergangenen Monaten zufügte, offenbar wieder erholt hat. Noch im Sommer hatten Milizen von "Ansar Beit al-Makdis" in entlegene Regionen des ohnehin kaum besiedelten Sinai fliehen müssen, so dicht war ihnen das Militär auf den Fersen. Geschlagen gaben sie sich allerdings nicht: Immer wieder verübten sie vor allem mit Hilfe von Sprengfallen, kleine, aber höchst effektive Anschläge gegen das Militär. Unbestätigten Berichten zufolge wurden dabei hunderte von Soldaten getötet. Der letzte größere Anschlag fand am 24. Oktober im nördlichen Sinai statt. Dabei wurden über 30 Soldaten und Sicherheitskräfte getötet. Auch durch Enthauptungsvideos und die Ermordung von Zivilisten machte die Gruppe von sich reden.

Radikalisierung im Gefängnis

Vermutet wird, dass nur die allerwenigsten Ägypter Sympathien für IS haben. Zugleich durchlaufen Anhänger des im Juni 2013 gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi aber offenbar einen Radikalisierungsprozess. Das Internet-Magazin "Al-Monitor" veröffentlichte Anfang November Auszüge aus einem Interview mit einem ehemaligen Mitglied der Muslimbrüder. Der junge Mann, derzeit im Gefängnis, erklärte, er unterstütze nun den "Islamischen Staat". Lange Zeit habe er an die Kraft des friedfertigen Engagements geglaubt. Mitte August 2013 sei er während einer Pro-Mursi-Demonstration verhaftet worden. Die Erfahrungen seither hätten ihn dazu bewogen, sich IS zuzuwenden. "Ungerechtigkeit und der Umstand, dass man mich hier unter dem Vorwand einschließt, ich sei ein Terrorist, obwohl ich nichts getan habe - diese Erfahrungen bringen mich zur Verzweiflung. Sie sind stärker als mein Glauben an Friedfertigkeit."

Nach einem Bombenanschlag in Kairo 21.9.2014 (Foto: EPA)
Polizisten sichern einen Anschlagsort in Kairo (21.9.2014)Bild: picture-alliance/dpa

Die Muslimbruderschaft ist bislang auf Distanz zum "Islamischen Staat" gegangen. Sie verfolgt eine andere, ungleich gemäßigtere Agenda. Weder ruft sie zum "Heiligen Krieg" auf, noch setzt sie ihre Ziele mit Gewalt durch. Die ägyptische Zeitung "Al Masry al-yawm" berichtet in ihrer Ausgabe am Montag (10.11.2014) aber, einige Mitglieder der Muslimbrüder sähen sich auch als Verbündete von "Ansar Beit al-Makdis". Diese Gruppe wiederum habe Mitglieder, die sich als "militärischer Arm" der Muslimbrüder betrachteten. Andere Mitglieder werfen den Muslimbrüdern wiederum vor, sie wendeten das "Gesetz Gottes " nicht an.

Begünstigt werden könnte die Radikalisierung durch den Umstand, dass derzeit mehrere tausend Mitglieder der Muslimbrüder ohne Prozess in Haft sitzen. Wie viele es genau sind, ist unbekannt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zitiert verschiedene Quellen, die von bis zu 40.000 Inhaftierten sprechen. Nicht alle gehören allerdings den Muslimbrüdern an.

Eine Atmosphäre der Gewalt

Nimmt man aber an, dass sich auch nur ein Bruchteil von ihnen radikalisiert, könnte das den Dschihadisten zahlreiche Anhänger zutragen. Denn im Gefängnis sind sie offenbar Umständen ausgesetzt, die eine Radikalisierung begünstigen. "Berichte über Folter und Verschwindenlassen in Haftanstalten der Polizei und des Militärs sind weit verbreitet", schreibt Amnesty.

Zusammenstöße zwischen Muslimbrüdern und Sicherheitskräften in Kairo (Foto: AFP/Getty Images)
Zusammenstöße zwischen Muslimbrüdern und Sicherheitskräften in KairoBild: el-Shahed/AFP/Getty Images

Besonders junge Menschen unterstützten den IS, sagt der Politikwissenschaftler Kamal Habib. "Sie glauben, dass momentan nicht die Zeit für Frieden ist." In diese Richung äußerten sich im Gespräch mit "Al-Monitor" auch andere junge Islamisten aus Ägypten. Einer erklärte, er wolle nach Syrien reisen und sich dort dem Kampf des IS anschließen. Danach wolle er nach Ägypten zurückkehren und die Ideologie des IS in der Heimat verbreiten. "Ägyptens islamische Gemeinschaft liegt derzeit am Boden", so der junge Mann im Interview mit "Al-Monitor. "Der 'Islamische Staat' wird sie wieder aufrichten und die Feinde Gottes terrorisieren."

"Kampf bis zum jüngsten Tag"

Im Kampf gegen den Terrorismus setzt Ägypten derzeit vor allem auf militärische Stärke. In aller Entschiedenheit versucht der Staat zu verhindern, dass sich die dschihadistische Ideologie weiter verbreitet. Rechnen können sie dabei auf die Unterstützung des ägyptischen Großmuftis Shawki Allam, des obersten ägyptischen Rechtsgelehrten. Der hatte Mitte Oktober ein Rechtsgutachten gegen den dschihadistischen Terror erlassen. Wer terroristische Akte begehe, erklärte er, "verdient den Zorn Gottes auf Erden und am Ende seiner Tage". Ob sich die Terroristen davon beeindrucken lassen, ist zweifelhaft. Man befinde sich in einem "Krieg ohne Ende", verbreitete "Ansar Beit al-Makdis" am Sonntag über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Wir werden die Armee bis zum Tag des jüngsten Gerichts bekämpfen."