Ägypten: Endlich ist Salah zur Stelle
27. Juni 2019Nichts konnte die gute Laune der 73.000 Fans beim Africa Cup an diesem Tag in Kairo verderben. Weder die Uhrzeit - die Zuschauer sollten vor 19:00 im Cairo International Stadium sein -, noch die Hitze: über 35 Grad am späten Nachmittag. Auch die Suspendierung ihres Mittelfeldspielers Amr Warda nach Vorwürfen wegen sexueller Belästigung oder die zahlreichen Kontrollen durch Polizei und Sicherheitsdienst taten der Stimmung Abbruch.
Vieles tun, fast nichts geschafft
Stattdessen sah man in allen Ecken des Stadions: Selfies, Videos, Face Time-Chats mit Freunden draußen in der Stadt. Die Zuschauer auf den Tribünen wussten, dass sie heute die Privilegierten in dieser 19 Millionen-Einwohner-Metropole waren. Privilegiert deswegen, weil sie ihre Liebe zu den "Pharaos" vor Ort lautstark dokumentieren und auch ihren Superstar Mohamed Salah unterstützen konnten. Beim Turnierauftakt gegen Simbabwe war Salah noch blass geblieben. "Seine Leistung beim ersten Spiel war schlecht", erzählt Reham, ein weiblicher Fan. "Er war ein bisschen egoistisch. Er wollte vieles tun, aber hat fast nichts geschafft”, ergänzt die junge Frau. Aber die Ägypter können dem Mann vom FC Liverpool nicht böse sein. Sie wissen: Er liebt Ägypten, und Ägypten liebt ihn. "Gegen Simbabwe war es nicht sein Spiel, aber heute trifft er, sicher", sagt Adam, ein vierzigjähriger Mann, der mit seinen Töchtern ins Stadion gekommen ist. Es klingt wie ein Versprechen.
Doch zunächst ist da das Spiel zwischen Uganda und Simbabwe. Das Stadion ist erst halbvoll. Die ägyptischen Fans machen dennoch bereits gehörig Krach. Es ist nicht klar, ob sie sich selbst feiern oder die beiden Teams auf dem Rasen unterstützen wollen. Als die Tore fallen - Emmanuel Okwi zum 1:0 in der 12. Minute für Uganda und kurz vor der Pause der Ausgleich zum 1:1 durch Khama Billiat - wird es nochmal lauter.
Eine Liebe, die man mit Händen greifen kann
Man könnte zu diesem Zeitpunkt bereits glauben, dass die Ägypter später keine Stimme mehr haben würden. Doch als Mo Salah und die anderen "Pharaos" zum Aufwärmen den Platz betreten, gibt es kaum ein Halten. Wie schon beim ersten Spiel wird der Stürmer vom Champions-League-Sieger Liverpool wie ein Rockstar empfangen. Wann wurde zuletzt ein Spieler in seinem eigenen Land mit einer solchen Leidenschaft geliebt? Diego Maradona, vielleicht früher. In den letzten Jahren waren Spieler wie Cristiano Ronaldo oder Zinedine Zidane die Gesichter einer Nation. Aber die Beziehung, die sie zum Publikum hatten, war nicht so elektrisierend. Hier ist eine Art Liebe, die man fast mit Händen greifen kann.
Mo werde heute treffen, hatte sein Fan Adam zu Protokoll gegeben. Und in der 43. Minute ist es soweit: Nach einem Konter lässt Salah den Wolfsburger Innenverteidiger Marcel Tisserand im Trikot der DR Kongo glauben, er würde ins lange Eck schießen, er schießt aber ins kurze. Ohne Chance für Keeper Ley Matampi. Das Stadion dreht durch.
"Ins Turnier gekommen"
Salah hat getroffen, Ägypten führt 2:0. Bei diesem Ergebnis bleibt es. Die "Pharaos" haben ihr Ticket fürs Achtelfinale. Nach dem Spiel ist es immer noch warm, aber angenehm. Viele Fans reden über Salah, zufrieden, dass er endlich "ins Turnier gekommen" ist. Und sie sind auch zufrieden, dass sie einen Spieler wie Mahmoud Hassan, Spitzname "Trezeguet”, in ihren Reihen haben. So kann Ägypten viel erreichen bei diesem Turnier. Auch, damit es weitere wilde Nächte im Cairo International Stadium gibt.