Zwei Vogelgrippe-Mutationen reichen für eine Pandemie
Veröffentlicht 5. Dezember 2024Zuletzt aktualisiert 6. Dezember 2024Kein Grund zur Panik, aber zur erhöhten Vorsicht: Eine einzelne Mutation des in den USA unter Rindern grassierenden Vogelgrippevirus H5N1 könnte ausreichen, damit der Erreger deutlich leichter Menschen infizieren kann. Laut einer neuen Studie könnten weitere minimale Mutationen sogar eine Pandemie auslösen.
Warum ist dieses Vogelgrippevirus so gefährlich?
Die Vogelgrippe tritt schon lange regelmäßig auf. Gewöhnlich wurden dann die betroffenen Geflügelbestände gekeult, also getötet. So konnte sich das Vogelgrippevirus nicht weiter verbreiten. In den letzten Jahren aber ist das Virus nicht mehr verschwunden. Inzwischen haben sich die hochansteckenden Virenstämme H5N1 und H5N8 durch Zugvögel weltweit ausgebreitet.
Dieses Vogelgrippevirus der Klade 2.3.4.4b hat sogar Pandemiepotential. Das liegt daran, dass dieses Virus gleich eine Vielzahl von Wirten infizieren kann, darunter Vögel, Meeressäuger, Rinder und eben auch Menschen.
Die Vorsichtsmaßnahmen haben in den USA nicht den erhofften Erfolg gehabt, das Virus hat sich in vielen Rinderherden ausgebreitet. 2024 wurde es in mindestens 282 Betrieben in 14 US-Bundesstaaten nachgewiesen.
"Die Krankheiten bei Kühen sind manchmal schwerere als zu Beginn des Ausbruchs. Und der Erreger wird teilweise auch auf Geflügel in der Nähe und weiter entfernt von den betroffenen Milchviehbetrieben übertragen. Das ist wirklich besorgniserregend. Außerdem haben sich auch Menschen infiziert, die nicht mit den Milchkühen oder Vögeln in Berührung gekommen sind", so Dr. Megan Davis, eine US-amerikanische Professorin für Umweltgesundheit und -technik im DW-Interview.
Wie gefährlich ist die Vogelgrippe für den Menschen?
Die Viren können Menschen nur infizieren, wenn sie an die humanen Rezeptoren an der Zelloberfläche andocken können. So können sie in die Zelle eindringen. Gegenwärtig ist das aviäre Influenzavirus nicht mehr nur an die Vogel-Rezeptoren angepasst. Dass es inzwischen auch Rinder infiziert, zeigt wie wandlungsfähig es ist.
Für die neue Studie haben die Forschenden gezielt die Rezeptorbindungsstelle des jetzt bei Rindern grassierenden H5N1-Virus modifiziert. Mit nur einer einzelnen Veränderung eines bestimmten Proteins, des sogenannten Hämagglutinin (HA), ließ sich die Bindungspräferenz des Virus auf menschliche Rezeptoren umstellen. Eine zweite Veränderung verstärkte die Bindung.
"Zwei Anpassungen im HA scheinen dabei bereits auszureichen, um eine vollständige Anpassung zu ermöglichen. Dies erleichtert es den Viren, sich im Menschen zu vermehren. Trotzdem bleiben weitere Hürden wie die angeborene Immunität, die ebenfalls überwunden werden müsste", so Prof. Dr. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut.
Wie viele Menschen haben sich bereits mit dem Virus angesteckt?
In den USA haben sich mehr als 50 Personen mit dem Vogelgrippevirus infiziert, bei den meisten war der Verlauf mild. Allerdings hat sich zuletzt ein Jugendlicher im kanadischen British Columbia infiziert und erkrankte schwer.
Dabei hatte der Teenager überhaupt keinen Kontakt zu Wildvögeln oder Geflügel- und Rinderfarmen. Und das beim ihm festgestellte Virus gehört zwar zur selben Virusklade 2.3.4.4b, genetisch ist das Virus aber nicht identisch mit dem in den USA zirkulierenden Virus.
Besteht die Gefahr einer Mensch zu Mensch-Übertragung?
Im Moment gibt laut Davis keine eindeutigen Hinweise für eine Übertragung von Mensch zu Mensch. Aber: "Mit jeder Gelegenheit, die wir dem Virus beim Menschen oder beim Tier geben, steigt die Gefahr, dass sich die Viren auch an eine Übertragung von Mensch zu Mensch anpassen und gegen antivirale Medikamente resistent werden und dann schwerere Krankheiten verursachen", so Prof. Dr. Davis gegenüber der DW.
Was kann man gegen das Virus tun?
Angesichts des hohen Pandemiepotentials plädieren Forschende und Mediziner für eine deutliche strengere Überwachung des Erregers in den USA.
Für eine engmaschige Überwachung spricht sich auch Prof. Dr. Martin Schwemmle vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg aus: "Es ist auch wichtig, die Infektionsketten bei Milchkühen zu stoppen, um dem H5N1-Virus keine Chance zu geben, sich dadurch indirekt an den Menschen anzupassen."
In den betroffenen Gebieten sollten die Menschen möglichst keine Rohmilch, sondern lieber pasteurisierte Milchprodukte konsumieren, so Dr. Megan Davis gegenüber der DW. "Wenn Sie einen Wildvogel sehen, fassen Sie ihn nicht mit bloßen Händen an. Rufen Sie die Behörden. Wenn Sie mit Wildvögeln arbeiten, tragen Sie eigene Schutzausrüstung. Halten Sie Ihre Katzen im Haus, besonders wenn es in Ihrer Umgebung Probleme mit H5N1 gibt."
Ausgewählte Quellen:
Lin TH et al. (2024): A single mutation in bovine influenza H5N1 hemagglutinin switches specificity to human receptors. Science. DOI: 10.1126/science.adt0180.