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683 Menschen zum Tode verurteilt

Khalid El-Kaoutit28. April 2014

Er hat es wieder getan. Richter Said Joussef löste erneute eine Welle der Empörung aus: 683 mutmaßliche Anhänger der Muslimbruderschaft hat er zum Tode verurteilt.

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Verzweifelte Angehörige weinen und schreien vor dem Gerichtsgebäude in Minia (Foto: DPA)
Die Angehörigen der Verurteilten sind fassungslosBild: picture-alliance/dpa

Die ägyptische Justiz setzt ihr hartes Vorgehen gegen Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi fort: In einem zweiten Schnellverfahren wurden am Montag (28.04.2014) im zentralägyptischen Minia 683 mutmaßliche Islamisten zum Tode verurteilt

Viele Ägypter gehen davon aus, dass man bewusst Richter Said Joussef Sabri das Urteil im März und auch das vom Montag fällen ließ, damit die Angeklagten die Höchststrafe erhalten.

Ägyptischen Medienberichten zufolge ist der Richter für harte Urteile bekannt - so schickte er etwa einen Mann, der in einem Geschäft Frauenkleider gestohlen hatte, für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Unter den 683 zum Tode Verurteilten befindet sich auch der Anführer der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie. Zudem bestätigte das Gericht in Minia 37 der 529 Todesurteile vom März gegen die Muslimbrüder. Die restlichen 429 wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Damals hatte der Richter die insgesamt 529 Angeklagten pauschal zum Tode verurteilt.

Ägyptische Muslimbruderschaft oberste Führer, Mohamed Badie (Foto: Getty Images)
Auch er wurde zum Tode verurteilt: Mohammed Badie, Chef der MuslimbrüderBild: AHMED GAMIL/AFP/Getty Images

Sicherheit ist nicht Aufgabe eines Richters

Die Umstände beider Verfahren sind bisher unklar. Journalisten durften weder in das Gerichtsgebäude noch hatten sie Zugang zu den Verfahrensakten. Bei dem ersten Prozess Ende März sollen die Angeklagten nicht einmal namentlich aufgerufen worden sein. Für das Urteil vom Montag hat der Richter gerade einmal drei Stunden gebraucht, um das Urteil über 683 Menschen zu sprechen. 4000 Sicherheitskräfte waren rund um das weiträumig abgesperrte Gerichtsgebäude im Einsatz, um mögliche Angriffen seitens der Muslimbrüder zu verhindern.

Über die Abläufe und Hintergründe beider Urteile kann man deshalb nur spekulieren. Bekannt ist, dass einige ägyptische Richter auch schon Todesurteile gefällt haben, um Angeklagte, die mit Abwesenheit glänzten, dazu zu zwingen, vor dem Gericht zu erscheinen. In der Regel wurde das Urteil dann wieder aufgehoben.

Doch bei beiden Prozessen waren viele der Angeklagten anwesend und wurden trotzdem zur Höchststrafe verurteilt.

Bombenanschlag in Kairo (Foto: DPA)
Immer wieder kommt es in Ägypten zu Anschlägen, so wie Mitte April in KairoBild: picture-alliance/dpa

Beobachter gehen davon aus, dass Richter Said Joussef Sabri durch seine harte Rechtprechung ein Zeichen setzen wollte: Er wolle die Sicherheit im Land wiederherstellen, hieß es von verschiedenen Stellen. Er wolle Sympathisanten der Muslimbruderschaft abschrecken und sie eventuell davon abhalten, an Protesten der Muslimbrüder teilzunehmen. Dabei sei dies nicht die Aufgabe eines Richters, sagen Rechtsexperten. Seine Aufgabe sei es, für eine gerechte Rechtsprechung zu sorgen.

"Es wurde Blut vergossen"

Stattdessen spalten solche Urteile die ägyptische Gesellschaft noch tiefer. Ein Polizeioffizier, der seinen Namen nicht nennen will, war bei dem Prozess Ende März Nebenkläger und wurde als Zeuge vorgeladen. Er begrüßt die Todesurteile. Er sei in der Polizeistation gewesen, als Demonstranten vergangenen Sommer das Gebäude gestürmt und in Flammen gesetzt hatten. Zwei Polizisten waren dabei ums Leben gekommen. Auch er sei von der Menge niedergeschlagen worden, erzählt er. "Ich bin nur durch ein Wunder noch am Leben", sagt er.

Allen Verurteilten wird eine Beteiligung an der Tötung der Polizisten vorgeworfen. Der Polizeioffizier räumt aber auch ein, dass nicht alle Angeklagten bei der Stürmung der Polizeistation dabei gewesen sind. "Aber es gibt ja Berichte vom Geheimdienst, die die Beteiligung der anderen Angeklagten beweisen". Wie diese Berichte entstanden sind, inwieweit die anderen Angeklagten, die nachweislich nicht am Tatort waren, an der Tötung beteiligt waren, bleibt aufgrund schlechter Informationspolitik der Justiz und der zuständigen Behörden der Öffentlichkeit vorenthalten.

"Ich habe Vertrauen in die ägyptische Justiz", sagt der Polizeioffizier. Sonst hätte er auf seine Weise versucht, für Gerechtigkeit zu sorgen. Es sei schließlich Blut vergossen worden, sagt er entschlossen.

Verzweifelte Angehörige weinen und schreien vor dem Gerichtsgebäude in Minja (Foto: DPA)
Die Angehörigen hoffen auf eine Aufhebung des MassenurteilsBild: picture-alliance/dpa

Unabsehbare Folgen

Rechtskräftig ist noch keiner der Richtersprüche, doch die Angehörigen sind in großer Sorge. Auch wenn sie wissen, dass die Urteile spätestens beim Kassationsgericht aufgrund mangelnder Beweislage annulliert werden. Doch es gibt schon Stimmen einiger Muslimbrüder, die Rache schwören. Schon am Tag der Urteilsverkündung haben sie sich in Minia, Kairo und Assyout versammelt, um gegen die neuen 683 Todesurteile zu demonstrieren.

Es mehren sich die Stimmen derer, die sich gegen solche Massen-Todesurteile aussprechen. Einige Aktivisten haben die Initiative "Ägypter gegen die Todesstrafe" gestartet, die immer mehr Zulauf bekommt. Unter den Mitwirkenden sind vor allem liberale und linke Aktivisten, die zwar im Juni 2013 massiv gegen die Herrschaft der Muslimbrüder protestiert hatten. Doch auch sie haben wenig Vertrauen in die ägyptische Justiz. Denn die Bewegung des 6. April, die maßgeblich an der Revolution von 2011 beteiligt war, wurde jetzt ebenfalls verboten - so wie zuvor die Muslimbruderschaft.