Zwischen Heimweh und Neuanfang: Geflüchtete Ukrainerinnen in Deutschland
Sie sind vor dem Krieg geflohen, ohne genau zu wissen, wo sie Unterschlupf finden. Die DW hat mit mehreren Frauen gesprochen, die die Ukraine nach dem 24. Februar verlassen haben und jetzt in Deutschland leben.
"Ich möchte nach Hause"
Olexandra verließ Kiew am 23. März. Jetzt lebt sie in Bergisch Gladbach: "Ich möchte nach Hause, aber es geht noch nicht. Manchmal möchte ich alles liegen lassen und zurück nach Kiew, auch wenn dort Bomben fallen. Es ist schwer hier in der Fremde. Wir müssen so viele Menschenleben retten wie möglich, um das Land wieder aufzubauen. Der Gedanke daran hilft mir, mit der Situation fertig zu werden."
"Gott, lass mich bis morgen überleben"
Olexandra erinnert sich: "Am 15. März beschloss ich zu gehen. Eine U-Bahn-Station in der Nähe wurde getroffen. Ich wachte auf, weil die Hauswände zitterten. Am 23. März nahm ich den Zug zu einer Freundin nach Lwiw. Doch am 26. März fielen auch dort Bomben und ich saß im Keller und dachte: 'Gott, lass mich bis morgen überleben.' Von Lwiw fuhr ich erst nach Tschechien und von dort nach Deutschland."
Olexandra suchte Schutz in einer Tiefgarage
Über die ersten Kriegstage in einer Garage sagt Olexandra: "Am dritten Tag gingen die Lebensmittel aus. Irgendwann fehlte mir sogar die Kraft, mir ein Gummiband um die Haare zu binden. In dem Luftschutzkeller gab es eine Toilette und ein Waschbecken, in dem man Geschirr spülen konnte. Eine Dusche gab es nicht."
"Ich war schockiert"
Olena verließ die Region Kiew mit ihren Kindern am 10. März. Sie lebt jetzt in Köln. "Ich stamme aus der Region Donezk. Awdijiwka ist meine Heimatstadt. 2014 und 2015 standen wir dort acht Monate lang unter Beschuss. Und dann kam der 24. Februar 2022. Mein Gott, ich hatte nicht gedacht, dass es wieder Krieg geben wird, ich war schockiert."
Flucht wegen Lebensgefahr
Über die ersten zwei Kriegswochen in der Nähe von Kiew sagt Olena: "Im Dorf selbst waren keine russischen Soldaten, aber ganz in der Nähe in Butscha, Makariw und Borodjanka. Dort gab es schrecklichen Beschuss. Ich beschloss, meine Sachen zu packen und zu fliehen. Zu bleiben hätte bedeutet, auch das Leben und die Gesundheit meiner Kinder zu gefährden."
"Wir bleiben in Deutschland"
Olena schätzt sich sehr glücklich: "Ich war nie hier, aber es ist das einzige Land, wohin ich wollte. Mir wurde geholfen, eine Unterkunft zu finden. Ich fühle mich hier gut und sicher. Ich denke, wir bleiben in Deutschland. Die Kinder gehen schon zur Schule und lernen Deutsch, und ich auch. Wir sind jetzt schon zwei Mal vor Krieg geflohen. Meine Kinder sollen nun in Ruhe aufwachsen."
"Mama, muss ich jetzt sterben?"
Tatjana verließ Charkiw am 5. März. Jetzt lebt sie in Bonn. In der Ukraine verbrachte sie drei Wochen mit ihrem Kind unter Beschuss. "Meine zehnjährige Tochter hatte große Angst, weinte oft und fragte die ganze Zeit: 'Mama, muss ich jetzt sterben?' Es war auch beängstigend zu fliehen, aber ich konnte mein Kind in diesem Zustand nicht länger ansehen."
Tatjanas Tochter in einem Bunker in Charkiw
Über ihre Flucht mit ihrer Tochter aus Charkiw sagt Tatjana: "Nach fünf Tagen kamen wir in Lwiw an. Von dort fuhren wir nach Polen. Die polnischen Grenzschützer waren freundlich und sagten uns ständig, dass wir in Sicherheit seien. Sie halfen uns, unsere Taschen zu tragen. Helfer gaben Kindern Spielzeug, versorgten uns mit warmem Essen und allen Dingen, die nötig sind."
"Mit meinem Herzen bin ich in Charkiw"
Tatjana ist Deutschland und anderen europäischen Ländern für die Hilfe dankbar: "Ich bin zwar in Sicherheit, aber mit meinem Herzen bin ich in Charkiw, bei meiner Familie und meinen Freunden. Jeden Abend lese ich die Nachrichten über Bombardierungen, Tote und Verwundete. Jeden Morgen rufe meine Familie und Freunde an, in der Hoffnung, dass mit ihnen alles in Ordnung ist."
Bei Freunden in Deutschland
Inna aus Odessa sagt, sie sei mit ihrer Freundin Xenia zu Freunden nach Deutschland gekommen. Diese hätten ihnen angeboten, vorübergehend bei ihnen unterzukommen. Die Kinder der beiden Frauen nehmen weiterhin am Unterricht ihrer ukrainischen Schulen teil - und zwar online. Beide Ukrainerinnen sind allen dankbar, die ihnen geholfen haben.
"Das Schlimmste ist die Ungewissheit"
Xenia und Inna kommen beide aus Odessa. "Wir leben in Ungewissheit, denn wir wissen nicht, was als nächstes passiert. Uns ist klar, dass wir unser Land wieder aufbauen müssen. Klar ist auch, dass es keine Jobs geben wird, denn die Wirtschaft hat gelitten. Alle Ukrainer wissen das. Aber das Schlimmste ist, dass niemand weiß, wie lange das dauern wird und was man jetzt tun soll", sagen sie.
"Auch ich will nach Hause"
Inna (im Bild) will zurück nach Odessa. Xenia fügt hinzu: "Auch ich will nach Hause. Hier sind wir nur zu Gast. Aber mein Mann ist noch dagegen, dass ich zurückkomme. Obwohl ich schon einige Male kurz davor war, trotz des Krieges loszufahren. Ich hätte meine Stadt niemals verlassen. Wenn mein Mann bei mir wäre, würde ich mich anders fühlen. Er ist in Odessa und patrouilliert in unserer Straße."