Zwischen Flucht und Abschiebung
An diesem Montag soll die Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei beginnen. DW-Korrespondentin Gemima Harvey war ein Monat auf der Insel Lesbos als Freiwillige. In ihren Bildern schildert sie den Alltag im Chaos.
Alleingelassen
Die Wirkung des neuen Flüchtlingsdeals zwischen der EU und der Türkei ist auf Lesbos schon spürbar. Am Wochenende vor Ostern wurden alle NGOS vom Registrierungspunkt Moria weggeschickt. Hier soll ein geschlossenes Lager entsteht. UNHCR Sprecher Boris Cheshirkov: "Die Haft von Flüchtlingen entspricht nicht internationalen Standards. Das UNHCR ist generell gegen geschlossene Lager."
Routine für Einheimische
Menschen aus dem Meer zu ziehen, daran haben sich die Anwohner von Lesbos inzwischen gewöhnt. Zurück bleiben die Überbleibesel der vielen Rettungsaktionen, die inzwischen sogar das Stadtbild prägen. "Wir wissen, wie solchen Erfahrungen für die Menschen bedeuten", sagen viele Bewohner der Insel. "Denn unsere Eltern oder Großeltern kamen 1922 ebenfalls als Flüchtlinge hierher."
Stolze Helfer
Die syrischen Flüchtlinge Nidal und Birhip sind eines frühen Morgens in Skala Sikaminias, einem Fischerdorf im Norden Lesbos, angekommen. Bei der gefährlichen Überfahrt von der Türkei saßen sie mit mehr als 50 anderen Menschen in einem Boot. Freiwillige wie Shino und Gus wollen ihnen helfen. Gus zeigt sein neues Tattoo: eine fliehende Familie mit "Willkommen", auf Arabisch und Farsi geschrieben.
Getrennte Familie
Nidal und seine Tochter Nor wärmen sich am Feuer des Lighthouse ("Leutturm") Camps. Nidal hat zwei Söhne in Deutschland, einen in Schweden und einen in Syrien. Er zeigt mir Fotos seiner Enkelkinder, die noch in Syrien sind und wird sehr emotional. Er gibt mir das Handy, während er sich die Tränen wegwischt.
Im Trockenen
Lisa Tran aus Deutschland räumt das Zelt mit Frauen- und Kinderkleidung im Lighthouse Camp auf. Am Morgen wurden hier Neuankömmlinge mit trockenen Kleidern versorgt. Seit die griechische Küstenwache und Frontex angefangen haben, Boote abzufangen und sie in den Hafen zu bringen, landen weniger Menschen an der Küste.
Kleine Gesten, die helfen
"Eine Handvoll Gewürznelken, eine Zimtstange, 10 Teebeutel und jede Menge Zucker." Jen Shaw-Sweet aus England erklärt mir das Rezept für die riesige Kanne Tee, die sie macht, wenn Flüchtlinge am Lighthouse Camp ankommen. Auf diesem Bild bereitet sich eine Familie auf die Abreise vor. Sie wird einen Bus nach Moria nehmen. Nach Lesbos kamen sie auf einem Boot voller Frauen und Kinder.
Kunsttherapie
Bevor NGOs Moria verlassen mussten, leitete die Lighthouse Organisation zusammen mit dem dänischen Flüchtlingsrat das Familiengelände, wo ich gearbeitet habe. In der Kunstschublade ist nur noch eine Schachtel Buntstifte übrig, die sich 20 Kinder teilen müssen. Ein Mädchen und sein Bruder überreichten mir schüchtern diese Bilder.
"Wir haben alles verloren"
Ich frage Farid, ob ich ihn fotografieren darf. "Wir haben alles verloren, Bilder bedeuten nichts", sagt er. Farid hat von einem Freiwilligen Schuhe für seinen vierjährigen Sohn bekommen. Er ist zwar dankbar, sagt aber auch, dass er sich schämt, seinem Kind keine neuen Schuhe kaufen zu können. Außerdem hat Farid Angst um seine Frau, die zurückblieb. Seit Tagen hat er nichts von ihr gehört.
Traurige Überbleibsel
Berge von Schwimmwesten auf dem "Schwimmwestenfriedhof" bei Molyvos erinnern an hunderttausende Menschen, die auf Lesbos landeten. Viele der Westen sind unbrauchbar. Sie sind mit Schaumstoff gefüllt, der sich unter Wasser vollsaugen und den Träger nach unten ziehen würde. Viele "Schwimmwesten" sind eigentlich Spielzeug für Kinder, geeignet fürs Freibad, aber nicht fürs offene Meer.