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Auf der Suche

7. Mai 2010

Ihre Großväter waren in ihren Familien immer ein Tabu. Jetzt, 65 Jahre nach Kriegsende, macht sich ein deutsch-polnische Ehepaar auf die Suche nach der Vergangenheit und trifft auf Widerstände.

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Gabriela und Uwe von Seltmann bei ihrer Hochzeit im Jahr 2007 (Foto: privat)
Gabriela und Uwe von Seltmann bei ihrer Hochzeit im Jahr 2007Bild: Archiv Uwe von Seltmann

Uwe von Seltmanns Projekt begann während einer Reise ins polnische Krakau. Dort wollte der Journalist über das jüdische Leben berichten. Doch während eines Besuches in einer Synagoge nahm seine Reise eine Wendung. Er kam ins Gespräch mit einem Juden aus London, der seiner ermordeten Eltern gedachte und ihm direkt ins Gesicht sagte: "Sie interessieren sich für das Judentum, weil Sie sich schuldig fühlen für das, was ihr Großvater getan hat, was immer es auch war'".

Für Uwe von Seltmann war diese Begegnung der Auslöser dafür, einen lang gehegten Wunsch in die Tat umzusetzen. Er begann das Leben seines Großvaters nachzurecherchieren. Großvater Lothar war in der Familie von Seltmann lange ein Tabu, denn er gehörte in Krakau als SS-Mann zum Stab von Odilo Globocnik an, einem der brutalsten Massenmörder des Dritten Reiches. Nach einer steilen Karriere starb er 1944, möglicherweise beging er Selbstmord.

Sein Enkel Uwe von Seltmann hat vier Jahre lang in Aufzeichnungen und Briefen gelesen und Zeitzeugen befragt. 2004 hat er die Recherche in dem Buch "Schweigen die Täter, reden die Enkel" veröffentlicht.

"Oh, my grandfather was killed in Auschwitz"

Familie von Seltmann, aufgenommen 1943 (Foto: privat)
Großvater Lothar von Seltmann mit Familie - aufgenommen 1943Bild: Archiv Uwe von Seltmann

Doch mit dem Buch war das Thema nicht abgeschlossen. "Das war einer meiner größten Trugschlüsse. Einerseits, weil ich bis heute Informationen bekomme über meinen Großvater. Und zum anderen habe ich über dieses Buch meine Frau kennen gelernt." Ausgerechnet in Krakau traf Uwe von Seltmann auf Gabriela Maciejowska. In einem Café kamen beide über den Tisch ins Gespräch. "Und dann sagte sie plötzlich: 'Oh, my grandfather was killed in Auschwitz'".

Familie Pazdanowski, aufgenommen 1942 (Foto: privat)
Großvater Michał Pazdanowski mit Familie - aufgenommen 1942Bild: Archiv Uwe von Seltmann

Ein Jahr nach dieser Begegnung heirateten der Deutsche und die Polin. Ihr Großvater, ehemals Schuldirektor in einem Ort in der heutigen Ukraine, wurde 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und dort ermodertet. Warum, ist noch ungeklärt. Seine Frau und die drei Kinder überlebten. Doch die schmerzhafte Vergangenheit blieb auch in Gabriela Maciejowskas Familie lange ein Tabu. Erst mit 18 Jahren erfuhr sie von dem Schicksal ihres Großvaters: "Ich denke, dass meine Mutter und Großmutter sehr viel unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten haben. Für sie war es schwierig, darüber zu sprechen", erinnert sie sich. "Wir wurden dazu erzogen, keine falschen Fragen zu stellen."

Keine Privatsache

Nun möchte das Paar das Leben von Gabrielas Großvater Michał Pazdanowski nachrecherchieren. Gefördert wird es dabei von der Heinrich-Böll Stiftung in Sachsen und dem Edith-Stein-Haus in Wroclaw (Breslau). Doch das deutsch-polnische Projekt "Zwei Familien, zwei Vergangenheiten - eine Zukunft" hat nicht nur Unterstützer. Schon jetzt weiß das Paar, dass die Suche in Archiven zum Beispiel in der Ukraine nicht gerne gesehen wird und dass nicht alle Familienangehörigen bereit sind, über das Vergangene zu sprechen. Nicht zuletzt deshalb, weil bereits eine Beziehung zwischen einem Nazi-Enkel und einer Polin auf großes Unverständnis stößt.

Dabei sei das Projekt für das Paar keine Privatsache, sondern eine Geschichte mit internationaler Dimension, bei der die Familien von Seltmann und Pazdanowski nur exemplarisch für viele Familien stünden. "Wenn Angehörige aus Opfer- und Täterfamilien zusammenkommen, passiert was, da brechen Konflikte auf. Und damit muss man lernen umzugehen", sagt Uwe von Seltmann. "Mit dem Projekt wollen wir zeigen, dass das ein Stück weit möglich ist."

Autor: Maxie Thielemann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz